Politik & Wirtschaft

Podcast Wir.Hear. - Gesundheit im Betrieb fördern

· Lesezeit 1 Minute.
Eine Person legt einer anderen die Hand auf die Schulter. Foto: Halfpoint - stock.adobe.com
Frühzeitig handeln: Prävention ist ein wichtiges Thema, um Beschäftigte langfristig gesund zu halten. Foto: Halfpoint - stock.adobe.com

Beschäftigte fit zu halten wird immer wichtiger für Unternehmen. Der Pharmakonzern AbbVie ist dabei Vorreiter. Welche Maßnahmen sind hilfreich? Und warum wird die psychische Gesundheit immer wichtiger? Ein Gespräch mit dem Betriebsarzt Dr. Andreas Erb.

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Tobias Göpel: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Podcasts Wir.Hear. Heute ist das Thema Gesundheit. Bei mir im Studio ist Dr. Andreas Erb vom Unternehmen AbbVie. Herr Erb, mit der Begrüßung gleich die erste Frage für alle, die AbbVie nicht kennen. Was muss man zu dem Unternehmen aus Ihrer Sicht wissen?

Andreas Erb: Hallo, Herr Göpel, vielen Dank für die Einladung. AbbVie ist ein globales, forschendes Biopharmaunternehmen, weltweit aktiv und in Deutschland an drei Standorten mit mehr als 3000 Beschäftigten vertreten. Und für diese Kolleginnen und Kollegen bin ich als leitender Betriebsarzt mit meinem betriebsärztlichen Team zuständig für die arbeitsmedizinische Betreuung.

Tobias Göpel: Drei Standorte, 3000 Beschäftigte – das klingt wahnsinnig viel. Wie sieht da Ihr Arbeitsalltag aus?

Andreas Erb: Also mein Arbeitsalltag ist zweigeteilt, kann man sagen. Wir haben zum einen die Aufgabe der klassischen arbeitsmedizinischen Betreuung nach den entsprechenden gesetzlichen Regelungen. Und zusätzlich sind wir verantwortlich für alles, was unter der Überschrift betriebliches Gesundheitsmanagement anzusiedeln ist, also Gesundheitsförderung, systematische Analysen, Arbeitsunfähigkeitsmanagement und verschiedene Programme. Und das sind so im Wesentlichen die Aufgaben, auf die sich meine Tätigkeit verteilt. Und das bedeutet, dass wir ganz stark intern natürlich vernetzt sind mit allen möglichen Stakeholdern zu diesen Themen, aber natürlich auch eine Vernetzung nach außen haben, um hier mit verschiedenen Kooperationspartnern an diesen Themen zusammenzuarbeiten.

Tobias Göpel: Machen Sie das alleine oder sind Sie ein größeres Team?

Andreas Erb: Nein, also mein Team sind acht Kolleginnen und Kollegen. Vier davon sind Betriebsärztinnen und Betriebsärzte. Die restlichen Teammitglieder sind für die Ambulanz, für die Vorsorgeuntersuchung und zwei Kolleginnen für das Gesundheitsmanagement und das betriebliche Eingliederungsmanagement zuständig.

Tobias Göpel: Was war da Ihr schönstes Projekt in den letzten Jahren? Sie machen das ja schon ein paar Tage.

Andreas Erb: Ja, ich mache das tatsächlich schon 28 Jahre. Entwickelt haben wir das Gesundheitsmanagement in der Form, wie wir es heute haben, so in den letzten 15 Jahren. Das schönste Projekt oder interessanteste Projekt – am Anfang war mir das gar nicht so bewusst, wie bedeutsam das ist – war tatsächlich alles, was wir rund um das Thema Psychische Gesundheit entwickelt haben über die Zeit. Ausgehend von einer der ersten Gesundheitsumfragen, die wir ja mittlerweile regelmäßig durchführen, wo eben das Ergebnis war, dass hier durchaus Themen in der Belegschaft sind, die es sinnvoll und wichtig erscheinen lassen, hier Programme und Angebote zu entwickeln. Und das hat sich dann über die Zeit tatsächlich zu einem Stufenkonzept entwickelt, wo wir ganz unterschiedliche Angebote zu unterschiedlichen Lebensphasen und Situationen anbieten. 

Tobias Göpel: Wir unterhalten uns ja auch, weil AbbVie Landessieger geworden ist beim Responsible-Care-Wettbewerb zum Thema Gesundheit. Da noch mal herzlichen Glückwunsch von mir. Es ist ja auch ein Ausdruck dieser Wettbewerb, dass Gesundheit immer mehr in den Fokus rückt. Und jetzt habe ich das auch gehört bei Ihnen, dass die psychische Gesundheit mehr in den Vordergrund gerückt ist. Aber allgemein Gesundheit: Warum ist das jetzt so ein Thema geworden? Oder haben wir einfach nur eine andere Sensibilität dafür und es war schon immer ein wichtiges Thema?

Andreas Erb: Also es war sicher schon immer ein wichtiges Thema, aber es hat in den letzten Jahren sicher an Bedeutung gewonnen. Denn Gesundheit und Wohlbefinden spielen natürlich eine wesentliche Rolle, wenn Sie auch von Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern reden. Das ist eine Grundlage dafür. Wir haben Zeiten des Fachkräftemangels, wir haben die demografische Entwicklung, alles Aspekte, die sich auf das Thema Menschen im Unternehmen und der Arbeitswelt auswirken. Und insofern ist es mehr als sinnvoll, dass Unternehmen sich mit der Gesunderhaltung von Beschäftigten befassen. Dazu gehören natürlich auch neben den Gesundheitsangeboten das Thema Gesunde Führung. Führungskräfte spielen ja in diesem Kontext eine ganz wesentliche und zentrale Rolle.

