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Zurückgekämpft nach der Flutkatastrophe

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Zurückgekämpft nach der Flutkatastrophe
Holger Twiehaus: Der Vertriebsleiter erfuhr im Urlaub von der Katastrophe. Foto: Lennart Forsch

Eine rote Linie wurde an einem der Produktionsgebäude aufgemalt: „Unvergessen“ steht darüber. Bis hier stand das Wasser während der Flutkatastrophe im Sommer 2021 – mehr als drei Meter hoch. Holger Twiehaus lehnt an der Wand unter der Linie. „Ich bin nicht gerade klein, aber das Wasser stand so viel höher. Das ist immer noch unbegreiflich“, sagt der 1,86 Meter große Mann.

Twiehaus ist Vertriebsleiter des Lackeherstellers Jansen in Ahrweiler. Wenn der 57-Jährige von den Tagen nach der Flut berichtet, muss er immer wieder schlucken, um Tränen zurückzuhalten. Knapp zwei Jahre ist es her, dass das Unternehmen von der größten Krise in seiner Geschichte getroffen wurde. Das komplette Gelände wurde überflutet, Gebäude, Maschinen und IT zerstört, der Betrieb stand für Monate still. Ein Drittel der 80 Mitarbeiter war privat von der Katastrophe betroffen, zwei Angehörige der Gesellschafterfamilie kamen ums Leben.

Fast alles wird wieder in Ahrweiler produziert

Neben all dem Schrecklichen bleibt Holger Twiehaus die Erinnerung an eins: die bedingungslose Unterstützung vieler Menschen. Kunden, die ihn auf dem Weg von seinem Wohnort Ratingen bei Düsseldorf ins Ahrtal anriefen und zusicherten, der Firma treu zu bleiben. Partnerfirmen, die dafür sorgen wollten, dass Jansen wieder lieferfähig wird. Scharen freiwilliger Helfer, die kamen, um das Gelände zu entschlammen. Noch immer tragen Twiehaus und andere Beschäftigte bei der Arbeit dunkle Shirts mit weißen Slogans aus dieser Zeit: „SolidAHRität hält uns zusammen“ und „Kämpfe für das, was du liebst“.

Leon Klöcker, Holger Twiehaus und Dirk Liedke; Foto: Lennart Forsch

Tatsächlich hat Jansen sich in beachtlichem Tempo zurückgekämpft. „Inzwischen produzieren wir wieder nahezu 100 Prozent unserer Produkte hier in Ahrweiler“, sagt Twiehaus. Auch das Lager befindet sich wieder auf dem Gelände. Ein wichtiger Fortschritt, denn zwischenzeitlich hatte Jansen bei anderen Firmen produzieren und lagern lassen müssen. Nun können Maler und Händler aber wieder innerhalb von Tagen beliefert werden.

Twiehaus geht durch die Abfüllhalle. Hier befördern zwei Mitarbeiter gerade eins der wichtigsten Produkte des Unternehmens in die Lackdosen: die ISO-HDF-Holzdeckenfarbe – bestens geeignet zum Beispiel für Menschen, die ihre dunklen Decken aus den 1970er oder 80er Jahren heller lackieren wollen. „Das Besondere ist, dass man mit unserem Produkt zwei Dinge auf einmal erreicht: Man bekommt eine perfekte Oberfläche und kann gleichzeitig isolieren“, sagt Twiehaus. Letzteres bedeutet, dass der Lack vor Verschmutzungen schützt.

50.000 Kilometer pro Jahr

Im Außendienst hat er zusätzliche Mitarbeiter eingestellt und die Vertriebsgebiete verkleinert, damit die Kunden besser betreut werden können. Zwölf Beschäftigte zählt der Vertrieb nun. Twiehaus selbst verbringt nur einen Tag pro Woche in Ahrweiler, den Rest der Zeit ist er unterwegs, fährt rund 50.000 Kilometer pro Jahr durch die Republik. „Wir müssen jetzt Präsenz zeigen, bei den Händlern sein und mit den Malern reden“, sagt er. Die mussten zwischendurch teils auf Produkte anderer Hersteller ausweichen. Mit seinem Team informiert Twiehaus nun, dass die Jansen-Lacke wieder verfügbar sind und Baustellen wieder zuverlässig beliefert werden können. Zusätzlich stellen sich Kollegen in Ahrweiler vor die Kamera, um in Videos Produkte vorzustellen. „Wir wollen ja auch neue Produkte herausbringen, die die Händler ins Regal nehmen sollen“, sagt Twiehaus.

Eine Herausforderung für die ganze Branche sei dabei, dass die Preise infolge von Lieferkettenproblemen anstiegen und die Menschen aktuell weniger renovierten. Dennoch will Jansen noch in diesem Jahr einen Primer auf Wasserbasis und einen Lack für die Beschichtung von Treppen auf den Markt bringen. „Am Markt herrscht für uns wieder weitgehend Normalität“, sagt Twiehaus.

Im Betriebsalltag hingegen wird teils improvisiert. Viele Büros sind infolge der Flut weiter unbenutzbar. Statt Türen gibt es an einigen Räumen nur transparente Planen. Es ist geplant, einen Teil der Gebäude neu zu bauen. Twiehaus ist optimistisch, dass es weiter aufwärtsgeht. „Es ist ein unglaubliches Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Mitarbeitern entstanden“, sagt er. In den vergangenen Jahren habe man viel Umsatz verloren, das werde man gemeinsam ändern. „Wir tun jetzt alles dafür, diesen Umsatz wieder zurückzuholen – und am besten noch mehr zu gewinnen.“

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