Arbeiten in der Chemie

Betriebliches Vorschlagswesen: Vorteile, Prämien, Dos & Don´ts

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Betriebliches Vorschlagswesen: Vorteile, Prämien, Dos & Don´ts
Betriebliches Vorschlagswesen und kontinuierliche Verbesserung: In der Praxis sind die Übergänge fließend, sagt der Experte für Ideenmanagement, Professor Hans-Dieter Schat von der IU Internationalen Hochschule Frankfurt/Main. Foto: Studioline

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Das betriebliche Vorschlagswesen ist ein klassisches Instrument, um die Effizienz im Unternehmen zu steigern und Beschäftigte zu beteiligen.
  • Ergänzende Maßnahmen wie Kampagnen und Sprints wirken produktiv: Sie fördern mehr Ideen zu bestimmten Themen zutage. Durch Methodenwissen steigt auch die Qualität der Vorschläge.
  • Digitale Tools und Künstliche Intelligenz machen das Vorschlagswesen effizienter, indem sie die Anzahl der Vorschläge steigern und den Ablauf des Vorschlagswesens verbessern.

Herr Professor Schat, betriebliches Vorschlagswesen – was ist das genau? 

Das betriebliche Vorschlagswesen, BVW, ist ein klassisches Instrument, um Ideen aus der Belegschaft zu sammeln und umzusetzen. Es richtet sich an Mitarbeitende, die aus eigenem Antrieb Vorschläge einreichen – zu selbst gewählten Themen und mit eigenen Methoden. Jeder Vorschlag wird durch eine Kommission geprüft. In aller Regel gibt es für die umgesetzte Idee eine Prämie. Oft ergibt sich deren Höhe aus dem errechneten Nutzen der Lösung.

Was sind die Vorteile des betrieblichen Vorschlagswesens?

Der wirtschaftliche Nutzen. Der lässt sich in Effizienzzahlen ausdrücken. Aber das ist nicht die einzige Motivation. Ideenmanagement – und das betriebliche Vorschlagswesen ist ein Teil davon – ist auch ein Führungsinstrument. Führungskräfte geben dadurch den Beschäftigten die Möglichkeit sich einzubringen. Dafür wiederum ist die Beteiligungsquote eine wichtige Kenngröße. Wenn man diese ansetzt, zählen auch Vorschläge, die erstmal keinen rechenbaren Nutzen bringen, aber trotzdem sehr praktisch sind. Und nicht zuletzt: Für Managementsysteme wie das Qualitätsmanagement braucht man einen dokumentierten Vorgang für systematische Verbesserungen. Das betriebliche Vorschlagswesen eignet sich dafür.

Wie wichtig sind Vergütungen beziehungsweise Prämien?

Ich habe gesehen, dass Leute im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens richtig coole Vorschläge eingereicht haben, die zu enormen Einsparungen in der Fertigung führten. Die Ideengeber konnten sich über eine faire Honorierung freuen – das motiviert natürlich ungemein. Unseren Daten zufolge sind Prämien aber nicht die entscheidende Stellschraube, warum sich Leute am Vorschlagswesen beteiligen. Sie wollen vielmehr, dass sich etwas ändert, dass Dinge vernünftig laufen.

Was sind die Schwächen des betrieblichen Vorschlagswesens?

Zum einen wissen viele Beschäftigte nicht, was das Unternehmen gerade braucht. Das heißt, ob zum Beispiel gerade Vorschläge zum Thema Kostensenkung, Qualitätsverbesserung oder Zeitersparnis gefragt sind. Zum anderen werden Problemlösetechniken selten gelehrt. Viele Vorschläge sind nicht systematisch entwickelt. Und nicht zuletzt muss jeder Vorschlag durch alle Instanzen, selbst wenn er offensichtlich unsinnig oder brillant ist. Das macht den Prozess behäbig.

Wie lassen sich diese Schwächen überwinden?