Tobias Göpel: Was sind aus Ihrer Sicht die häufigsten Erkrankungen oder die häufigsten Fälle, wenn Sie jetzt vom gesunden Führen sprechen, mit denen man sich beschäftigen muss oder sollte?

Andreas Erb: Ja, gut, wir sind im Prinzip als Unternehmen das, was wir sonst in Deutschland in den Arbeitsunfähigkeitsstatistiken auch sehen. Das finden wir bei uns auch. Das heißt, wir haben Muskel-Skelett-Erkrankungen, wir haben psychische Erkrankungen, wir haben Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tumor-Erkrankungen. Das sind so die Hauptdiagnosen, würde ich mal sagen. Und das sind die Themen, um die es dann auch in unseren Angeboten geht. Ob das jetzt betriebliches Eingliederungsmanagement ist oder ob das Vorsorge ist oder tatsächlich die Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie in einem Krankheitsprozess drin sind. Aber wichtiger noch als die Reaktion auf irgendeine Situation ist natürlich, dass man Menschen für die Themen sensibilisiert. Das ist gerade bei dem Thema psychische Gesundheit natürlich von besonderer Bedeutung, denn psychische Gesundheit war und ist immer noch in vielen Bereichen ein Tabuthema. Und da gilt es einfach, Ressentiments abzubauen und zu sagen, es sind genauso Erkrankungen und Belastungen, wie andere Themen auch. Und ein offener Umgang damit ist immer richtig und zielführend, weil es am Ende dazu führt, dass man frühzeitig natürlich sich mit den Themen befassen kann. Und das ist einer auch unserer Kernansätze: Die frühe Intervention. Das heißt, je früher wir über Themen reden, je früher wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen können, umso besser ist es natürlich. Und umso weniger lange fallen vielleicht Personen dann auch krankheitsbedingt aus. Oder idealerweise können wir Krankheitszeiten komplett verhindern. Also deshalb ist dieser Gedanke „sensibilisieren, aufklären, Frühintervention“, das ist so eines der zentralen Elemente in unserem Gesundheitsmanagement.

Tobias Göpel: Wenn ich jetzt an Gesundheit und Unternehmen denke, denke ich klassischerweise eher an Arbeitsunfälle, Betriebsunfälle oder ähnliches. Spielt das auch noch eine Rolle? Oder ist es etwas, wo man sagen kann, das ist schon abgearbeitet, Haken dran, jetzt geht es mehr in die Bereiche der psychischen Gesundheit?

Andreas Erb: Nein, das ist nach wie vor ein Thema. Arbeitssicherheit hat ja auf jeden Fall immer einen hohen Stellenwert in den Unternehmen. So ist das bei uns auch. Da sind auch die Strukturen etabliert. Und natürlich versucht man immer, sich hier weiter zu verbessern. Wir haben ja für unsere Gesundheitsaktivitäten ein zentrales Steuerungsgremium, das nennt sich Arbeitskreis Gesundheit und da sitzen zum Beispiel neben den vier Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern der Bereiche die HR-Direktorin, die Arbeitsmedizin, die Arbeitssicherheit natürlich mit drin, die Betriebsratsvorsitzenden. Und insofern ist da die gemeinsame Schnittstelle, dass auch die Arbeitssicherheitsthemen in dieses gesamte Konstrukt mit eingeplant und mitgedacht werden.

Tobias Göpel: Jetzt haben Sie es schon mehrfach angesprochen: Psychische Probleme werden immer häufiger auch allgemein im Zusammenhang mit dem Job genannt. Warum ist das so und wer ist am ehesten betroffen?

Andreas Erb: Also es hat für mich zwei Aspekte. Der eine ist, dass die Welt um uns herum sich deutlich verändert hat und dynamisch ist. Nehmen Sie das Thema Politische Krisen, Kriegssituationen, Corona-Pandemie: Das sind ja alles Dinge, die Menschen betreffen, die auch sich auf die Gesundheit der oder des Einzelnen irgendwie auch auswirken. Und in der betrieblichen Welt haben wir natürlich in den letzten 15, 20 Jahren Veränderung gehabt, sind dynamischer geworden. Wir haben eine Flexibilisierung, wir haben eine Globalisierung, Digitalisierung – alles Effekte, die sich ja auf Menschen und auch ihre gesundheitliche Situation auswirken, sodass sicherlich Belastungen anders geworden sind. Und da gilt es natürlich, die Dinge zu erkennen und Angebote zu machen, Mitarbeitende darauf aufmerksam zu machen, wo die Themen sind und dass man sich frühzeitig damit beschäftigt, psychisch gesund zu bleiben. Da gibt es ja unterschiedliche Ansätze, die wir dann eben über Schulungen, Trainings oder ähnliche Dinge auch abbilden. Das ist für mich der Kernpunkt und insofern hat sich die Welt um uns herum und in der Arbeitswelt signifikant verändert.

Tobias Göpel: Wenn Sie das erzählen, nehme ich für mich so ein bisschen, dass es eine Vielzahl an Ereignissen, Veränderungen gibt, die auf die Menschen einstürmen, mit denen sie umgehen müssen. Noch eine ergänzende Frage: Laut der jüngsten Gallup-Studie haben 7,3 Millionen Menschen bereits innerlich gekündigt. Wenn ich das mit Ihrer Aussage in Verbindung bringe, ist das mehr ein Aufgeben, diese Herausforderungen zu bewältigen. Inwiefern ist das auch ein Thema für Sie als Betriebsarzt: dieser Weg der inneren Kündigung?

