Politik & Wirtschaft

Wie der Klimawandel die Lieferketten bedroht – so schützt sich Finzelberg

· Lesezeit 4 Minuten.
Sägepalmen mit Früchten
Sägepalmen in Florida: Aus dem von Hurricanes bedrohten Gebiet bezieht das Andernacher Unternehmen Finzelberg die Früchte dieser Bäume. Auf mögliche Ernteausfälle ist es vorbereitet. Foto: Jürgen Zimmermann

Herr Zimmermann, wenn ein Hurricane über die Anbaugebiete der Pflanzen fegt, die Sie brauchen, was ist dann zu tun?

Dies betrifft die Flächen in den USA, auf denen Sägepalmen wachsen. Deren Früchte sind ein wichtiger Rohstoff für uns. Für die Sägepalmenfrüchte haben wir weltweit nur diese einzige Quelle. Darum kommt hier vorausschauende Bestandspolitik ins Spiel. Wir brauchen einen ausreichenden Sicherheitsbestand als Puffer. Es gilt, nicht erst zu reagieren, wenn es so weit ist. Sondern wir müssen langfristig planen.

Die Geo- und Klimaentwicklung zu beobachten, Daten auszuwerten und dann proaktiv mit dem Thema umzugehen, ist Teil unseres Risikomanagements.Jürgen Zimmermann, Head of Supply Chain (Leiter Lieferketten), Finzelberg

Können Sie ein weiteres Beispiel nennen?

Auch der Rosenwurz hat für uns eine große Bedeutung. Wir haben die Pflanze unter anderem aus Russland bezogen. Bereits vor 20 Jahren fingen wir aber an, sie in Mitteleuropa anzubauen. Das Ziel war damals, die Abhängigkeit zu reduzieren und die natürlichen Ressourcen zu schützen. Der Ukraine Krieg hat uns gezeigt, dass dies in Bezug auf die Versorgungssicherheit die richtige Entscheidung war.

Welche Faktoren wirken noch auf Ihre Lieferketten ein?

Manchmal gibt es zu wenig Leute vor Ort, die die Pflanzen sammeln. Das gilt zum Beispiel für Osteuropa, wo die Landbevölkerung abwandert. Man kann dann versuchen, die Pflanzen zu kultivieren oder, sofern möglich, in andere Sammelgebiete ausweichen. Der Anbau ist der Königsweg – theoretisch. Allerdings sind etliche Wildpflanzen sehr speziell und lassen sich nicht ohne weiteres kultivieren. Und ein Wechsel des Herkunftsgebietes hat Folgen für unsere Abnehmer: Sind die Rohstoffherkünfte des Produkts zum Beispiel Bestandteil der Zulassung oder eines Dossiers, kann man nicht einfach in ein anderes Herkunftsgebiet ausweichen. Diversifizierung ist in einem solchen Fall nicht allein die Entscheidung eines einzelnen Unternehmens.

Bei der Diversifizierung von Lieferketten muss man gegebenenfalls auch den Kunden rechtzeitig mit ins Boot nehmen.Jürgen Zimmermann, Head of Supply Chain, Finzelberg

Warum ist es noch wichtig, die Abnehmer einzubeziehen?

Außer den genannten Gründen spielen auch Kosten eine Rolle. So einleuchtend es ist, möglichst viele Beschaffungsquellen zu haben: Diversifizierung gibt es nicht zum Nulltarif. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass unsere Lieferanten  entsprechend qualifiziert und regelmäßig auditiert werden müssen. Das heißt, die Lieferantenpflege wird umfangreicher, je höher der Diversifizierungsgrad ist. Dabei spielt für uns Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle. Der Aufbau einer stabilen, nachhaltigen und sicheren Lieferantenbeziehung ist eine Investition in die Zukunft. Daher gilt unser Interesse dem Aufbau solcher Beziehungen zu unseren Lieferanten.

Was heißt das in der Praxis?

Das heißt zum Beispiel, ein stabiles Beschaffungsumfeld auszuwählen. In Namibia haben wir langfristige Lieferantenbeziehungen für Teufelskralle gefunden, die uns eine nachhaltige Beschaffung erlauben. Sammler werden geschult, Bestandsaufnahmen durchgeführt und langfristige Sammelpläne erstellt. Nur so kann sichergestellt werden, dass wir auch in Zukunft unsere Kunden mit Teufelskralle beliefern können.

Welche aktuellen Ereignisse haben auf Ihre Lieferketten eingewirkt?

Unter anderem der Israel–Iran-Krieg. Ein Kunde fragte sofort: Seid Ihr betroffen? Könnt Ihr liefern? In solchen akuten Situationen ist häufig die Lieferfähigkeit das Thema, nicht der Preis. Wir haben Sicherheitsbestände, um ersteres zu garantieren. Und wenn der Transport teurer wird, weil zum Beispiel Frachtraten steigen, dann verstehen das die Kunden. Durch Beschaffungsportale sind die Lieferketten so transparent geworden, dass sich jeder über Preisreaktionen informieren kann.


 

Über Finzelberg

Der Hersteller von Pflanzenextrakten Finzelberg hat in Deutschland rund 380 Beschäftigte an zwei Standorten. Das Unternehmen gehört zu der Gruppe nature network mit rund 3800 Beschäftigten an mehr als 25 internationalen Standorten. Die Rohstoffbeschaffung obliegt dem nature-network-Geschäftsbereich Martin Bauer.

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