Das Wichtigste auf einen Blick
- Quereinsteiger sind in der Chemieindustrie willkommen: Besonders in Technik, Instandhaltung und Produktion werden sie gesucht – auch ohne formale Ausbildung.
- Attraktive Bedingungen für Berufswechsler: Gute Bezahlung, tariflich geregelte Arbeitsbedingungen und praxisnahe Weiterbildungen, etwa zur Produktionsfachkraft Chemie, machen den Einstieg lohnenswert.
- Vielfältige Optionen: Ob berufsbegleitend, über Teilqualifizierungen, interne Programme der Unternehmen oder klassische Ausbildungen – technisches Können und Motivation zählen mehr als der ursprüngliche Beruf.
Darum ist die Chemie für Berufswechsler attraktiv
Die Chemie- und Pharmaindustrie sucht Fachkräfte. Dies gilt vor allem für Technik, Instandhaltung und Produktion. Und zwar auch dann, wenn es mit der Konjunktur in Deutschland nicht rund läuft. Der Grund: Viele Ältere gehen in Rente. Zugleich gibt es zu wenige junge Leute, die sie ersetzen könnten.
Für Menschen ohne Berufsabschluss und für Fachkräfte aus anderen Berufen und Branchen ist das eine Chance. Denn: „Die Chemieindustrie zahlt gut und bietet attraktive, per Tarif geregelte Arbeitsbedingungen“, sagt Industriemeister und IHK-Prüfer Eugen Polskoi. Er bildet in Zwölf-Monats-Kursen Quereinsteiger zur Produktionsfachkraft Chemie weiter.
„Branchenwechsler und Menschen mit Migrationshintergrund sind ideale Quereinsteiger. Viele wissen nicht, dass man berufsbegleitend einen IHK-Abschluss nachholen kann.“
Eugen Polskoi, IHK-Prüfer
Das Gute am Quereinstieg: Die eigenen Skills zählen!
Die Kursteilnehmer kommen aus unterschiedlichen Berufen und Branchen. Dazu zählen Handwerksberufe wie Bäcker, Dachdecker, Anlagenmechaniker und Köche. Auch industrienahe Berufe wie die Fachkraft für Lagerlogistik und Industriemechaniker sind vertreten. Was sie bereits können, nützt.
„Anlagenmechanikern braucht man nicht mehr zu erklären, wie man Rohre montiert“, sagt Eugen Polskoi. „Und Bäcker kennen sich gut mit Mischungsverhältnissen, Säuren, Basen und Salzen aus.“
Praktische Erfahrung ist wertvoll
Selbst Menschen ohne formale Ausbildung bringen etwas mit. Häufig sind sie über Zeitarbeitsfirmen in die Chemieindustrie gekommen und möchten bleiben. Über einige Abläufe, Aufgaben und die Art der Zusammenarbeit wissen sie bereits Bescheid, wenn sie sich zum Kurs anmelden. Diese Erfahrung ist wertvoll.
Ihnen gemeinsam ist, dass sie zielstrebig und verantwortungsbewusst sind, wie Eugen Polskoi beobachtet: „Alle machen den Abschluss. Viele haben bereits eine Familie zu versorgen und möchten vorankommen.“
Weil für die Kursteilnehmenden das Fach Chemie schon sehr lange zurückliegt, fängt Eugen Polskoi mit dem Stoff dort an, wo sie stehen. Der freiberufliche Dozent ist zusätzlich noch Ausbildungsbeauftragter bei der BASF in Lampertheim und lehrt gern. Sein Anspruch: Das prüfungsrelevante Know-how auf möglichst verständliche Weise zu vermitteln und Menschen zu befähigen. Auch Teilnehmende, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, sollen Erfolg haben.
Polskoi erinnert sich: „Ich selbst komme aus Kasachstan und habe mich als Jugendlicher mit einem Hauptschulabschluss beworben. Das war gegenüber den anderen Bewerbern mit Realschulabschluss ein Nachteil.“ In einem Probejahr konnte er sich beweisen und bekam dann den Ausbildungsplatz als Chemikant. Dies war die Grundlage für seine Karriere in der Chemie.
