Chemie im Alltag

Indigo: Wie der „König der Farbstoffe“ die Chemie revolutionierte

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Indigo-Garn: Foto: stock.adobe.com - EmmaStock
Blaues Garn: Indigo ist eine der wichtigsten Farben für die Textilindustrie. Foto: stock.adobe.com - EmmaStock

Der Aufstieg der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF) zum weltgrößten Chemiekonzern hat viel mit einem Farbstoff zu tun: Indigo. Im Jahr 1897 entwickelte die BASF in Ludwigshafen das erste künstlich hergestellte Indigo. Ein teurer Schritt für den Konzern, der mehr Geld in die Entwicklung des Farbstoffs investiert hat, als das damalige Grundkapital des Unternehmens betrug. Doch das Risiko rentierte sich: Die BASF wurde in den darauffolgenden Jahren zum führenden Farbenhersteller in Deutschland – und der sogenannte „König der Farbstoffe“ verändert Ludwigshafen für immer.   

Herkunft: Erst Indien, dann auch Europa

Die Geschichte des Königsblaus reicht noch viel weiter zurück. Bereits Römer und Ägypter schätzten und begehrten das tiefe Blau. Gewonnen wurde die Farbe in der Antike aus den sogenannten Indigopflanzen, die größtenteils aus Indien stammten und nach Europa importiert wurden. Seine antike Heimat gab dem Blau auch seinen Namen. Indigo leitet sich vom griechischen Wort „indikón“ für „indisch“ ab. 

Im Mittelalter stellte man die blaue Farbe erstmals auch in Europa her. Dazu wurden diverse Pflanzen wie etwa der Färberwaid genutzt. Diese Pflanzen waren jedoch weit weniger ergiebig als ihre fernöstlichen Äquivalente. Trotzdem war der Farbstoff gefragt, da das tiefe Blau insbesondere für religiöse und symbolische Zwecke genutzt wurde. Dies trieb entsprechend den Preis in die Höhe, sodass im späten Mittelalter Indigopflanzen sogar in Testamenten vermacht wurden. Erst die Entdeckung des Seewegs nach Indien im 15. Jahrhundert revolutionierte den Indigohandel und machte den Farbstoff für die breite Masse erschwinglicher. 

Ein Wettlauf um künstliches Indigo 

Mit der Industriellen Revolution wuchs die Bedeutung von Indigo in der Textilindustrie. Der Farbstoff fand Verwendung in Waffenröcken, Matrosenuniformen sowie insbesondere den Blaumännern der neugewachsenen Arbeiterschicht. Infolgedessen stieg Mitte des 19. Jahrhunderts das Interesse an einer Synthetisierung, also der künstlichen Erzeugung von Indigo.

Dies gelang 1978 dem Chemiker Adolf von Baeyer. Es startete ein Wettlauf zwischen den führenden Chemieunternehmen des Landes – Bayer, Hoechst und der BASF – zur Entwicklung eines technischen Verfahrens, um die Erfindung Baeyers in die Praxis zu übertragen.  

BASF gelingt Durchbruch mit „Indigo rein BASF“

Der Weg dorthin war jedoch nicht einfach. Die Synthetisierung von Indigo gestaltete sich anfangs als anspruchsvoll und technisch nicht umsetzbar. Erst nach 17 Jahren Forschung und der gewaltigen Investition von mehr als 18 Millionen Goldmark war es dann so weit: Die BASF brachte 1897 in Ludwigshafen das erste „Indigo rein BASF“ auf den Markt. 

In den ersten Jahren waren die potenziellen Käufer wie Färber oder das Militär jedoch skeptisch gegenüber dem neuen künstlichen Farbprodukt. Neben Diffamierungskampagnen der Konkurrenz gab es dafür vor allem einen Grund: Das synthetische Blau stank nicht – anders als die Naturfarbe. Dies galt als angeblicher Beweis, dass die Farbe den Naturstoffen nicht ebenbürtig sein konnte. Lange wurden dem Farbstoff daher sogar bewusst Stinkstoffe zugesetzt.

Exporte in die ganze Welt 

Nach der Jahrhundertwende nahm das Geschäft mit dem königsblauen Farbstoff jedoch endlich an Fahrt auf und machte bald ein Drittel des Gesamtumsatzes der BASF aus. Der Preis des künstlichen Blautons lag deutlich unter dem des natürlichen Indigos, sodass der Farbstoff bald bis nach Asien exportiert wurde. Insbesondere China, welches Blau für die Kittel seiner wachsenden Arbeiterschaft benötigte, wurde zum wichtigsten Abnehmerland. 

Ludwigshafen wächst 

Auch für Ludwigshafen bewegte sich viel in dieser Zeit. Mit der neuen Position der BASF auf dem Farbenmarkt veränderte sich der Konzern. Um 1900 galt das Chemiewerk in Ludwigshafen, welches bis zum Ersten Weltkrieg überwiegend Teerfarben wie Indigo produzierte, als die größte chemische Fabrik der Welt. Und mit der Fabrik wuchs auch die gesamte Stadt. Hatte die erst in den 1850er-Jahren gegründete Stadt 1880 noch 15.000 Einwohner, stieg diese Zahl bis 1900 auf das Vierfache an. 1921 überschritt Ludwigshafen die Hunderttausender-Grenze und wurde damit weniger als hundert Jahre nach seiner Gründung zur Großstadt. 

Jeans verhilft Indigo zum Comeback

Während die Stadt, in der es produziert wurde, wuchs, verlor Indigo allmählich seine Vormachtstellung im Konzern aufgrund der Einführung weiterer künstlicher Farbstoffe. Sein Platz wurde vom neuentwickelten Indanthren-Blau eingenommen, welches Indigo an Wasch- und Lichtechtheit übertrifft. Lange Zeit spielte der synthetische Blauton eine untergeordnete Rolle im Konzern, sogar die Einstellung der Produktion drohte, bis das Aufkommen von Jeans in den 1960er-Jahren dem Farbstoff eine Renaissance ermöglichte.  

Blue Jeans waren die Kultkleidung einer ganzen Generation. Je verwaschener die Farbe, desto besser. Indanthren war aufgrund seiner Waschfestigkeit dafür ungeeignet, die Zeit für Indigo war wieder gekommen. Das Geschäft mit dem Farbstoff boomte.

Heute gehört Indigo zu den wichtigsten Farben für die Textilindustrie. Jedes Jahr werden Milliarden von Jeans damit gefärbt werden. Und auch, wenn die Indigo-Fabrik in Ludwigshafen seit den 1990er-Jahren mehrfach den Besitzer wechselte: Der „König der Farbstoffe“ ist aus der Stadt nicht mehr wegzudenken. 

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