Das Wichtigste in Kürze
- Vom Aufstieg zum Wunder: Der Bundesliga-Aufstieg 2004 unter Jürgen Klopp war der Wendepunkt für Mainz 05 – nach zwei bitteren Fast-Aufstiegen wurde der Verein zum sympathischen Club mit nachhaltigem Erfolg.
- Trainerwahl als Schlüssel: Der langfristige Erfolg basiert auf der Auswahl authentischer Trainer, die zur Vereinsphilosophie passen – auch wenn diese Entscheidungen von außen als unkonventionell gelten.
- Zuversicht und Gemeinschaft: In schwierigen Phasen setzt Mainz 05 auf Zusammenhalt, Selbstvertrauen und klare Entscheidungen – mit dem Credo: „Jetzt erst recht!“ Das wichtigste Ziel bleibt der Klassenerhalt.
Wie starten Sie morgens in den Tag?
Ich starte gern früh in den Tag, mit einer Tasse Kaffee und den Nachrichten im Frühstücksfernsehen.
Sie gelten als Architekt des Mainzer Fußballwunders. Was war der Wendepunkt?
Der erste Aufstieg von Mainz 05 in die Bundesliga 2004 unter Trainer Jürgen Klopp wird immer etwas Besonderes bleiben. Wir sind in den beiden Jahren zuvor zweimal denkbar knapp und extrem bitter am letzten Spieltag im Aufstiegsrennen gescheitert – einmal hing es nur an einem Tor Differenz. Die ganze Nation hat mit uns gefühlt. Als wir es im dritten Anlauf endlich geschafft hatten, war der Jubel auch außerhalb von Mainz groß. Man hat uns als sympathischer und bunter Farbklecks in der Liga mit einem außergewöhnlichen Trainer wahrgenommen. Wir sind stolz darauf, dass sich dieses positive Bild und die Ligazugehörigkeit auch 20 Jahre später nicht geändert haben.
Was trug am meisten zum Transformationserfolg bei?
Ich sage immer: Der Trainer ist der wichtigste Mann. Es ist unerlässlich, dass man jemanden an der Seitenlinie stehen hat, der nicht nur über Fachwissen verfügt, sondern auch zur Philosophie und Kultur des Vereins passt und einen authentischen Draht zum Team, den Fans und zu unserer Stadt hat. Da haben wir mit unseren Personalentscheidungen in den vergangenen 25 Jahren nicht so schlecht gelegen.
Sie haben einige Trainer mit unkonventionellen Ansätzen verpflichtet. Wie erkennt man, ob ein Mensch oder eine Idee zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist?
Viele Clubs verpflichten Trainer, weil sie einen großen Namen haben, Erfolge in der Vergangenheit hatten oder über eine Menge Erfahrung verfügen. Uns ist wichtiger, dass der Trainer zu uns als Verein passt, dass es keine Unterschiede in der Kultur, der Organisation und der Persönlichkeit des Menschen gibt. Wir geben gern einen Vertrauensvorschuss und lassen Raum dafür, an Fehlern zu wachsen. Wenn das von außen als unkonventionell angesehen wird, muss ich das akzeptieren. Aber für uns ist das der richtige Weg. Die Tatsache, dass einige der größten Trainer der Welt wie Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel ihre Karriere in Mainz begonnen haben, spricht für uns.
Wie gehen Sie mit Niederlagen um?
Wir treten alle an, um Spiele zu gewinnen. Entsprechend tut natürlich jede Niederlage weh. Aber man darf sich da den Emotionen nicht zu sehr hingeben. Das Gute im Fußball und im Leben ist: Schon am nächsten Tag hat man wieder die Chance, sich auf die Siegerstraße zu bringen. Aktionismus oder populistische Entscheidungen nach Rückschlägen gibt es bei uns nicht.
Welche Tipps haben Sie für schwierige Phasen?
Wir haben in Mainz schon viele Situationen gemeistert, in denen uns bereits alle abgeschrieben haben. Noch nie hat es ein Team im europäischen Profifußball geschafft, die Klasse zu halten mit nur sechs Punkten aus einer Halbserie – bis wir 2021 das Unmögliche möglich gemacht haben. Der Schlüssel ist: Niemals aufzugeben und selbst dann an sich und seine Chancen zu glauben, wenn andere es nicht tun. Glauben wir an eine Sache, damit meine ich insbesondere das Trainerteam, ziehen wir es durch. Bei Zweifeln muss man Entscheidungen treffen, auch wenn sie vielleicht nicht der öffentlichen Meinung entsprechen.
Wie haben Sie das Team und die Fans mitgenommen?
Als wir in einer sportlich sehr düsteren Phase im Winter 2020 zurück nach Mainz kamen, konnten wir die Angst und die Hoffnungslosigkeit in der Kabine und unter den Fans schier greifen. Wichtig war, erst einmal die Köpfe freizubekommen und den Druck zu nehmen. In der Situation hatten wir ohnehin schon nichts mehr zu verlieren. Wir haben uns auf unsere Stärken besonnen, auf das, was uns lange ausgemacht und unseren Fans gefehlt hat. Und eine eingeschworene Gemeinschaft gebildet, die sich gedacht hat: „Jetzt erst recht!“.
Wie halten Sie es mit Kritik, Selbstkritik und positiver Ausstrahlung?
In der Bundesliga wirst du ständig bewertet – von Medien, Fans und der Öffentlichkeit. Durch die große Reichweite, die der Fußball hat, sind Applaus und Kritik viel, viel lauter. Man muss sich von dem Getöse ein Stück weit entfernen, um nicht den Halt zu verlieren. Es hilft dabei, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und gute Freunde und Familie um sich zu haben, die einen erden und die Wahrheit sagen. Das gilt auch, wenn sie nicht dem entspricht, was man hören will. Positive Ausstrahlung wirkt meines Erachtens lediglich, wenn sie authentisch ist. Authentizität ist ohnehin eine der wichtigsten Eigenschaften, besonders im Fußballgeschäft.
Was sind Ihre nächsten Pläne?
Es gibt mittlerweile nur noch eine Handvoll Clubs, die länger am Stück in der Bundesliga sind als wir – und alle haben viel größere finanzielle Möglichkeiten. Viele finden das langweilig, insbesondere nachdem wir uns in der vergangenen Saison für Europa qualifizieren konnten. Doch ich werde nicht müde zu betonen: Das wichtigste Ziel für Mainz 05 wird der Klassenerhalt bleiben. Denn das allein ist in Anbetracht der starken Konkurrenz jedes Jahr ein mittelgroßes Wunder. Ein persönlicher Traum von mir ist seit jeher die Teilnahme mit Mainz 05 am DFB-Pokal-Finale in Berlin. Ich hoffe jedes Jahr aufs Neue, dass sich dieser Traum irgendwann erfüllt.
Wenn Sie einen Tag lang eine andere Person sein könnten, welche wäre das?
Darüber habe ich mir niemals Gedanken gemacht. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben und möchte gar nicht tauschen. Vielleicht mit unserem Familienhund Manni – manchmal wäre es schon interessant zu wissen, was durch seinen Kopf geht, während er von uns allen verhätschelt wird.