Arbeiten in der Chemie

Ein Tag als Chemikantin am Girls´ Day

· Lesezeit 6 Minuten.
Ausbilderin Simone Schneider mit angehenden Chemikantinnen und Chemikanten im Ausbildungslabor. Auch am Girls´ Day ist dies eine wichtige Station, um das Unternehmen kennen zu lernen. Foto: Grace
Hands-on-Experience: Ausbilderin Simone Schneider mit angehenden Chemikantinnen und Chemikanten im Ausbildungslabor. Auch am Girls´ Day ist dies eine wichtige Station, um das Unternehmen kennen zu lernen. Foto: Grace

Chemikantin: Ein Beruf, der viel Abwechslung bietet

Chemie ja, Labor nein – das war Leni Ihrigs Wunsch, als sie vor drei Jahren einen Ausbildungsplatz suchte. Im Unterschied zu vielen Gleichaltrigen konnte sich die damals 16-Jährige unter dem Beruf Chemikantin etwas vorstellen, und sie war sich sicher: Das ist es! „Bei Grace arbeiten viele Bekannte von mir“, berichtet sie. „Mir gefällt, dass die Arbeit als Chemikantin sehr abwechslungsreich ist.“ Sie bewarb sich bei Grace und konnte ihre Ausbildung kurz darauf beginnen. 
 

Leni Ihrig, Azubi bei Grace in Worms. Foto: privat
Leni Ihrig, Azubi bei Grace in Worms. Foto: privat

„Als Chemikantin bin ich an ganz unterschiedlichen Stellen tätig, mal in der Messwarte, mal in der Produktionsanlage. Und es gibt immer Signale, auf die man reagieren muss, es wird nie langweilig.“

Ende dieses Jahres macht Leni Ihrig ihre Abschlussprüfung. Weil sie als Azubi manchmal Jugendliche betreut, die sich ein Bild von dem Beruf machen möchten, kennt sie die typischen Fragen: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Männern? Wie ist es mit der Schichtarbeit?

Arbeiten als Chemikantin: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Männern?

Wer, wie die 19-Jährige, Chemikantin werden möchte, wird sich als junge Frau in der Minderheit befinden. Von den 2232 Jugendlichen, die 2022 in Deutschland ihre Ausbildung in dem Beruf anfingen, waren nur 15 Prozent weiblich.

Leni Ihrig, die 2021 startete, gehörte bei Grace zu den ersten weiblichen Azubis in diesem Beruf. Jedes Jahr fangen in dem Unternehmen mit Standorten in Worms und Düren rund zehn neue angehende Chemikantinnen und Chemikanten an. „Die Zusammenarbeit mit den Männern ist kein Problem“, sagt Ihrig. „Bei Grace geht es ganz familiär zu. Die Kollegen sehen mich fast wie eine Tochter.“

Ausbildungsleiter Sascha Kretz beobachtet, dass das Interesse an dem Beruf ein wenig steigt. In diesem Jahr nehmen drei Schülerinnen am Girls´ Day bei Grace in Worms teil, obwohl nur zwei Plätze im Angebot waren. Das Ziel dieses besonderen Tages ist, den Mädchen den Beruf so realistisch wie möglich zu präsentieren. Diese Aufgabe übernehmen hauptsächlich Azubis.

Wie ist es mit der Schichtarbeit?

In der Chemieindustrie laufen viele Anlagen rund um die Uhr. Das ist auch bei Grace so: An keinem einzigen Tag im Jahr soll die Produktion stillstehen. Chemikantinnen und Chemikanten arbeiten daher in Wechselschicht, auch nachts und am Wochenende. Der Ausgleich: mehr Geld. Die Unternehmen zahlen Schicht- und Wochenendzuschläge. Außerdem gibt es freie Tage. Minderjährige Azubis leisten keine Nachtschichten.

Leni Ihrig kennt die unterschiedliche Schichtzeiten. In den Schulferien haben die Auszubildenden bei Grace die Möglichkeit, in die kontinuierliche Schicht einzusteigen und voll mitzuarbeiten. Die Vorteile unterschiedlicher Schichten: Wer spät am Tag mit der Arbeit anfängt, kann morgens lange schlafen und dann noch Erledigungen machen. Behörden- oder Arzttermine zu bekommen, ist dann kein Problem.

Nachtschichten, berichtet Sascha Kretz, sind außerdem ruhiger als Tagschichten. Die Nachtarbeitenden können sich komplett auf die Produktionsprozesse konzentrieren. Denn Meetings, Rundgänge, Anlieferungen und Abholungen finden meist tagsüber statt.

