Politik & Wirtschaft

Die Chemie-Industrie kämpft gegen Fälschungen

· Lesezeit 3 Minuten.
Arzneimittel. Foto: AdobeStock

VieleFirmen mit pfiffigen oder innovativen Produkten stehen vor einem Problem: Gutes wird gnadenlos kopiert. Oft kommen die Plagiate aus Fernost – Waschtischmischer, Maschinenbauteile, Elektronik. 21.500 Warensendungen beschlagnahmte der Zoll zuletzt, fast dreimal so viele wie 2005. Plagiate sind ein dickes Problem, hat Ökonom Oliver Koppel vom Institut der deutschen Wirtschaft errechnet: „Der Volkswirtschaft entsteht ein Schaden von 55 Milliarden Euro im Jahr. Und es kostet sie 500.000 Jobs.“ Nachgemacht wird vieles. Zum Beispiel:

Arzneimittel

Von Lifestyle-Produkten über Antibiotika bis zu Krebsmitteln – es wird gestreckt oder gefälscht. Das kann für Patienten gefährlich werden. Um Verbraucher besser zu schützen, haben Pharmahersteller in der EU kürzlich ein neues Sicherheitssystem eingeführt. „Jede Packung bekommt nun eine individuelle Sicherheitsnummer plus eigenem Barcode aufgedruckt und wird damit zum Unikat“, erklärt Philipp Huwe, Director Government Affairs beim Pharmaunternehmen AbbVie in Ludwigshafen. „Der Apotheker oder der Großhändler muss nur den Code scannen, und im Nu sagt ihm der Rechner, ob die Packung vom Originalhersteller kommt.“ Das funktioniert per Internet. Zudem schützen nun Siegelfolien jedes Medikament. Rund 100 Mitarbeiter waren bei AbbVie in die Einführung involviert. Und beim Pharmakonzern Boehringer Ingelheim mussten 28 Standorte in Europa ihre Arzneiproduktion aufwendig umrüsten; knapp 2.000 Artikel waren betroffen.

Pflanzenschutzmittel

Gefälschte Mittel führen oft zu Ernteverlusten. Deshalb schützt der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF seine Produkte in Malaysia mit einem Spezialetikett, auf dem mit Lack ein charakteristisches Bild aufgetragen wird. „Durch diese Technologie lassen sich Fälschungen sicher identifizieren“, erklärt Robert Huber, Leiter Packaging and Labelling im Unternehmensbereich Agricultural Solutions. In Brasilien tragen BASF-Produkte ein Spezialsiegel mit Datencode. Gefälschte Pflanzenschutzmittel machen im Land des Samba 9 Prozent vom Markt aus. Auch in der EU werden sie mehr und mehr zum Problem.

Dichtungen

Werden auch gefakt. Forscher des Konzerns Freudenberg haben deshalb eine Markierungstechnik entwickelt. Ein Laser versieht jede Dichtung mit einem 24-stelligen Verschlüsselungs-Code. Der lässt sich mit Auslesegerät und Sicherheitssoftware prüfen, selbst dann noch, wenn die Gravur bis zu 60 Prozent beschädigt ist. Vorteil: Die Dichtungen sind für Nahrungs- und Getränke-Industrie geeignet.

Baufolien

Gefälscht? Das gibt’s! In Großbritannien tauchten vor ein paar Jahren Folien auf, die angeblich vom Wormser Hersteller Renolit waren. Auf Fensterrahmen, Haustüren oder Dachgauben hielten sie der Sonne nicht lange stand. „Bei dem Produkt zeigten sich in unseren Tests schon nach 1.300 Stunden künstlicher Bewitterung Schäden“, berichtet Stefan Friedrich, Leiter des Geschäftsbereichs. „Das entspricht im britischen Klima nicht einmal zwei Jahren.“ Die Originalfolien von Renolit kommen in Tests auf mindestens 10.000 Stunden. Inzwischen haben die Wormser einen Produktmarker für die Folien entwickelt. Im Licht eines Detektors zeigt sich, ob eine Folie von Renolit stammt und wie hochwertig ihre Qualität ist. Den Kampf gegen Fälschungen erklärt Renolit auch in unserem Kommentar.