Andreas Erb: Also, wenn wir, wenn wir jemanden haben oder hätten, der so denkt und sich so entschieden hat, dann muss man ja sagen, ist auf dem Weg dorthin einiges schiefgelaufen. Und es hängt insofern eng für mich zusammen, dass wir neben den Gesundheitsaktivitäten, die wir machen, natürlich auch eng vernetzt sind mit der Strategie von HR, die natürlich auch daran interessiert sind, dass wir gesunde, motivierte Mitarbeiter haben. Also da investieren wir in Schulungen, Entwicklung, in betriebliche Rahmenbedingungen des Arbeitens. Ob das jetzt Transparenz, Offenheit, Inklusion sind, eine offene Unternehmenskultur trägt hier sehr dazu bei. Und Menschen sind ja sehr sensibel dafür, wie ernsthaft ist das gemeint von all den Vertretern im Unternehmen? Da haben wir bei uns im Unternehmen sehr gute, breite Unterstützung, eine sehr offene Atmosphäre. Und ich glaube, das trägt mit dazu bei, dass Menschen eben nicht sich innerlich verabschieden und kündigen, sondern sagen: Das ist ein Unternehmen, in dem ich mich wohlfühle, von dem ich auch Unterstützung bekomme, was die Gesunderhaltung angeht. Und dann sind das, glaube ich, die Pfeiler, auf die man bauen kann, damit wir langfristig gute, motivierte, gesunde Beschäftigte haben.

Tobias Göpel: Der Podcast dient ja auch ein bisschen dazu, was zu lernen, für sich mitzunehmen. Und Sie haben ja auch gesagt, dass Sie regelmäßig Umfragen machen oder Kennzahlen haben, wo Sie schauen, wo entwickelt sich was hin? Können Sie einen Einblick geben, was vielleicht andere Unternehmen so als Basis auch für sich mitnehmen sollten, um regelmäßig zu hinterfragen, wie der seelische, psychische Zustand ihrer Beschäftigten ist?

Andreas Erb: Also diese die Gesundheitsumfrage, die ich erwähnt habe, die hat eigentlich zwei Aspekte. Das eine ist, wir fragen tatsächlich danach, wie die Beschäftigten ihre Gesundheit einschätzen und wie sie das betriebliche Miteinander, also die Arbeitsumgebung, die Arbeitsbedingungen einschätzen. Und insofern kriegen wir zu beiden Aspekten Rückmeldung. Und was wir sehen, ist, dass wir bei den Themen des arbeitsbezogenen Wohlbefindens, das ist so eine Zusammenfassung dieser Faktoren des betrieblichen Miteinanders, da sind wir als Unternehmen sehr, sehr gut aufgestellt und das ist eine sehr gute Basis und auch ein Puffer, um gesundheitliche Belastungen abzufangen und gar nicht in gesundheitliche Probleme reinzukommen. Und jeder Teilnehmende dieser Umfrage bekommt über diese Gesundheitsaspekte, zu denen wir fragen, einen individuellen Gesundheitsreport, kann also sehen: Wie geht es mir persönlich gerade, daraus Dinge ableiten und auch zu unserer betriebsärztlichen Beratung kommen. Und der Abteilungsleiter bekommt eben einen Überblick über die abteilungs- oder organisationsbezogenen Aspekte in seinem Bereich und kann daraus dann ableiten, ob hier Themen sind, die besprochen werden müssen oder wo man sich Maßnahmen ableiten oder überlegen muss, um die Situation zu verbessern. Teil der Umfrage ist auch, dass wir ein Benchmark haben, also eine Art Erwartungswert. So kann man den Soll-Ist-Vergleich machen. Man kann sagen, das wäre der Erwartungswert für meinen Bereich und so ist mein Ergebnis für meine Abteilung. Und daraus kann man sehr gut ableiten, wo Potenzial ist für Verbesserungen.

Tobias Göpel: Die Umfrage ist dann digital?

Andreas Erb: Ja. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter wird eingeladen, kann sich in einem Portal einen eigenen Account anlegen, bearbeitet dann die Fragen, und das Unternehmen bekommt aggregiert nur diese organisationsbezogenen Daten. Und der oder die Teilnehmerin lädt sich selber den individuellen Bericht von dieser Plattform. Es ist also nicht bei uns im Unternehmen, sondern extern, und das ist auch von der Kooperationspartnerseite her eine sehr gute Zusammenarbeit.

Tobias Göpel: Ich stelle mir das spannend vor. Ich bin jetzt eine Person, gebe das ein, bekommen meinen individuellen Report und der sagt vielleicht: Da besteht Handlungsbedarf. Sind Sie denn auch eine Art Vertrauensperson, auf die man zukommen kann, um sich da Rat zu holen? Oder gibt es dann Vorschläge aus dem System heraus, wo man sagt: Hier ein Ansprechpartner für dich?

Andreas Erb: Beides. Also in dem Bericht werden natürlich Ansprechpartner genannt. Das sind zum einen wir als betriebsärztlicher Dienst. Das sind aber auch unsere externen Kollegen des AbbVie-Assistantce-Programms. Aber dadurch, dass wir als betriebsärztlicher Dienst ja langjährig im Unternehmen tätig sind und auch bekannt sind, sind wir schon auch eine der ersten Anlaufstellen. Und tatsächlich, wie Sie es gesagt haben, genießen wir so eine Art Vertrauensstellung.

Tobias Göpel: Der Punkt ist: Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Das ergab eine Studie der Chemie-Sozialpartner. Auch dazu gab es bereits einen Wir.Hear.-Podcast mit dem Fraunhofer-Institut. Auch AbbVie hat ja Homeoffice Regelungen. Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht soziale Kontakte für die psychische Gesundheit? Und wie hat sich dieser Aspekt seit Corona verändert?