Wer hilft mir mit den schweren Säcken?

Der Chemikantenberuf ist ein alter Facharbeiterberuf – und hat sich sehr gewandelt. „Vor ungefähr 40 Jahren fand die Arbeit noch überwiegend draußen an den Anlagen statt“, erläutert Sascha Kretz. „Das heißt: im Freien, mit Staub und Körpereinsatz. Seitdem hat sich viel getan.“

Zwar füllen die Beschäftigten auch heute noch die Rohstoffe aus großen Säcken in die Reaktor-Kessel. „Aber bei uns gibt es für jede Person ein Höchstgewicht. Ist mehr zu stemmen, hilft man einander, oder es kommen technische Hebehilfen zum Einsatz“, sagt Sascha Kretz. Moderne Produktionsabläufe und digitale Tools haben den Arbeitsalltag stark verändert. Nicht Muskelkraft ist das Entscheidende, sondern ein Sinn für Technik und hohes Verantwortungsbewusstsein.

Was sollten Schülerinnen mitbringen?

Leni Ihrig nennt Interesse an Chemie und Technik als nützliche Voraussetzungen, um Chemikantin zu werden. Außerdem: Zuverlässigkeit und Besonnenheit, wenn es mal hektisch wird. Sie ermuntert Jugendliche, nicht an Mathe zu verzweifeln. „Am Anfang der Ausbildung haben wir einen Mathe-Grundkurs bekommen, und zwar nach einem Stärke- und Schwächen-Check“, erzählt sie. „Die Unterstützung kommt von allen Seiten, vom Betrieb und von der Berufsschule.“ Grace hat dafür ein eigenes Programm.

Sascha Kretz ergänzt: „Uns ist klar, dass Schulnoten nicht alles sind. Wir haben unseren eigenen Einstellungstest, bei dem durchaus etwas anderes herauskommen kann als das, was im Zeugnis steht.“ Mehr noch: Das technische Wissen, auf das es im Beruf ankommt, wird in der Schule ohnehin nicht vermittelt. Verfahrens-, Mess- und Regelungstechnik spielen im Chemikantenalltag eine viel größere Rolle als naturwissenschaftliche Kenntnisse.

Um dies kennenzulernen, eignen sich ein Praktikum oder der Girls´ Day.
 

Sascha Kretz, Ausbildungsleiter bei Grace in Worms. Foto: Grace
Sascha Kretz, Ausbildungsleiter bei Grace in Worms. Foto: Grace

„Wer Chemikantin werden möchte, lässt sich wirklich auf was Neues ein.“

Was passiert am Girls´ Day und danach?

Am Girls´ Day heißt es für die Schülerinnen erst einmal: Schutzausrüstung anlegen. Professionell ausgestattet, lernen sie dann Produktionsanlagen kennen, von denen einige haushoch sind. Auch das Ausbildungslabor und Gespräche mit der Fachausbilderin Simone Schneider stehen auf der Agenda.

Dass Grace außer den guten Tarifbedingungen der Chemieindustrie noch einiges mehr zu bieten hat, wird dabei deutlich.

Azubis bekommen im Unternehmen ein Mittagessen für 1,80 Euro, ein Gratis- Ticket für den öffentlichen Nahverkehr sowie, kostenfrei, alle Schul- und Arbeitsmaterialien einschließlich Laptop. Leni Ihrig sieht das als großen Vorteil. Und für Sascha Kretz gilt: „Wer bei uns arbeitet, übernimmt Verantwortung und bewegt sich in einem Arbeitsumfeld, das gefährlich sein kann, da einige chemische Prozesse bei hohen Temperaturen ablaufen. Dafür geben wir auch was.“

 

Das Unternehmen Grace: Spezialist für Spezialchemikalien

W.R. GRACE & Co. stellt chemische Spezialprodukte für internationale Industriekunden her. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Columbia im US-Bundesstaat Maryland. In der europäischen Zentrale Worms, der Grace Europe Holding GmbH, produziert das Unternehmen Katalysatoren für die Verarbeitung von Erdöl in Raffinerien und für die Kunststoffherstellung. Auch Spezialchemikalien für Lebensmittel, Getränke, Zahnpasta, Farben und Lacke zählen zur Produktpalette. Die Grace Europe Holding hat in Deutschland rund 1000 Beschäftigte.
 

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