Politik & Wirtschaft

Corona: Pandemie bestimmt 2020

· Lesezeit 3 Minuten.
Ein Mensch mit Handschuhen benutzt Desinfektionsspray
Reinlichkeit: Desinfizieren ist oberstes Gebot. Foto: asiandelight – stock.adobe.com

Ende Januar 2020 ist das Corona-Virus für die meisten Bundesbürger noch irgendein kleines Problem im fernen Asien. Doch dann überspringt der Erreger Covid-19 so schnell wie unbemerkt alle Landesgrenzen und unterzieht unser Leben einem Härtetest – beruflich wie privat.

Binnen weniger Wochen würgt die Pandemie das Wirtschaftswachstum ab, viele Chemiebetriebe müssen Kurzarbeit anmelden: Im Mai sind 90.000 Beschäftigte oder gut 15 Prozent der Branche betroffen, verkündet der Bundesarbeitgeberverband Chemie. Vor allem Autozulieferer müssen die Produktion runterfahren oder Projekte stoppen. Aber auch den Bau einer Hydrieranlage von Haltermann Carless in Speyer legt die Pandemie sechs Monate lang lahm.

Überstunden, Rohstoff-Engpass – riesige Nachfrage nach Hygienemitteln und Plexiglas

Das bedeutet aber im Umkehrschluss: Mehr als vier Fünftel der Beschäftigten arbeiteten im Mai wie gewohnt – oder leisteten mehr als je zuvor. Denn als Vorlieferant für Medikamente, Diagnostika, Reinigungs- und Desinfektionsmittel sind viele Firmen systemrelevant:

  • Bei der BASF etwa schießt die Nachfrage nach Handdesinfektionsmittel in die Höhe, gut eine Million Liter spendet der Chemiekonzern sofort weltweit.
  • Bei Sebapharma in Boppard haben die Waschstücke Hochkonjunktur,
  • bei Freudenberg sind es Atemschutzmasken. Die Produktion läuft rund um die Uhr, die benötigten hochtechnischen Vliesstoffe kommen aus dem Werk Kaiserslautern.
  • Werner & Mertz in Mainz wird der Nachfrage nach Reinigungsmitteln kaum noch Herr, die Rohstoffbeschaffung wird zur enormen Herausforderung.
  • Und auch Röhm kommt mit der Plexiglaslieferung nicht mehr hinterher: Die Bestellungen durchsichtiger Kunststoffplatten, die vor Tröpfcheninfektionen schützen, gehen durch die Decke, Supermärkte wie Apotheken wollen sie haben. Das Rohmaterial für die Scheiben liefert das Werk in Worms: „Der Absatz hat sich je nach Typ um das Fünf- bis Zehnfache erhöht“, sagt Geschäftsführer Michael Pack.

Überstunden sind für die Mitarbeiter in dieser Zeit selbstverständlich, ihre Arbeit ist das wichtigste Bollwerk im Kampf gegen die Pandemie. Im Schulterschluss bekennen sich die Chemiesozialpartner zu ihrer sozialen Verantwortung und zum Gesundheitsschutz in den Unternehmen. Schnell stellen sich die Betriebe auf veränderte Hygienekonzepte ein: „Schon im Januar gab es einen intensiven Austausch mit unserem Werk in Schanghai“, erzählt etwa Arbeitsmediziner Tobias Limbach, Leiter des Gesundheitsmanagements bei Röhm in Worms, „deswegen konnten wir sehr früh reagieren.“

AHA-Regeln: „Das richtige Verhalten jedes Einzelnen ist das Fundament zur Eindämmung der Pandemie“, sagt Röhm-Betriebsarzt Tobias Limbach. Foto: Wir.Hier. / Marcel Hasübert
AHA-Regeln: „Das richtige Verhalten jedes Einzelnen ist das Fundament zur Eindämmung der Pandemie“, sagt Röhm-Betriebsarzt Tobias Limbach. Foto: Wir.Hier. / Marcel Hasübert

Im Februar treten erste Verdachtsfälle in den Betrieben auf. Also ermöglichen die Unternehmen Homeoffice, wo es geht. Kleine wie große Sitzungen laufen zunehmend virtuell ab. So arbeitet bei der BASF bereits Mitte März rund die Hälfte der 40.000 Mitarbeiter am Stammsitz Ludwigshafen mobil oder von zu Hause aus. Die Zahl der Web-Meetings schießt in die Höhe: Waren es im Dezember 2019 noch 110.000 Sitzungen, sind es im April bereits 490.000. Man durchlaufe eine „steile Lernkurve mit digitalen Kommunikationsmedien“, bestätigt auch Michael Kundel, Chef des Wormser Folienherstellers Renolit.