Andreas Erb: Also ausgehend von der Corona-Pandemie, wo wir ja ad hoc Regelungen treffen mussten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht zwingend an den Standorten arbeiten mussten, in das häusliche Umfeld geschickt haben, haben wir dann im Nachgang überlegt, wie kann man das denn auf vernünftige Füße stellen? Es gibt tatsächlich eine Betriebsvereinbarung bei uns zu dem Thema Homeoffice oder mobiles Arbeiten und Telearbeit. Und natürlich sind soziale Kontakte extrem wichtig, weil gerade in Teams, die zusammenarbeiten, spielt es eine große Rolle: Der informelle Informationsaustausch, den man hier vielleicht auf dem Flur hat, der fehlt natürlich, wenn ich zu Hause in meinem Homeoffice bin, da muss man schon sich überlegen, wie man als Führungskraft solche Teams, die teils hier, teils zu Hause sind, führen kann. Das ist ein Punkt. Es geht aber auch darum, darauf einzugehen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die tatsächlich in so einer Telearbeitssituation arbeiten, muss man auch dafür sensibilisieren. Denn nicht jeder ist dafür geeignet. Denn es geht ja darum, betriebliche Aufgaben nicht zu Hause zu erledigen und mit meinem häuslichen Umfeld irgendwie zu koordinieren, sondern in eine vernünftige Reihenfolge zu kriegen. Da bieten wir zum Beispiel auch Schulungen an, um über diese Aspekte zu reden, darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig das ist, dass man zum Beispiel eine Trennung hat zwischen beruflichen Tätigkeiten und dem, was privat so läuft. Wie wichtig es ist, darauf zu achten, dass man eben seine Arbeitszeiten auch einhält. Denn dieser geregelte Rhythmus „Ich fahre ins Unternehmen, fange an zu arbeiten, gehe nach meiner Arbeit wieder nach Hause“, das ist im Homeoffice, bei der Telearbeit so nicht gegeben und das bedarf schon einer gewissen Sensibilisierung, Aufmerksammachens dafür und dann auch tatsächlich des Übens und sich bewusst sein, dass es hier andere Formate braucht. Und insofern ist es sicherlich auch gut, dass man immer wieder auch Phasen hat, wo man im Unternehmen ist und in seinem Team vor Ort auch mit den Kolleginnen und Kollegen sich austauscht.

Tobias Göpel: Ich finde das Thema insofern spannend, weil es gibt ja die Aussagen, dass einige viel mehr arbeiten im Homeoffice, als sie es im Büro tun würden, weil sie halt den Anfahrts- und Abfahrtsweg nicht haben. Andere Betriebe klagen, dass sie das Gefühl haben, es arbeitet gar keiner so richtig. Im letzten Podcast mit dem Fraunhofer-Institut war dann auch der Punkt, was Sie ja auch gerade richtig angesprochen haben: Grenze ich meine Arbeit auch deutlich ab von dem Häuslichen oder sage ich, ich kann ja nebenbei noch die Kinder betreuen, die Wäsche waschen, die Handwerker sind im Haus und dann kann ich noch viele Sachen nebenbei erledigen und habe dadurch auch einen gewissen Mental Load, der mich noch zusätzlich belastet. Wie gehen Sie als Unternehmen damit um, um die Leute dann hinzubringen? Seminare oder entsprechende Fortbildung haben Sie gerade angesprochen. Aber gibt es auch ein Tool, wo man sich selber immer fragen kann, überprüft wird, dass ich selber als Beschäftigter sage: Wo stehe ich, wie gehe ich damit um? Oder wie kriegen Sie in diesem Spannungsfeld einen Rahmen rein?

Andreas Erb: Also mehrere Teile. Zum einen können natürlich die Kolleginnen und Kollegen, die in Telearbeit oder mobil arbeiten, auch an der Gesundheitsumfrage teilnehmen. Da kriegen sie ja eine Rückmeldung über die individuelle gesundheitliche Situation. Wir können auch diejenigen, die in diesen Arbeitsformen tätig sind, bei den Abteilungsberichten separat auswählen oder rausfiltern und uns angucken, ob da andere Belastung gegeben sind. Wenn sie in Telearbeit arbeiten, haben wir ja die Verpflichtung, auch uns die Arbeitsplatzsituation anzugucken im Sinne der Gefährdungsbeurteilung. Da gibt es einen Prozess dazu und wir bieten für diejenigen, die so in dieser Form arbeiten wollen, eine Art Checkliste an, wo man sich selber überprüfen kann: Bin ich denn jemand, der als Person geeignet ist, in einer dieser Arbeitsformen tatsächlich auch tätig zu sein? Und diese Dinge in Verbindung mit den Schulungen, die wir anbieten, sind ein ganz guter Instrumentenkasten, um da Unterstützung zu leisten, dass die Menschen auch in der Arbeitsform gut und gesund arbeiten können.

Tobias Göpel: Damit komme ich auch zu meiner letzten Frage. Welche drei Tipps haben Sie für Unternehmen, die mehr für die Gesundheit der eigenen Mitarbeitenden tun wollen? Weil das, was Sie tun, ist ja umfangreich. Es kann vielleicht nicht jeder Betrieb, der dann im Zweifel mit 100 Beschäftigten unterwegs ist, das vergleichbar leisten. Was wäre da Ihr Tipp, was man als Betrieb mit vielleicht 100 oder 200 Beschäftigten trotzdem tun kann, um mehr für die Gesundheit der Beschäftigten zu tun?

