Politik & Wirtschaft

Warum der Mittelstand in RLP investiert

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Überall in Rheinland-Pfalz wird derzeit kräftig gebaut. Manchmal kann man quasi dabei sein. Der Spezialchemiehersteller Haltermann Carless hat zum Beispiel für den Bau seiner neuen Hydrieranlage in Speyer eine eigene Webseite eingerichtet, auf der sich Besucher über das Vorhaben informieren können. Die Anlage ermöglicht Produkte von höherer Reinheit, hergestellt mit umweltgerechteren Verfahren. „Ein klares Bekenntnis zu unseren Produktionsstandorten in Europa“, sagt Konzernchef Uwe Nickel. Durch den Einsatz einer „neuen und maßgeschneiderten Technologie“ sichere man bestehende Arbeitsplätze und schaffe attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten.

So denken derzeit viele unserer mittelständischen Unternehmen: Sie wollen investieren und neue Stellen schaffen, das belegt eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens EY. Befragt wurden bundesweit 2 000 Unternehmen, die nicht an der Börse notiert sind. 85 davon stammen aus Rheinland-Pfalz.

Der Grund ist die stabile Konjunktur. 94 Prozent der rheinland-pfälzischen Betriebe berichten von einer „guten“ oder „eher guten“ Geschäftslage. In der Chemie sieht es nicht ganz so rosig, aber ebenfalls erfreulich aus: Laut Studie sind 31 Prozent der hiesigen Firmen zuversichtlich, lediglich 8 Prozent erwarten eine Verschlechterung. Gut: Fast jedes dritte Unternehmen plant höhere Investitionen, nur jedes 14. will diese zurückfahren. Und 33 Prozent der Chemiefirmen wollen neue Jobs schaffen.

Werner & Mertz verdoppelt Produktion und schafft 50 neue Jobs

So hat Werner & Mertz („Frosch“-Reiniger) beschlossen, die Produktion in Mainz zu verdoppeln. Dabei sollen 50 neue Jobs entstehen. Geplant ist eine 20 Millionen Euro teure Produktions- und Abfüllanlage samt Lager – „die höchste Investition der Firmengeschichte“, betont Geschäftsführer Reinhard Schneider. Anfang 2019 soll alles fertig sein.

Auch in Böhl-Iggelheim, dem Standort des Farben- und Lackherstellers Südwest, herrscht rege Bautätigkeit. Geschäftsführer Hans-Joerg von Rhade: „Wir investieren in unseren Standort, um für die Herausforderungen der Zukunft optimal aufgestellt zu sein. Dazu gehört nicht nur die Modernisierung der Verwaltung, sondern vor allem die Stärkung der Logistik.“

Reportage Mein Arbeitsplatz": So arbeitet eine Lacklaborantin bei Südwest Lacke

Die Nibelungenstadt Worms profitiert gleich doppelt

Bei der Profine-Gruppe in Pirmasens stehen die Zeichen ebenfalls auf Expansion: Der Hersteller von Kunststoffprofilen für Fenster und Türen hat ein 70 000 Quadratmeter großes Grundstück erworben. Noch dieses Jahr soll der Spatenstich zum millionenschweren Ausbau des Produktionsstandortes erfolgen.

Warum Profine am Standort Pirmasens investiert, verrät Geschäftsführer Peter Mrosik im Gespräch.

Und in Worms steckt Synthomer, Spezialist für wasserbasierte Dispersionen und Spezialpolymere, gerade 20 Millionen Euro in mehrere vollautomatische Produktionslinien für Acrylat-Dispersionen. Durch die Investition wird eine zusätzliche Kapazität von 30 000 Tonnen geschaffen, die Fertigstellung soll bis Jahresende erfolgen. Zudem profitiert die Nibelungenstadt von Grace: Der Spezialchemie-Produzent investiert in diesem Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag in eine Katalysator-Erweiterung.

