Arbeiten in der Chemie

Wie Diversity sich auszahlt

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Wie Diversity sich auszahlt
Professorin Jutta Rump: Sie forscht unter anderem zu Trends wie Digitalisierung, Diversität und Wertewandel. Foto: IBE/Wegener

Mit dem Nutzen von Diversity haben sich einige Studien beschäftigt. Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) beispielsweise hat herausgefunden: Für die Hälfte der in einer Studie befragten Unternehmen hat die Beschäftigung von Menschen mit Migrationshintergrund einen positiven Effekt auf die Arbeitgeberattraktivität. 

Und eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt: Je höher die Altersdiversität in der Belegschaft ist, desto wahrscheinlicher bringt ein Unternehmen Innovationen hervor. 

Über das Thema sprach Wir.Hier. mit Jutta Rump. Sie ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, außerdem Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE)

Zahlt sich Diversity für Unternehmen wirtschaftlich aus?

Prof. Jutta Rump: Es gibt zwar keine Studie, die einen allgemeinen Nutzen in Euro und Cent nachweist. Dafür ist Vielfalt zu komplex. Wenn man aber in die Tiefe geht und einzelne Dimensionen von Diversity untersucht, kann man deren Nutzen durchaus belegen. 
Dazu gibt es eine ganze Reihe von Studien. Zum Beispiel dazu, dass geschlechter- oder altersgemische Führungsteams sich positiv auf den strategischen Erfolg auswirken. Oder dass in internationalen Unternehmen eine interkulturelle Belegschaft hilfreich für den Unternehmenserfolg ist.

Woran können Unternehmen einen Erfolg messen? 

Jutta Rump: Unternehmen können beispielsweise analysieren, wie lange offene Stellen unbesetzt sind und wie viele Bewerberinnen und Bewerber sie haben, und daraus ableiten, ob sie nach Einführung einer Diversity-Maßnahme als Arbeitgeber attraktiver geworden sind. Oder mit einer Mitarbeiterbefragung herausfinden, ob sich das Teamklima verbessert hat. Wichtig ist aber: Diversity bringt erst etwas, wenn ich auch ein Diversity-Management-Konzept habe und umsetze. 

Was ist das genau? 

Jutta Rump: Es geht um klar definierte Ziele und bestimmte Werte, die man in Handlungsmuster für die gesamte Belegschaft überführt. Es ist wie in einer Demokratie: Die braucht auch Regeln – einen verbindlichen Rahmen, an den sich alle halten.

Was kostet die Förderung von Vielfalt?

Jutta Rump: Es geht preiswert und teuer. Ein erster Schritt kann einfach schon eine vielfaltsfreundliche Haltung von Arbeitgeber und Betriebsrat sein. Aber wenn es darum geht, die Mitarbeitenden zu sensibilisieren, braucht man zum Beispiel Workshops. Da kann es etwa darum gehen, wie Babyboomer und Generation Z voneinander profitieren. Das gibt es nicht zum Nullkostentarif.

Setzen Mittelständler und kleine Unternehmen solche Maßnahmen trotzdem um?

Jutta Rump: Viele mittlere und kleinere Unternehmen gießen das Thema eher nicht in umfangreiche Konzepte mit eigenen Internetseiten. Da wird Vielfalt oft einfach im Alltag gelebt. Denn wenn man sich besser kennt, hört man automatisch anders zu und hat weniger Vorurteile.

Ist es für jedes Unternehmen trotzdem ein Muss, etwas dafür zu tun?

Jutta Rump: Das würde ich schon sagen. Allein schon deshalb, weil es der Zeitgeist ist, auf die Individualisierung der Belegschaften zu achten. Denn die haben wir nun mal. Ein Beispiel von vielen ist die Arbeitszeit: Jeder Beschäftigte möchte heute sein eigenes Modell. Und da haben wir es schon: Das Thema Vielfalt. Im Grunde geht es darum, Individualisierung zu managen. Ich als Unternehmerin würde das allerdings auch lieber Individualisierung nennen als „Diversity“. 

Was ist am Begriff „Diversity“ so schlecht?

Jutta Rump: Zurzeit ist er mit Stereotypen behaftet und teilweise sogar negativ besetzt. Insbesondere wenn man im internationalen Geschäft tätig ist. Blicken wir mal in die USA: Die Regierung dort hat der Diversität und Inklusion ja den Kampf angesagt.

Ja, das hat für Empörung gesorgt – welche Folgen hat das denn für uns, wird Europa etwa nachziehen?

Jutta Rump: Das kann ich mir schwer vorstellen. Interkulturalität ist bei uns in Europa ein sehr wichtiges Thema, weil es hier auf engem Raum viele Sprachen und Kulturen gibt. Und in Deutschland haben wir auch noch die demografische Entwicklung, die für alternde Belegschaften und Fachkräftemangel sorgt. Frauen, Generationen und Alter werden bei uns also auch zwangsläufig wichtige Themen bleiben.

Was raten Sie Unternehmen, die Diversity bisher vorangetrieben haben?

Jutta Rump: Ich würde sie unbedingt weiterverfolgen. Denn wenn Sie über Jahre nach außen und innen kommuniziert haben, dass das Thema strategisch wichtig ist, und jetzt zurückrudern: Jeder würde sich doch fragen, ob das alles nur Worthülsen waren. Natürlich – wenn die Belegschaft in den USA oder anderswo dadurch Repressalien erfährt, muss sie geschützt werden. Aber ansonsten würde ich als Unternehmen sagen: Durch so einen Sturm müssen wir jetzt durch.  

 

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