Arbeiten in der Chemie

Wirkstoffpflaster statt Tabletten: Alternative mit längerer Wirkung

· Lesezeit 4 Minuten.
Wirkstoffpflaster statt Tabletten: Alternative mit längerer Wirkung
Transdermale Pflaster : LTS macht kontrollierte Wirkstofffreisetzung über die Haut möglich. Foto: stock.adobe.com/Cantarela

Die größte Hürde ist die menschliche Haut. Sie lässt nur eine sehr eingeschränkte Anzahl von Wirkstoffen überhaupt durch. Von den rund 4.000 zugelassenen Arzneimittelwirkstoffen sind es gerade mal circa 30, die in der Welt der Wirkstoffpflaster angekommen sind. Neben dem Molekulargewicht begrenzen auch andere physikochemische Eigenschaften den Einsatz in einem Wirkstoffpflaster. Eine vermeintlich kleine Nische, in der die LTS LOHMANN Therapie-Systeme AG in Andernach unterwegs ist – die das Unternehmen aber äußerst erfolgreich bespielt und stetig erweitert.

Die LTS Lohmann Therapie-Systeme AG ist ein weltweit führendes Unternehmen in der Entwicklung und Herstellung innovativer Arzneimittel-Systeme. Seit der Gründung 1984 hat sich LTS vom Pionier für Wirkstoffpflaster zu einem internationalen Spezialisten für moderne Darreichungsformen entwickelt. 

„Die LTS steht für zukunftsweisende Arzneiformen, die Patientinnen und Patienten weltweit zugutekommen“, sagt Dr. Claudia Schaefer, Chief Operating Officer.

Das Unternehmen vermarktet keine eigenen Produkte, sondern ist als Lohnentwickler und -hersteller Dienstleister für die Pharmaindustrie. Gemeinsam entwickelt man Lösungen, die das Leben von Millionen Menschen erleichtern. Dazu gehören dünne Wirkstofffilme zum Auflösen im Mund, moderne Mikronadelpflaster, die Medikamente schmerzfrei verabreichen – und transdermale Pflaster. Längst lassen sich mit solchen Pflastern nicht nur Raucher entwöhnen. Frauen erhalten darüber Hormone zur Verhütung oder in den Wechseljahren, Schmerzen werden therapiert. Und selbst für Parkinson- und Alzheimer-Patienten gibt es mittlerweile Pflaster.

 

Besser dosierbar bei längerer Wirkung

Über Pflaster sind Wirkstoffe besser dosierbar. Anders als Tabletten wirken Pflaster oft über mehrere Tage, vergleichbar mit einer Dauerinfusion. Auch die Nebenwirkungen sind je nach Produkt geringer. 
Seit der Gründung 1984 ist LTS gewachsen. Aus 30 wurden mehr als 2.200 Mitarbeitende weltweit, davon 1.100 in Andernach. Das Unternehmen macht einen Jahresumsatz von mehr als 600 Millionen Euro. Sechs bis acht Prozent davon fließen in Forschung und Entwicklung. Pro Jahr produziert LTS etwa 750 Millionen bis eine Milliarde Wirkstoffpflaster. 

Bei einem Werkrundgang in Andernach wird sichtbar, dass Technik eine LTS-Kernkompetenz ist: 80 Prozent der Maschinen hier hat das Unternehmen selbst konzipiert und gebaut. Am Anfang der Pflasterproduktion steht die Mischung von Wirkstoffen mit den Klebstoffen zu einer homogenen Masse. Diese wird im nächsten Arbeitsschritt in höchster Präzision auf bahnförmige Trägermaterialien beschichtet. Nach dem Trocknen der Lösemittel entstehen Laminate, die bis zu sechs verschiedene Schichten haben können. Es folgen Zuschnitt, Stanzen und Verpackung. Alle Herstellungsschritte werden mit den für Arzneimittel vorgegebenen hohen Qualitätsansprüchen durchgeführt. 

Von der Entwicklung der Rezeptur bis hin zum fertigen Wirkstoffpflaster ist viel Know-how notwendig, damit Patienten ein qualitativ hochwertiges Arzneimittel in der Hand halten.

Mehr Wirkstoffe, neue Technologien

Weil die Einsatzzwecke endlich sind, arbeitet LTS daran, mehr bestehende Wirkstoffe pflastertauglich zu machen. Außerdem erforscht das Unternehmen neuartige Wege, sie durch die Haut zu bringen. Am ausgereiftesten sind „Micro Array Patches“: Auf diesen Pflastern sind zwischen 300 und 3 000 winzige Polymerstrukturen aufgebracht, die Wirkstoffe enthalten. Die Pflaster werden mit leichtem Druck aufgeklebt, die polymeren Mikrostrukturen durchdringen die Haut, lösen sich im Gewebe auf und geben den Wirkstoff ab. 

Diese Patches könnten nicht nur Nadelphobiker beruhigen. Auch ihre Wirksamkeit könnte besser sein, da die polymeren Mikrostrukturen direkt die immunkompetenten Zellen unter der Haut erreichen, die dann schneller und effektiver die Immunreaktion auslösen als bei bisherigen Impfungen. Entwickelt wird diese Mikronadeltechnologie in Andernach.

Kürzlich hat LTS das amerikanische Unternehmen Renaissance übernommen, welches sich auf die Entwicklung und Herstellung von Nasensprays und sterilen Darreichungsformen spezialisiert hat. Damit erweitert LTS sein Spektrum an alternativen Lösungen für die Arzneimittelverabreichung noch weiter.

 

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