In den vergangenen Monaten flossen bereits Millionen Euro heimischer Chemiebetriebe ins Land. Etwa in den Aufbau einer Produktionseinheit der Renolit-Gruppe in Frankenthal, das neue Technologiezentrum von Röchling Automotiveer in Worms, das Blockheizkraftwerk von Budenheim bei Mainz, das Logistikcenter von Röchling Sustaplast in Lahnstein, die Extraktionslinie von Finzelberg in Andernach oder die Lagerhalle von Eaton Technologies in Langenlonsheim. Diese sei nur ein Startschuss, so Eaton-Geschäftsführer Hans Vogt: „Angesichts unserer Ideen und der Wachstumsraten unseres Unternehmens werden wir uns hier noch weiterentwickeln.“

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Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie.

Energiewende ja, aber anders
Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche will den Ausbau erneuerbarer Energien und die Kosteneffizienz neu ausbalancieren. Betreiber von Ökostrom-Anlagen sollen sich Ihrer Meinung nach künftig an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligen.
Wie die Frankfurter Neue Presse meldete, möchte Reiche Ende des Sommers einen „Realitätscheck“ zur Energiewende vorlegen. „Wir brauchen zwingend mehr Steuerbarkeit, um die Volatilität der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien ausgleichen zu können“, sagte sie demnach. „Auch Speicher spielen zum Ausgleich eine Rolle. Sie sind Teil der Lösung, aber reichen allein nicht aus. Wir werden uns die Ergebnisse genau anschauen, und dann werden wir die notwendigen Schlüsse daraus ziehen.“ 
Der Ausbau der Stromnetze geschieht zu langsam
Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne) hatte mit verschiedenen Maßnahmen den Ausbau des Ökostroms vor allem aus Wind und Sonne vorangetrieben. Die erneuerbaren Energien sollen eine Schlüsselrolle spielen, damit Klimaziele erreicht werden. Der Ausbau der Stromnetze hält aber nicht Schritt. Wegen fehlender Netze müssen erneuerbare Anlagen immer wieder gedrosselt werden. Ausgleichsmaßnahmen gegen Netzengpässe kosten Geld. Um den vor allem im Norden produzierten Windstrom in den Süden zu leiten, sind zusätzliche Stromleitungen erforderlich. Ein Großteil ist aber noch nicht fertig.
Mehr Kosteneffizienz als Ziel
Mit Blick auf geplante Entlastungen der Stromkunden bei den Netzentgelten, mit denen unter anderem der Netzausbau finanziert wird, sagte die Ministerin: Momentan würden Kosten vom Stromkunden in die öffentlichen Haushalte und damit auf den Steuerzahler verschoben. „Wir lösen damit nicht das grundlegende Problem. Die Entlastungen bei der Stromsteuer, die Abschaffung der Gasspeicherumlage, die teilweise Übernahme der Netzkosten und die Übernahme der schon länger in den Haushalt verlagerten EEG-Kosten machen zusammen rund 30 Milliarden Euro aus.“ Die Energiewende müsse kosteneffizienter werden. „Und das geht auch.“
Zweifel am prognostizierten Stromverbrauch
Eine wesentliche Kenngröße sei der prognostizierte Stromverbrauch, sagte Reiche. „Die letzte Regierung hat angenommen, dass der Stromverbrauch schon 2030 auf bis zu 750 Terawattstunden steigt, bis 2035 gibt es Prognosen von 1.000 Terawattstunden.“ Das wäre eine Steigerung von fast 50 Prozent innerhalb weniger Jahre. „Seriöse Studien zweifeln, ob diese Steigerungen der Realität standhalten. Wir werden eine deutliche Zunahme der Elektrifizierung sehen, insbesondere im Bereich der Wärmepumpen, der Elektromobilität, der Digitalisierung. Ob in den von der Ampel angenommenen Größenordnungen, darf bezweifelt werden.“
Ökostrom-Betreiber sollen sich an Kosten für Netzausbau beteiligen
Betreiber von Anlagen erneuerbarer Energien müssten mehr Systemverantwortung übernehmen, meint Reiche. Sie sollten sich an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligen. „Systemverantwortung heißt, dass die Kosten für den Netzausbau nicht mehr nur über die Netzbetreiber und die allgemeinen Netzentgelte von den Stromkunden zu bezahlen sind“, sagte Reiche. Die Kosten für den Netzausbau liegen bisher voll beim Netzbetreiber und werden über die Netzentgelte von den Stromkunden bezahlt.

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