Erstens sollten Führungskräfte über die Zielrichtung informieren, zum Beispiel per Kampagne oder direkt im persönlichen Gespräch. Zweitens sollten Ideenmanager die Vorschläge vorab besprechen, prüfen, ob sie relevant sind und wie man sie verbessern kann. Das heißt, die Ideengeber coachen oder gegebenenfalls direkt auf die kreativen Beschäftigten zugehen und sie um Input zu einem bestimmten Thema bitten. Was auch gut funktioniert: Menschen, die bereits mit guten Ideen aufgefallen sind, als Ansprechperson zu benennen. Das könnte deren erste Führungsaufgabe sein.

Wie wirken sich ergänzende Maßnahmen wie Kampagnen oder Sprints aus?

Produktiv. Kampagnen können eine große Menge von Vorschlägen zu einem bestimmten Thema erzeugen. Außerdem können sie gezielt Gruppen aktivieren, die sich bislang unterdurchschnittlich beteiligen. Sprints wiederum haben den Vorteil, dass sie mit Methodenwissen verbunden sind. Unternehmen, die Sprints einsetzen, haben auch im Vorschlagswesen einen deutlich höheren Nutzen.

Inwiefern nützen Tools dem betrieblichen Vorschlagswesen?

An Tools kommt in der Praxis alles zum Einsatz: gedruckte Formulare mit Durchschriften, Excel-Listen, Portale und Apps. Wenn man Ideenmanagement-Portale einführt, steigt die Zahl der Vorschläge massiv. Tools ersetzen das BVW nicht, sie machen es effizienter. 

Welche Rolle kann KI spielen?

KI ist eine ganz heiße Kiste. Sie kann für die einreichende Person zumindest die Beschreibung, gegebenenfalls auch die Idee selbst, verbessern. KI könnte besonders vielversprechende Vorschläge markieren. Eine Zukunftsfrage ist, ob Künstliche Intelligenz die Daten eines Unternehmens analysieren und dann Vorschläge machen kann. Und das nicht nur in Großunternehmen mit ihren umfassenden Systemen, sondern auch in mittleren und kleinen Unternehmen.
 

Betriebliches Vorschlagswesen (BVW): Die wichtigsten Dos & Don´ts

Do Don´t
Eine engagierte, kommunikationsstarke Führungspersönlichkeit für das Ideenmanagement einsetzen Führungskräfte einsetzen, die nicht hinter dem Ideenmanagement oder Vorschlagswesen stehen
Prämien bieten, die fair und einfach geregelt sind Prämien bieten, die zu stark im Fokus stehen und zu detailliert oder nicht zielgruppengerecht geregelt sind
Den gesamten BVW-Prozess schlank und transparent gestalten Den BVW-Prozess behäbig gestalten oder in Unternehmen einführen, die dafür zu klein oder zu agil sind.


Was ist der Unterschied zwischen KVP und BVW?

Der Begriff „Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)“ bezeichnet verschiedene Ansätze. In der Praxis ist der KVP oft als Teil größerer Managementsysteme zu finden. Dazu zählt das Total Quality Management (TQM). Im TQM werden alle Bestandteile des Qualitätsmanagements sorgfältig dokumentiert und geprüft. Dementsprechend gibt es für den KVP klare Zuständigkeiten, Methoden und Abläufe. Geschulte Führungskräfte steuern den KVP. Zwar sind die Ziele des KVP und des BVW überwiegend ähnlich: mehr Effizienz und Qualität. Die Unterschiede liegen jedoch in Anspruch und Organisation:

  • Im betrieblichen Vorschlagswesen kommen die Vorschläge spontan und direkt aus der Praxis. Eine Betriebsvereinbarung bildet dabei einen Rahmen mit Spielraum.
  • Beim KVP ist die Optimierung in ein ausgefeiltes Managementsystem eingebettet. Vorschläge der Beschäftigten sind nötig und willkommen. Sie sind dabei ein kleines Element in einem festgelegten Kreislauf. Dieser permanente Kreislauf heißt: planen – handeln – prüfen – noch besser werden.

In der Praxis gibt es fließende Übergänge.
 

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