Quereinstieg in die Chemie: Mehrere Wege führen zum Ziel
Weiterbildung als berufsbegleitendes Angebot
Mehrere Bildungseinrichtungen bieten berufsbegleitende Qualifizierungen für Chemieberufe an. Wer in sich Polskois Chemie-Berufe Akademie zur Produktionsfachkraft Chemie weiterentwickeln möchte, muss zum Zeitpunkt der Abschlussprüfung 36 Monate Produktionserfahrung in einem chemischen Bereich vorweisen. Die Weiterbildung richtet sich an berufstätige Erwachsene. Sich auf die Prüfung vorzubereiten, dies geschieht neben dem eigentlichen Job.
Noch mal ganz von vorn anfangen
Der Quereinstieg in die Chemie kann allerdings auch ganz anders erfolgen. Dies zeigt das Beispiel der Mechatronikerin Bianca Schöne: Die gelernte Konditorin studierte nach ihrer Ausbildung BWL, war davon aber nicht wirklich überzeugt. Sie brach das Studium ab. Zusammen mit Jugendlichen, die direkt von der Schule kamen, startete die Endzwanzigerin dann eine Ausbildung zur Mechatronikerin bei der BASF. Inzwischen hat sie die Meisterprüfung im Visier.
Quereinstiegsangebote der Unternehmen nutzen
Darüber hinaus hat unter anderem die BASF eigene Quereinstieg-Programme: Das Unternehmen sucht unter Interessierten, die eine abgeschlossene Ausbildung oder Berufserfahrung in der Chemieindustrie haben, geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten aus. Diese erhalten vier Jahre lang BASF-interne berufsbegleitende Qualifizierungen zur Chemikantin/zum Chemikanten. Dann legen sie die Prüfung vor der IHK ab.
Weitere Beispiele für Einstiegsoptionen der Unternehmen sind:
- Ursa Chemie ermöglicht Berufswechslern unterschiedliche Karrieren in Produktion und Logistik.
- Röhm richtet sich mit dem Ausbildungsberuf Produktionsfachkraft Chemie ausdrücklich an Quereinsteiger mit Berufserfahrung in anderen Bereichen.
- Und etliche Arbeitsstellen, etwa in der Maschinenbedienung, -wartung oder Teamführung, sind recht offen ausgeschrieben: Was zählt, sind gute technische Skills. In welchem Beruf sie erlernt wurden, steht dabei nicht im Vordergrund. Je nach Level kommt es überdies auf einen Techniker- oder Meisterabschluss und auf Führungsqualitäten an. Die Könnerinnen oder Könner müssen je nach Einsatzgebiet nicht aus der Chemieindustrie oder aus typischen Chemieberufen stammen.
Neue Karrieren für Un- und Angelernte: Die Agentur für Arbeit hilft
Die Teilqualifizierung ist für un- oder angelernte Arbeitskräfte gedacht, egal ob sie arbeitssuchend oder beschäftigt sind. Teilqualifizierung heißt: Statt einen Ausbildungsberuf komplett am Stück zu lernen, wie es Jugendliche nach der Schule tun, gibt es mehrere Ausbildungsmodule.
Interessierte ab 25 Jahren absolvieren diese Module nacheinander. Pausen zwischendurch sind möglich. Insgesamt kommen sie auf nur zwei Drittel der sonst üblichen Ausbildungsdauer, ehe sie die Abschlussprüfung machen.
Die Bundesagentur für Arbeit unterstützt dies beispielsweise mit der Übernahme von Fahrt-, Unterbringungs- und Kinderbetreuungskosten. Auch die Teilqualifizierung selbst ist förderfähig.
Erste Anlaufstelle für Beschäftigte ist das eigene Unternehmen. Arbeitssuchende wenden sich an die örtliche Arbeitsagentur.
Die Teilqualifizierung ist in vielen Berufen möglich. Dazu zählen die Fachkraft für Lagerlogistik, Industrieelektriker:in, Industriemechaniker:in und Maschinen- und Anlagenführer:in.
All diese Qualifikationen sind in der Chemieindustrie sehr gefragt.