Politik & Wirtschaft

Emissionshandel: Darum wünscht sich der VCI einen Reality-Check

· Lesezeit 5 Minuten.
Skyline einer emittierenden Industrieanlage am Flussufer.
Emissionen ausstoßen wird teurer: Die EU verschärft den Emissionshandel, um ihre Klimaziele zu erreichen. Der VCI schlägt vor, pragmatischer vorzugehen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Foto: fotografci/stock.adobe.com

Das Wichtigste auf einen Blick

  • EU-Emissionshandel (ETS): Der Emissionshandel ist das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Dabei handeln energieintensive Unternehmen mit Emissionszertifikaten. Dies setzt Anreize, weniger Treibhausgase auszustoßen.
  • Das ETS wird strenger: Es wird weniger verfügbare Zertifikate und damit höhere Emissionskosten geben. Bald fallen zusätzliche Wirtschaftssektoren unter das ETS.
  • Der VCI möchte mehr Pragmatismus: Die Verknappung der Zertifikate soll langsamer erfolgen, um Wettbewerbsfähigkeit und Transformation zu sichern.

Was ist der Emissionshandel einfach erklärt?

Der Europäische Emissionshandel das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Es gibt ihn seit 2005. Das Ziel: Die teilnehmenden Unternehmen sollen weniger Treibhausgase ausstoßen. Von Beginn an waren dabei:

  • Raffinerien,
  • Energieerzeuger und
  • energieintensive Industrien, darunter die Chemieindustrie.

Um die Emissionen zu mindern, legt die EU legt eine Obergrenze fest. Dieser Deckel heißt „Cap“. Unternehmen erhalten oder ersteigern Emissionszertifikate, die sie berechtigen, eine bestimmte Menge an CO₂ auszustoßen. In der Summe muss die Cap eingehalten werden.

Ein Unternehmen, das weniger emittiert, kann überschüssige Zertifikate verkaufen. Auf diese Weise wird sein Klima-Engagement belohnt. Wer mehr braucht, muss welche kaufen. Das schafft einen Anreiz, die Emissionen zu verringern. 

Gerechnet wird übrigens in CO₂-Äquivalenten. Die Klimawirkung von Kohlendioxid (CO2) ist dabei der Maßstab. Es gibt viel klimaschädlichere Treibhausgase als CO2. So ist, über 100 Jahre betrachtet, der Klimaschaden eines Kilogramms Lachgas so groß wie der von 298 Kilogramm CO2. Es entspricht somit 298 CO2-Äquivalenten.

Wer nimmt am Emissionshandel teil?

Derzeit nehmen vor allem Unternehmen aus der Energiewirtschaft, der Industrie sowie dem innereuropäischen Luft- und Seeverkehr teil. Der EU-Luftverkehr kam 2012 hinzu. Der Seeverkehr ist seit 2024 dabei.

Dieses System heißt Emission Trading System, EU-ETS 1. Es umfasst etwa 43 Prozent der europäischen Emissionen.

Was wird sich am Emissionshandel ändern und warum?

Im April 2023 verabschiedete der Rat der EU wichtige Klimaziel-Gesetze. Denn die EU will ihre Nettotreibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 mindern. Dazu tragen die Bereiche, die unter das ETS fallen, maßgeblich bei. Sie sollen ihre Emissionen auf 62 Prozent gegenüber dem Stand von 2005 senken.

Ab 2027 wird es ein separates ETS für Gebäude, den Straßenverkehr und weitere Sektoren (vor allem Kleingewerbe) geben. Es wird für Händler gelten, die Brennstoffe für Gebäude, den Straßenverkehr und weitere Sektoren liefern. Falls die Öl- und Gaspreise im Vorfeld der Einführung des neuen Systems außergewöhnlich hoch sind, greift eine Klausel, die eine Verschiebung bis 2028 vorsieht.

Es gibt weniger Zertifikate als zuvor. Ab 2026 verringert die EU die Emissionsrechte um 27 Millionen CO2-Äquivalente. Mehr noch: Ab 2026 wird es immer weniger kostenlose Zertifikate für die Industrie geben. Ab 2034 sind dann ausschließlich zahlungspflichtige Zertifikate zu haben. Das macht das Emittieren von Treibhausgasen teurer.

Ab 2026 gibt es Erleichterungen beim CBAM

Ein mögliches Problem: Die in der EU eingesparten Emissionen entstehen woanders, zum Beispiel durch Verlagerung ins Ausland oder durch Importe. Um dies zu vermeiden, setzte die EU ein CO2-Grenzausgleichssystem auf, kurz CBAM. Er ist mit Dokumentationspflichten für die betroffenen Unternehmen verbunden. Kleinimporte gehören ab 2026 nicht mehr dazu.

Ab 1. Januar 2026 wird der CBAM für Importeure wirksam, die Grundstoffe von außerhalb der EU einführen. Dazu zählen Eisen, Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel, Strom und Wasserstoff.

VCI: Die Verknappung der Zertifikate erfolgt zu schnell

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) warnt, dass es ab Mitte der 2030er Jahre zu wenige Zertifikate für die Industrie geben könnte. Er argumentiert:

  • Klimafreundlichere Technologien umzusetzen, wird wohl noch bis in die 2040er Jahre dauern.
  • Bezahlbare erneuerbare Energien samt Infrastruktur stehen nicht ausreichend zur Verfügung. Das hemmt die grüne Transformation.
  • Die Verknappung der Zertifikate sollte maßvoller gestaltet werden. Der Grund ist, dass Industrie und Energiewirtschaft – zentrale ETS-Sektoren – nicht stärker unter Druck gesetzt werden sollen als die Sektoren, die nicht unter das ETS fallen.

Konkret wünscht sich der VCI, die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten auf dem jetzigen Niveau zu belassen.

Mehr Pragmatismus im Emissionshandel würde der Wettbewerbsfähigkeit dienen

VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup hob hervor, dass die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie ihren Treibhausgasausstoß seit 1990 bereits um über 60 Prozent reduziert habe. Nun sei es Zeit, dass die EU-Kommission beim Klimaschutz pragmatischer werde. Er fordert: „Wer Europas Wettbewerbsfähigkeit wirklich stärken will, darf den Emissionshandel nicht ausklammern.“ Hier müsse dringend nachjustiert werden.

So sollten im Zuge einer ETS-Reform die globalen Einsparungen von Treibhausgasen eingerechnet werden. Das verschaffe den Unternehmen Luft für die anstehenden Transformationsanstrengungen in der EU, die nicht sofort umsetzbar seien. Würden internationale Minderungen eingerechnet, sei mehr und schnellerer globaler Klimaschutz fürs gleiche Geld möglich.
 

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