Andreas Erb: Die erste Empfehlung wäre, dass man sich im Unternehmen mit denjenigen zusammensetzt, die für dieses Thema Gesundheit und gesunde Mitarbeiter eine Rolle spielen. Das heißt für mich: Unternehmensleitung, Betriebsrat, Personalfunktion und wenn vorhanden Betriebsarzt. Die sollten sich zu einem Team zusammenschließen und ein gemeinsames Verständnis entwickeln, wo man mit diesen Gesundheitsmaßnahmen hinwill. Davon ausgehend wäre dann der zweite Tipp, dass man tatsächlich mal eine Analyse macht. Und ich denke hier weniger an das Betrachten von Krankenstandsberichten, sondern die tatsächliche Befragung der Beschäftigten, um sie daran partizipieren zu lassen. Wo sehen denn die Mitarbeitenden Themen, Belastungen, Schwerpunkte, in denen man sich entwickeln, die man angehen sollte, wo man Lösungen entwickeln sollte? Und das Dritte ist dann tatsächlich die Umsetzung von Angeboten, die man nicht alle selber entwickeln muss. Sie haben ja kleinere Unternehmen angesprochen. Ich glaube, hier sind Kooperationen und Netzwerke ein ganz guter Ansatz, wo man vielleicht mit Unternehmen, die ähnlich unterwegs sind, sich zusammenschließen, gemeinsam dann Programme entwickelt oder von externen Dienstleistern auch tatsächlich einkauft. Denn die Themen, an denen man arbeitet, sind ja in vielen Unternehmen ähnlich oder fast gleich.

Tobias Göpel: Herr Dr. Erb, vielen lieben Dank für die Einblicke. Ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche Ihnen auch einen angenehmen Tag.

Andreas Erb: Ihnen auch, alles Gute! Wiederschauen. 

Tobias Göpel: Das war wieder eine Podcastfolge von Wir.Hear. Vielen Dank fürs Zuhören und Dranbleiben. Wir hatten heute Dr. Andreas Erb zu Gast vom Pharmaunternehmen AbbVie und es ging um die Gesundheit am Arbeitsplatz und was das Unternehmen alles tut, um die Beschäftigten gesund zu erhalten. 