Baufolien. Foto: AdobeStock
Baufolien. Foto: AdobeStock
  • Like
  • PDF

Das könnte Sie auch interessieren

Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie.

Energiewende ja, aber anders
Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche will den Ausbau erneuerbarer Energien und die Kosteneffizienz neu ausbalancieren. Betreiber von Ökostrom-Anlagen sollen sich Ihrer Meinung nach künftig an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligen.
Wie die Frankfurter Neue Presse meldete, möchte Reiche Ende des Sommers einen „Realitätscheck“ zur Energiewende vorlegen. „Wir brauchen zwingend mehr Steuerbarkeit, um die Volatilität der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien ausgleichen zu können“, sagte sie demnach. „Auch Speicher spielen zum Ausgleich eine Rolle. Sie sind Teil der Lösung, aber reichen allein nicht aus. Wir werden uns die Ergebnisse genau anschauen, und dann werden wir die notwendigen Schlüsse daraus ziehen.“ 
Der Ausbau der Stromnetze geschieht zu langsam
Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne) hatte mit verschiedenen Maßnahmen den Ausbau des Ökostroms vor allem aus Wind und Sonne vorangetrieben. Die erneuerbaren Energien sollen eine Schlüsselrolle spielen, damit Klimaziele erreicht werden. Der Ausbau der Stromnetze hält aber nicht Schritt. Wegen fehlender Netze müssen erneuerbare Anlagen immer wieder gedrosselt werden. Ausgleichsmaßnahmen gegen Netzengpässe kosten Geld. Um den vor allem im Norden produzierten Windstrom in den Süden zu leiten, sind zusätzliche Stromleitungen erforderlich. Ein Großteil ist aber noch nicht fertig.
Mehr Kosteneffizienz als Ziel
Mit Blick auf geplante Entlastungen der Stromkunden bei den Netzentgelten, mit denen unter anderem der Netzausbau finanziert wird, sagte die Ministerin: Momentan würden Kosten vom Stromkunden in die öffentlichen Haushalte und damit auf den Steuerzahler verschoben. „Wir lösen damit nicht das grundlegende Problem. Die Entlastungen bei der Stromsteuer, die Abschaffung der Gasspeicherumlage, die teilweise Übernahme der Netzkosten und die Übernahme der schon länger in den Haushalt verlagerten EEG-Kosten machen zusammen rund 30 Milliarden Euro aus.“ Die Energiewende müsse kosteneffizienter werden. „Und das geht auch.“
Zweifel am prognostizierten Stromverbrauch
Eine wesentliche Kenngröße sei der prognostizierte Stromverbrauch, sagte Reiche. „Die letzte Regierung hat angenommen, dass der Stromverbrauch schon 2030 auf bis zu 750 Terawattstunden steigt, bis 2035 gibt es Prognosen von 1.000 Terawattstunden.“ Das wäre eine Steigerung von fast 50 Prozent innerhalb weniger Jahre. „Seriöse Studien zweifeln, ob diese Steigerungen der Realität standhalten. Wir werden eine deutliche Zunahme der Elektrifizierung sehen, insbesondere im Bereich der Wärmepumpen, der Elektromobilität, der Digitalisierung. Ob in den von der Ampel angenommenen Größenordnungen, darf bezweifelt werden.“
Ökostrom-Betreiber sollen sich an Kosten für Netzausbau beteiligen
Betreiber von Anlagen erneuerbarer Energien müssten mehr Systemverantwortung übernehmen, meint Reiche. Sie sollten sich an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligen. „Systemverantwortung heißt, dass die Kosten für den Netzausbau nicht mehr nur über die Netzbetreiber und die allgemeinen Netzentgelte von den Stromkunden zu bezahlen sind“, sagte Reiche. Die Kosten für den Netzausbau liegen bisher voll beim Netzbetreiber und werden über die Netzentgelte von den Stromkunden bezahlt.

Wechseln zur Seite International Articles Wechseln zur Seite Newsletter