Politik & Wirtschaft

„Viele sind überausgelastet“

· Lesezeit 3 Minuten.

Droht unserer Wirtschaft eine „Überhitzung“? Wir haben mit dem Konjunkturforscher Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft gesprochen, wie es den Unternehmen geht und worin ihr größtes Problem besteht.

Herr Professor Grömling, die Wirtschaftsweisen warnen vor einer Überhitzung“ der Konjunktur. Heißt das, es geht uns zu gut?
Nein. Genau das passiert nicht, wenn es zu einer Überhitzung kommt. Davon sollte man sprechen, wenn eine hoch und überausgelastete Wirtschaft negative Folgen hat: Wenn wir Produktionsfaktoren wie Kapital und Arbeit dorthin lenken, wo sie nicht nachhaltig sind – so wie es in Spanien jahrelang mit der Bauwirtschaft geschehen ist, die schließlich zusammenbrach. Wenn wir Spekulationsblasen etwa auf dem Immobilienmarkt haben. Oder wenn es zu Preis-Lohn-Spiralen kommt, also die Inflation hoch ist, die Löhne entsprechend steigen und sich beides aufschaukelt. Aber in dem Stadium sind wir nicht. Und wir werden auch absehbar nicht dort hineingeraten.

Wie ist die Lage der Wirtschaft denn tatsächlich?
34 Prozent der Unternehmen, die wir für unsere jüngste IW-Konjunkturprognose befragt haben, sagen: Wir sind überausgelastet. Ihre Produktionskapazitäten reichen also nicht aus, um das normale Geschäft zu bewältigen. Dies aber eben ohne die ernsten negativen Folgen einer Überhitzung.

Warum bauen die überausgelasteten Unternehmen nicht einfach Kapazitäten auf?
Alle Unternehmen signalisieren uns, dass fehlende Fachkräfte ihr Kapazitätsproblem sind: 47 Prozent aller befragten Unternehmen sagen das. Und von den überausgelasteten sind es sogar zwei Drittel. Das ist nicht leicht zu beheben. Fehlen Maschinen, kann man in sie investieren. Aber die Ausbildung von Fachkräften und der Aufbau von Erfahrung brauchen einfach Zeit.

Können Sie nach Branchen differenzieren?
Wir haben Rückmeldungen von 2 900 Unternehmen erhalten. Das Fachkräfteproblem betrifft die ganze Breite der Wirtschaft. Zum Beispiel in der Logistik: Bei Unternehmen stocken die Lieferketten, weil etwa Fahrer fehlen, die Gefahrgüter transportieren dürfen. Von den fehlenden Ingenieuren ganz zu schweigen.

Wie geht es der Industrie?
Wir haben die Industrie unterteilt in Grundstoffgüter, zu denen die Chemie zählt, Investitionsgüter wie Maschinen und Konsumgüter. Stärkere Anspannung sehen wir bei den Investitionsgütern. Aber noch mal: Das Fachkräfteproblem ist überall ähnlich stark.

©IW Medien
Prof. Dr. Michael Grömling leitet die Forschungsgruppe Gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunktur am IW.
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