Politik & Wirtschaft

Eingriff bei Arzneipreisen

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Produktion bei Boehringer Ingelheim: Auch bei Neuentwicklungen wird die Krankenversicherung weniger zahlen. Foto: Boehringer Ingelheim

Fiebersaft für Kinder – kaum zu haben. Antibiotika, Blutdrucksenker, Magensäureblocker – aktuell nicht lieferbar. Bei Standardarzneien ist das heute häufiger der Fall. In Zukunft dürfte es auch bei neuen Medikamenten Versorgungsausfälle geben, befürchten Experten. Denn: Um ein 17-Milliarden-Euro-Loch bei den gesetzlichen Krankenkassen zu schließen, tritt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz auf die Ausgabenbremse, unter anderem stark bei Arzneien. Das schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland.

Das Gesetz gefährde Innovationen, kritisiert Sabine Nikolaus, Landesleiterin Deutschland beim Pharmakonzern Boehringer Ingelheim. „Arzneimittel mit kleinen Verbesserungen werden hierzulande nicht oder später auf den Markt kommen.“

Entwicklung einer Arznei kostet 1,6 Milliarden Euro

Bei diesen Schritt-Innovationen wird der Therapiefortschritt künftig nicht mehr honoriert, je nach ermitteltem Zusatznutzen dürfen sie dann gleich viel oder sogar 10 Prozent weniger kosten als die Standardtherapie. „Dabei ermöglichen die Schritt-Innovationen oft den Fortschritt“, erklärt Nikolaus. „Bei Aids brachte das am Ende den Erfolg.“ Übrigens sind die meisten Innovationen eher klein, nur ein Fünftel sind echte Durchbrüche und damit Sprung-Innovationen.

Die Preise handeln Hersteller und Krankenkassen auf Basis des Zusatznutzens aus. Schon heute nehmen Pharmaunternehmen im Zuge dieser Verhandlungen jede achte Neuheit hierzulande wieder vom Markt. Denn sie sind auf angemessene Preise angewiesen: Ein neues Medikament auf den Markt zu bringen, dauert im Schnitt 13 Jahre und erfordert bis zu 1,6 Milliarden Euro Investitionen. Diese Summen wollen die Unternehmen wieder einspielen.

 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach muss sparen. Foto: picture alliance/Geisler-Fotopress

 

Das Gesetz verlängert zudem den Preisstopp für Arzneien „um weitere vier Jahre“, berichtet Christine Lietz, Expertin für Sozialrecht und Mitglied der Geschäftsführung des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie. Seit 2010 seien die Preise für rezeptpflichtige Arzneien per Gesetz eingefroren. „Innovative Arzneien machen da keine Ausnahme.“ Erst ab 2018 sei ein nachträglicher Inflationsausgleich pro Jahr möglich. „Aber angesichts der enormen Preissteigerungen um 10 bis 20 Prozent bei Wirkstoffen, Vorprodukten – und noch mehr bei Energie – sowie steigender Löhne reicht das absolut nicht aus.“

Zahl der Pharmaunternehmen sank von 820 auf 550

Zumal die Pharmahersteller Krankenkassen 2023 einen höheren Rabatt gewähren müssen: 12 statt bisher 7 Prozent seien dann für jedes rezeptpflichtige Medikament auf den Preis ab Werk fällig, so Lietz, auch bei Neuheiten. Bei patentfreien Nachahmerarzneien sind es 16 Prozent.

Derartige Eingriffe der Regierung in den Pharmamarkt gibt es seit dem Jahr 2000 fast jährlich. Stets ging es um Kostendämpfung, fast nie um den Industriestandort. So schreiben Krankenkassen die Versorgung mit Nachahmerarzneien oft aus, den Zuschlag erhält der preiswerteste Hersteller. Ergebnis: Die Tagesdosis eines Generikums kostet abzüglich aller Rabatte im Schnitt nur 6 Cent. Da können nur wenige mithalten.

Fazit: Die Versorgung der Patienten mit Medikamenten, auch neuen, wird schwieriger in Deutschland und die Pharmaindustrie mit ihren über 140.000 Beschäftigten geschwächt. Im letzten Jahrzehnt verringerte sich die Zahl der Hersteller von 820 auf 550, die der Anträge auf klinische Tests von 1.210 auf 850. So klagt Deutschland, früher Apotheke der Welt, heute über Lieferausfälle.

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