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Tobias Göpel: Wo kann ich mir vorstellen, sind Sie verortet? Ist das so etwas Ehrenamtliches neben einer Professur oder sind Sie Ministerialbeamter? Also, in welchem Geflecht stehen Sie dann?
Eckhard Thines: Nein, ich bin ordentlicher Professor an der Johannes Gutenberg-Universität, und ich mache das tatsächlich im Ehrenamt. Diese Koordinationsstelle ist ein Ehrenamt der Landesregierung, und ich fühle mich sehr geehrt, dass man mich damit betraut hat. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass es wirklich wichtig ist, dass das von jemandem aus der Biotechnologie administriert wird. Es braucht ein bisschen Fachkompetenz, um auch aus Sicht der Forschenden sagen zu können, hier geht die Reise hin, und hier haben wir den entsprechenden Bedarf.
Tobias Göpel: Wobei das jetzt schon nach einer Menge Aufgaben klingt und auch eher nach längeren Abenden.
Eckhard Thines: Ja, das ist so. Zusätzlich leite ich auch noch ein Forschungsinstitut und bin auch noch Dekan der Biologie. Aber wenn Sie das auf der anderen Seite sehen, ist diese Fülle an Aufgaben und Jobs, die man hat, auch eine gigantische Chance. Man kann gestalterisch auch etwas tun, und das ist an der Stelle ohne Zweifel zeitintensiv, aber auch eine tolle Herausforderung.
Tobias Göpel: Das klingt gut. Haben Sie da einen Überblick, wie viele Biotech-Unternehmen derzeit überhaupt in Rheinland-Pfalz tätig sind? Erfassen und nicht namentlich nennen, aber so eine grobe Zahl, wie viele gibt es?
Eckhard Thines: Das ist schwierig. Das ist deswegen schwierig, weil es keine klare Definition gibt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn Sie die Firma Röhm in Worms anschauen, die Absorber herstellt, mit denen man molekulare Stoffe aus dem Abwasser klären kann, würden Sie sagen, dass es Biotechnologie ist? Schon, aber das würden nicht alle sagen. Und das ist ein bisschen schwierig, da die Trennschärfe reinzukriegen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir zehn große Player in Rheinland-Pfalz haben, auf die ich wahnsinnig stolz bin, und dass wir sicherlich noch mal 20-30 Biotechnologie-Firmen in Rheinland-Pfalz haben, die mittelgroß sind. Das alles ist schon wirklich gut für ein Bundesland.
Tobias Göpel: Also, ich glaube, die meisten Menschen denken bei dem Begriff Biotechnologie an ein Unternehmen in Mainz, an den mRNA-Impfstoff. Der Geldsegen war nicht nur für Mainz selbst, sondern auch für andere Orte. In Rheinland-Pfalz Kronach ist nun vorbei, der Geldsegen auch. Was können wir von der Biotechnologie zukünftig erwarten? Gibt es noch mal einen Schub oder wird es jetzt ganz entspannt weiterplätschern und eher wissenschaftliche Erfolge geben?
Eckhard Thines: Lassen Sie mich kurz auf Ihre Frage eingehen. Die moderne Technologie hat uns neue Perspektiven eröffnet. Das ist die neue therapeutische Möglichkeit, die wir vorher nicht hatten, und die wird bleiben. Das ist der erste Teil der Antwort. Aber ansonsten bin ich fest überzeugt, dass wir uns in Zukunft auch auf neue Möglichkeiten bei der Behandlung von Krankheiten, chronischen Krankheiten, von Krebs, von neurodegenerativen Krankheiten, von Diabetes freuen können. Es werden wissenschaftliche Grundlagen gelegt. Ich habe jetzt darüber gesprochen, dass wir hier eine neue therapeutische Möglichkeit haben. Ob man RNA nimmt, therapeutische Antikörper oder molekulare Wirkstoffe – die Art, also es gibt einen Anfang, eine Bandbreite an Möglichkeiten, wie wir neue therapeutische Ansätze finden können. Und da können wir noch viel von der Biotechnologie erwarten. Ich habe bisher nur über Pharma gesprochen. Biotechnologie ist ja so eine Sache. Es wird oft von roter Biotechnologie gesprochen, wo wir Biomedizin oder Pharma verstehen. Aber wir haben auch die weiße und die grüne Biotechnologie. Lassen Sie mich betonen, dass es wichtig ist, die Biotechnologie nicht so zu verstehen, dass man für jede dieser Indikationen alles neu machen muss. Biotechnologie bietet Infrastruktur, Ressourcen und Möglichkeiten, die man in den verschiedenen Bereichen gemeinschaftlich nutzen kann. Und das tun wir am Standort. Wir bauen eine Infrastruktur auf, setzen Ressourcen und Kompetenzen ein, die man nicht nur in roter oder grüner Biotechnologie, sondern auch in weißer Biotechnologie nutzen kann. Sie fragen, was können wir von der Biotechnologie noch erwarten? Ich erwarte, dass die. Die jungen Leute gehen auf die Straße wegen Klimaschutz, auch hier, wenn sie den European New Deal sehen. Und wenn sie die Herausforderung im Green Deal sehen? Ich bin fest überzeugt, dass in der weißen und grünen Biotechnologie Lösungsansätze geboten werden, die auch dazu beitragen, dass wir dem European Green Deal gerecht werden. Und das ist für mich auch etwas abseits von Pharma und roter Biotechnologie, was ein hohes Gut ist und wo ich mir viel Potenzial erwarte. Wir wollen der erste klimaneutrale Kontinent werden, und Biotechnologie wird einen Beitrag leisten. Ganz sicher.
Tobias Göpel: Jetzt haben Sie die drei Felder angesprochen. Ich weiß aus dem Pharmabereich, Forschung kostet viel Geld. Bis 2026 will die Landesregierung 800 Millionen € in den Biotechnologiestandort investieren. 800 Millionen sind einerseits viel, andererseits vor dem Hintergrund, was Forschung kostet, kann man auch sagen, es ist nett. Wofür wird das Geld verwendet?