Erstes deutsches Serum gegen das Corona-Virus kommt aus Rheinland-Pfalz

Natürlich läuft auch die Forschung bei Pharmaunternehmen wie AbbVie oder Boehringer Ingelheim auf Hochtouren. Schneller als je zuvor reagieren Pharmawirtschaft und Wissenschaft auf das Corona-Virus. Sie entwickeln Impfstoffe, erproben vorhandene Medikamente auf ihre Eignung, entwickeln neue Arzneimittel und unterstützen die Gesundheitssysteme schwer betroffener Länder. Inzwischen gehört das Mainzer Biotech-Unternehmen Biontech zu den aussichtsreichsten Kandidaten im Wettrennen um einen Impfstoff: Das Serum ist bereits seit Oktober im EU-Zulassungsprozess.

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Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie.

Energiewende ja, aber anders
Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche will den Ausbau erneuerbarer Energien und die Kosteneffizienz neu ausbalancieren. Betreiber von Ökostrom-Anlagen sollen sich Ihrer Meinung nach künftig an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligen.
Wie die Frankfurter Neue Presse meldete, möchte Reiche Ende des Sommers einen „Realitätscheck“ zur Energiewende vorlegen. „Wir brauchen zwingend mehr Steuerbarkeit, um die Volatilität der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien ausgleichen zu können“, sagte sie demnach. „Auch Speicher spielen zum Ausgleich eine Rolle. Sie sind Teil der Lösung, aber reichen allein nicht aus. Wir werden uns die Ergebnisse genau anschauen, und dann werden wir die notwendigen Schlüsse daraus ziehen.“ 
Der Ausbau der Stromnetze geschieht zu langsam
Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne) hatte mit verschiedenen Maßnahmen den Ausbau des Ökostroms vor allem aus Wind und Sonne vorangetrieben. Die erneuerbaren Energien sollen eine Schlüsselrolle spielen, damit Klimaziele erreicht werden. Der Ausbau der Stromnetze hält aber nicht Schritt. Wegen fehlender Netze müssen erneuerbare Anlagen immer wieder gedrosselt werden. Ausgleichsmaßnahmen gegen Netzengpässe kosten Geld. Um den vor allem im Norden produzierten Windstrom in den Süden zu leiten, sind zusätzliche Stromleitungen erforderlich. Ein Großteil ist aber noch nicht fertig.
Mehr Kosteneffizienz als Ziel
Mit Blick auf geplante Entlastungen der Stromkunden bei den Netzentgelten, mit denen unter anderem der Netzausbau finanziert wird, sagte die Ministerin: Momentan würden Kosten vom Stromkunden in die öffentlichen Haushalte und damit auf den Steuerzahler verschoben. „Wir lösen damit nicht das grundlegende Problem. Die Entlastungen bei der Stromsteuer, die Abschaffung der Gasspeicherumlage, die teilweise Übernahme der Netzkosten und die Übernahme der schon länger in den Haushalt verlagerten EEG-Kosten machen zusammen rund 30 Milliarden Euro aus.“ Die Energiewende müsse kosteneffizienter werden. „Und das geht auch.“
Zweifel am prognostizierten Stromverbrauch
Eine wesentliche Kenngröße sei der prognostizierte Stromverbrauch, sagte Reiche. „Die letzte Regierung hat angenommen, dass der Stromverbrauch schon 2030 auf bis zu 750 Terawattstunden steigt, bis 2035 gibt es Prognosen von 1.000 Terawattstunden.“ Das wäre eine Steigerung von fast 50 Prozent innerhalb weniger Jahre. „Seriöse Studien zweifeln, ob diese Steigerungen der Realität standhalten. Wir werden eine deutliche Zunahme der Elektrifizierung sehen, insbesondere im Bereich der Wärmepumpen, der Elektromobilität, der Digitalisierung. Ob in den von der Ampel angenommenen Größenordnungen, darf bezweifelt werden.“
Ökostrom-Betreiber sollen sich an Kosten für Netzausbau beteiligen
Betreiber von Anlagen erneuerbarer Energien müssten mehr Systemverantwortung übernehmen, meint Reiche. Sie sollten sich an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligen. „Systemverantwortung heißt, dass die Kosten für den Netzausbau nicht mehr nur über die Netzbetreiber und die allgemeinen Netzentgelte von den Stromkunden zu bezahlen sind“, sagte Reiche. Die Kosten für den Netzausbau liegen bisher voll beim Netzbetreiber und werden über die Netzentgelte von den Stromkunden bezahlt.

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