Eckhard Thines: Das ist ein abendfüllender Vortrag. Die Zeit haben wir jetzt nicht, aber ich würde an der Stelle gerne drei große Schwerpunkte setzen. Das eine ist Gebäudeinfrastruktur. Als diese Biotechnologie-Initiative des Landes ins Leben gerufen wurde, war die erste Frage nach und nach Raum. Also, wo finden wir eigentlich Raum für Firmen, für Start-ups, für Forschungsgruppen, für Nachwuchsgruppen, die sich hier ansiedeln wollen und die hier Biotechnologie machen wollen? Hier hat die Landesregierung vehement investiert. Ich nenne jetzt nur die Universitätsmedizin als Beispiel. Also da ist sehr, sehr viel in Gebäudeinfrastruktur investiert worden und Gebäudeinfrastruktur. Es ist nun mal wichtig. Sie haben es angesprochen, Biotechnologie ist teuer. Wenn wir etwas programmieren wollen, brauchen wir ein Büro und zwei Computer. Wenn wir Biotechnologie machen wollen, brauchen wir eine Infrastruktur, die auf dem technisch cutting-edge Niveau sein muss und die auch permanent weiterentwickelt werden muss. Und da geht leider viel Geld rein. Das muss man als Invest einfach nehmen und damit aber auch Möglichkeiten schaffen, auch für Start-ups. Und da bin ich bei der Forschungsinfrastruktur als Punkt 2 Forschungsinfrastruktur. Für die gilt eigentlich genau dasselbe wie für Gebäudeinfrastruktur. Wenn wir an dieses Beispiel noch mal denken mit diesen Start-ups, kein Start-up kann sich jetzt die neueste Technologie im Bereich von, ich sage mal, hochauflösender Mikroskopie oder von Mikroskopie leisten. Was wir gemacht haben: Wir haben hier am Standort ein Mikroskopie-Center errichtet, wo sie die modernsten Mikroskope bis hin zum Nobelpreis-Mikroskop finden. Und Start-ups haben die Möglichkeit, das zu nutzen. Und das ist wichtig, dass das junge Leute, junge Menschen mit kreativen, innovativen Ideen an Standort kommen und dort alles vorfinden, sodass sie in möglichst kurzer Zeit wettbewerbsfähig werden. Das ist der Dreh- und Angelpunkt. Also, wenn wir das hinkriegen und da ist viel Geld reingeflossen, dann wird dieser Standort auch wirklich vernünftig und nachhaltig weiterentwickelt. Und das dritte sind Forschungsinitiativen. Auch da ist natürlich irgendwo muss Kreativität und müssen innovative Ideen herkommen und da muss man auch Geld in die Hand nehmen, um Forschungsinitiativen zu starten und zu lancieren. Sie wissen, wir hatten eine Studie von der Unternehmensberatung Roland Berger, um einfach auch zu schauen, ob die Maßnahmen, die wir jetzt begonnen haben, zielführend sind und den Bedarf tatsächlich adressieren. Und da wurde auch klar gesagt: Wir müssen Stärken, stärken und die stärken, also die Rote Biotechnologie, Pharma, Biotechnologie ist natürlich eine Stärke in diesem Bundesland. Und Forschungsinitiativen, die in diese Richtung gehen, wurden auch initiiert und angeschoben. So, sodass wir uns von da auch ganz viel Innovation und neues Potenzial erwarten.
Tobias Göpel: Jetzt klingt das gut für Unternehmen, für Start-ups. Infrastruktur wird aufgebaut. Aber wie profitieren die Menschen im Land konkret aus Ihrer Sicht von dieser Entwicklung, von Neuansiedlung und Förderung?
Eckhard Thines: Ja, die Menschen im Land profitieren natürlich. Das haben wir bei Biotech gesehen, dass ein hochattraktiver Markt entsteht, dass Produkte mit hoher Wertigkeit entstehen und mit einem hohen Marktpotenzial. Und dass mit diesem Markt natürlich auch ein wahnsinnig attraktiver Arbeitsmarkt nach Rheinland-Pfalz kommt. Das ist für die nächste Generation ganz entscheidend. Sie haben mich am Anfang gefragt, was meine Motivation ist, jetzt noch einen Job anzutreten. Also ich glaube, wir sind an der Universität, aber auch als Gesellschaft der nächsten Generation verpflichtet. Und diese nächste Generation kriegt hier eine echte Perspektive. Wir kriegen hier einen Arbeitsmarkt mit tollen Arbeitsplätzen für qualifizierte junge Menschen. Und ich habe schon gesagt, dass es nachhaltig die Wachstumsprognosen für diesen Arbeitsmarkt sind sehr, sehr gut. Also man geht davon aus, dass sich das vom Jahr 2020 bis zum Jahr 2030 verdoppeln wird. Und damit kommt eben diese Perspektive für die nächste Generation.
Tobias Göpel: Am Ende geht es ja um Jobs in Start-ups. Innovation und Forschung bedeuten ja auch ein gewisses Niveau. Welche Qualifikationen müssten denn diese Menschen dann mitbringen? Können es nur Akademiker sein, die dann da infrage kommen, oder auch andere?
Eckhard Thines: Nein, natürlich nicht. Also auch andere. Natürlich müssen wir, wenn wir an den Arbeitsmarkt denken, auch an technisches Personal denken. Technische Assistenten, Ingenieure, Laboranten. Das müssen wir mitdenken, das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir auch über Ausbildung reden. Und wenn Sie mir dann auch noch erlauben: Wir hatten, wenn man so an der Uni sitzt und man diskutiert über neue Ausbildungsgänge und wo gibt es einen Bedarf und wo sind wir stark und wo wir? Sind wir nicht so stark? Dann schaut man ins Bundesland und wir sind der Meinung, dass wir in allem, was in die experimentelle Richtung geht, eigentlich im Bundesland sehr, sehr stark sind. Das ist eine Stärke. Also wenn Sie Mainz gucken, dass es eher molekular orientiert ist. In Kaiserslautern haben Sie sogar eine Bioverfahrenstechnik, die wir hier gar nicht haben. Das ist toll, weil es über das Land hinweg gut verteilt ist. Wir haben dann aber auch gesehen, dass alles, wo es Richtung Administration geht, wo es Richtung Regulatory Affairs gibt, wo es Richtung Patentrecht und IP geht. Dass es da durchaus noch einen Bedarf gibt und den gilt es natürlich auch zu adressieren. Also es ist nicht damit getan, dass man jetzt in Bezug auf die Laborarbeit Laboranten, technische Assistenten, Ingenieure und Akademiker für Research and Development ausbildet, sondern man braucht auch für die administrativen Aufgaben geschultes Personal. Und da sind wir auch bemüht und bestrebt, Angebote zu finden und zu definieren, die dem Arbeitsmarkt in dem Bezug dann eben gerecht werden.
Tobias Göpel: Das Land klagt ja jetzt schon über Fachkräftemangel. Wo sollen die eigentlich dann alle herkommen? Also die Unternehmen, die da sind, haben schon keine und jetzt kommen noch neue Unternehmen dazu. Was wäre so Ihr Wunsch, wo die Leute herkommen oder was bedeutet das für uns?
Eckhard Thines: Das ist auch eine Frage, die man ganz vielschichtig beantworten kann. Das fängt schon an bei der intensiven Werbung, die wir machen müssen in Schulen. Dass die jungen Leute sich für MINT-Fächer interessieren, Biotechnologie in Schulen bringen, ist nicht einfach, weil Biotechnologie eben sehr apparate- und geräteintensiv ist. Und das können sich viele Schulen nicht leisten. Da gilt es, Angebote zu entwickeln und junge Leute zu adressieren und zu interessieren. Ich meine, alles geht über Motivation. Und Sie haben gefragt, ob der Fachkräftemangel für uns irgendwie so eine Schwierigkeit darstellen würde? Das tut es ohne Zweifel. Das können wir nicht schönreden. Aber wir haben das identifiziert. Und wenn man etwas identifiziert hat, dann kann man es auch adressieren. Und das tun wir. Wir haben neue Studiengänge geschaffen, natürlich zunächst für Akademiker in Research and Development. Wir reden gerade darüber, wie wir attraktive Angebote schaffen können für die Ausbildung bzw. Laborantenausbildung. Den jungen Leuten muss man eine Perspektive zeigen. Wenn sie die nächste Generation anschauen, dann brauchen sie eine Perspektive. Und für mich kommt diese Perspektive auch aus einem Weiterbildungsangebot. Junge Leute heute wollen nicht mit 23 ausgelernt haben und dann keine weiteren Entwicklungsperspektiven haben. Die wollen sehen, dass es ein Weiterbildungsangebot gibt. Ich kann zusätzlich zu meinem Job noch über ein Fernstudium oder andere weiterführende Qualifizierungsmaßnahmen mich weiter qualifizieren und damit auch wieder Aufstiegschancen haben. Da wird die Sache attraktiv. Also wir reden, Wir reden nicht nur über universitäre Ausbildung, über Schulbildung oder über Thema Ausbildung, Laboranten, Ausbilder, sondern wir reden auch über Zertifikate und Programme, über Weiterbildungsprogramme, mit denen wir die Leute weiter und zusätzlich qualifizieren kann. So, das war der eine Punkt. Okay, der zweite Punkt, den ich auch nicht unerwähnt lassen möchte, ist Internationalisierung. Das ist für mich auch eine ganz, ganz wichtige Geschichte. Und zwar nicht nur, um junge Leute aus dem Ausland hierher zu kriegen, gute Köpfe hierher zu kriegen, was wir ohne Zweifel wollen, aber auch um unseren jungen Leuten am internationalen Markt internationale Forschung zu zeigen und sie auch dann dementsprechend zu qualifizieren. Märkte sind international, die Ausbildung sollte es auch sein und auch darüber schaffen wir wieder Interesse. Auch darüber schaffen wir wieder Bekanntheit. Und ich bin fest überzeugt, dass wir auch darüber wieder Fachkräfte zu uns motivieren können. Ich halte das für dringend notwendig. Aber Sie sehen jetzt an meiner Rede auch schon, dass die Problematik erkannt ist und dass wir auf verschiedenen Ebenen versuchen, das auch zu adressieren.
Tobias Göpel: Der Fachkräftemangel kann ja ein Stolperstein auf dem Weg zum Erfolg sein. Sehen Sie noch weitere Herausforderungen?
Eckhard Thines: Es gibt immer Herausforderungen. Biotechnologie ist dynamisch. Es wird eine Herausforderung sein, neue Felder zu entdecken oder zu identifizieren und sie zu adressieren. Es wird eine Herausforderung sein, zu konsolidieren und zu schauen, wie kriegt man bestehende Techniken oder bestehende Infrastruktur so in den Markt, dass damit auch für Firmen hier ein attraktives Umfeld entsteht. Es gibt die Herausforderung, dass wir zum Beispiel in wettbewerblichen Projekten am Standort für Firmen attraktiv werden. Und das rede ich nicht nur von den rheinland-pfälzischen Firmen, sondern ich rede auch von den restlichen Firmen, die wir haben bzw., die im Bereich Biotechnologie unterwegs sind. Also wenn Sie, wenn Sie an Firmen denken, die jetzt in Bioökonomie arbeiten, dann muss auch hier klar sein, dass wir ein attraktives Angebot hier in Rheinland-Pfalz haben, sowohl in Forschung als auch in Infrastruktur als auch in Flächen. Und wie kriegen wir die Leute hier her? Und das kann zum Beispiel über solche wettbewerblichen Projekte sein. Es kann über Tagungen und Meetings sein. Es gilt, Bekanntheit zu schaffen, und auch da sind wir auf einem guten Weg. Eine weitere Herausforderung. Ich habe jetzt gesagt, dass wir, dass wir stark sind, wenn Sie an die großen Player denken und auch so ein bisschen, wenn Sie an so mittelgroße Firmen denken. Ich glaube, eine Herausforderung wird sein, immer mehr Gründerkultur zu entwickeln. Das da sind wir einfach nicht dort, wo die Amerikaner sind. Und das ist etwas, was wir in Deutschland entwickeln müssen und nicht nur in Rheinland-Pfalz, Gründerkultur, Start-ups. Wie kann ich aus meiner akademischen Forschung eine Anwendung machen? Das sind so Dinge, die bei uns kulturell, historisch nicht wirklich gut gewachsen sind. Und als Mikrobiologe hat man da so einen anderen Ansatz. Ich erinnere immer an Louis Pasteur, der gesagt hat, Es gibt keine anwendungsorientierte Forschung, es gibt nur die Anwendung von Grundlagenforschung. Und ich würde mir wünschen, dass wir das wird es besser verstehen und mehr unsere Forschung dann auch in die Anwendung in Form von Start-ups und neu zu gründenden Firmen reinbringen. Das sind Herausforderungen, aber die nehmen wir an sehr gut.
Tobias Göpel: Meine letzte Frage: Wenn ich Ihnen per Fingerschnipsen einen Wunsch erfüllen könnte, welcher wäre das?
Eckhard Thines: Das ist ein Running Gag. Bei meinen Vorträgen, die ich jetzt vergleichsweise häufig halte, habe ich immer den, den englischen Wikipedia-Eintrag über das Land Rheinland-Pfalz. Wenn Sie das nämlich nachlesen, dann steht da irgendwo: Rheinland-Pfalz is known for its wine and sparkling wine. Ich würde mir wünschen, dass wir da irgendwann lesen könnten: Rheinland-Pfalz is known as a Biotechnologie, pop up etc., known for its wine and sparkle, beautiful, open-minded, tolerant World citizen und ich hätte das gerne, dass wir das auf dem Platz hinkriegen und nicht mit nem Fingerschnipp oder mein Teenager zu Hause der Wikipedia editiert. Das müssen wir schon sportlich machen und ich bin fest überzeugt, dass wir es auch hinkriegen.
Tobias Göpel: Die Biotechnologie ist in Rheinland-Pfalz im Aufwind. Lieber Thines, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Einblicke zu diesem Thema.
Eckhard Thines: Ihnen ganz herzlichen Dank!

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