Politik & Wirtschaft

Patentanmeldungen: „Chemie spielt eine Schlüsselrolle“

· Lesezeit 1 Minute.
Til Huber: Pressesprecher des Deutschen Patent- und Markenamtes. Foto: Barbara Gandenheimer

Umwelt- und Klimaschutz, Mobilität, Ernährung: Wenn die großen weltweiten Herausforderungen genannt werden, dürfte ein Großteil der Menschen zuerst an Ingenieurdisziplinen oder die Agrarindustrie und weniger an die Chemie denken. Wer sich allerdings näher mit der Lösung globaler Probleme beschäftigt, für den ist offensichtlich: Die chemische Industrie spielt hier eine Schlüsselrolle.

 

 

Unzählige Produktionen sind heute von Zulieferungen aus dem Chemiesektor abhängig. Vor allem aber tragen Innovationen aus der Chemieindustrie unmittelbar zur Lösung technischer Probleme bei – etwa beim Entwickeln oder Herstellen von Batterien, von wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen und von Produkten der Solartechnologie. Oder bei neuartigen Medikamenten, Erzeugnissen für die Lebensmitteltechnologie oder Dünge- und Pflanzenschutzmitteln.

 

Gerade in Deutschland und Europa zeigt sich die Chemieindustrie seit Langem als Innovationsmotor. Die Zahl der Patentanmeldungen ist stetig gestiegen. Aus keinem europäischen Land kommen in der Chemie so viele Anmeldungen wie aus Deutschland. Unternehmen wie BASF, Boehringer Ingelheim und Bayer tauchen in den Anmeldestatistiken ganz vorne auf. Wenn es gelingt, diese Innovationskraft für möglichst viele Menschen nutzbar zu machen, ist das für die Zukunft ein gutes Zeichen.

 

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Person in Chemielabor. Foto: stock.adobe.com - Gorodenkoff

Rheinland-Pfalz strebt an die Spitze des Biotechnologie-Sektors. Eckhard Thines ist Landeskoordinator für Biotechnologie in Rheinland-Pfalz. Er erläutert in der neuen Folge des Podcasts Wir. Hear., wie die Region durch gezielte Investitionen und strategische Bildungsinitiativen bis 2031 zu einem führenden Standort werden soll.
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Tobias Göpel: BioNTech, Boehringer Ingelheim, Novo Nordisk. LTS Lohmann. Die Liste erfolgreicher Pharmaunternehmen in Rheinland-Pfalz ist lang. Nun will auch Eli Lilly investieren. Rheinland-Pfalz soll bis 2031 ein Spitzentechnologiestandort werden. So will es die Landesregierung. Wie soll das gelingen? Was brauchen wir dafür? Und was heißt das für die Menschen im Land? Darüber spreche ich in dieser Folge mit Eckhard Thines, dem Landeskoordinator Biotechnologie für Rheinland-Pfalz. Hallo! Herzlich willkommen!
Eckhard Thines: Hallo, Herr Göpel!
Tobias Göpel: Meine erste Frage ist: Wir haben jetzt schon angekündigt, die neu dazukommen. 1000 Beschäftigte sollen in Alzey zukünftig eine berufliche Heimat haben. Zusätzlich habe ich von BioMainz erfahren, dass die international bedeutsame Curious-Konferenz 22 in Mainz stattfinden soll. Das klingt so nach einer Erfolgsgeschichte. Ist das auch eine?
Eckhard Thines: Sie haben jetzt schon gesagt, Lilly kommt. Wir haben in Rheinland-Pfalz ganz viele große Biotechnologieplayer. Die Erfolgsgeschichte hat schon vorher angefangen. Ich darf an BASF und Boehringer erinnern und an viele andere Firmen in Rheinland-Pfalz, die Biotechnologie machen und das ganz hervorragend machen. Und es ist eine Erfolgsgeschichte. Das ist eine Aneinanderreihung vieler Erfolgsgeschichten. Und ich werde auch nicht müde, in dem Kontext zu sagen, dass die Biotechnologie eine Schlüsseltechnologie für das 21. Jahrhundert ist. Und was heißt das eigentlich? Also, mit der Biotechnologie kommt die Anwendung biologischer Prinzipien für die Herausforderungen der Gesellschaft. Und wenn wir in Rheinland-Pfalz in dem Bezug ganz viel anbieten können, dann ist das eine Erfolgsgeschichte. Ohne Frage. Und on top kommt auch noch an der Stelle, dass die Biotechnologie als nachhaltig gilt. Also nicht nur eine Erfolgsgeschichte, sondern hoffentlich auch eine erfolgreiche, eine nachhaltige Erfolgsgeschichte. Und Sie haben jetzt Curious angesprochen. Das würde ich auch gerne noch ganz kurz kommentieren. Die Curious ist eine ganz interessante Konferenz, weil es eine Konferenz ist, bei der junge Leute zusammenkommen, um Zukunft zu diskutieren. Und das ist für uns in Rheinland-Pfalz tatsächlich eine Riesenchance, dass wir zeigen, was können wir in Rheinland-Pfalz und wie stellen wir die Biotechnologie in Rheinland-Pfalz auf, um die zukünftigen Herausforderungen der Menschheit und der Gesellschaft zu adressieren? Und Biotechnologie wird mit Lösungen dazu beitragen, dass wir das adressieren können.
Tobias Göpel: Jetzt haben Sie gesagt, dass die Biotechnologie schon eine größere Vergangenheit im Rheinland-Pfalz hat. Ist das jetzt so? Der rosa Elefant weiß gerade, was das Thema ist, dass wir plötzlich draufkommen. Oder haben wir einfach in der Vergangenheit uns zu wenig darauf konzentriert oder geklappert, darüber gesprochen?
Eckhard Thines: Sie sagen jetzt geklappert. Ich habe das neulich in dem Interview gesagt. Wir klappern zu wenig. Ich fange mal an bei den Kollegen von Boehringer und bei den Kollegen von VW in Ludwigshafen. Das sind wunderbare Kollegen, die tolle Forschung machen, um zum Beispiel Krebs, neurodegenerative Krankheiten, Diabetes zu adressieren. Es geht weiter mit Nowowasweißich. Und wir haben die BASF in Ludwigshafen, dass sie, wenn sie die Gänze dieser ganzen Firmen mal zusammennehmen und ich habe jetzt nur die größten genannt, das hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es müssen wir die Kollegen nachsehen, die, die sie jetzt nicht genannt schön an, dann, dann ist das wirklich viel, viel Masse. Was wir in Rheinland-Pfalz, in Biotechnologie haben und das nicht nur in Pharma, sondern auch in anderen Sparten. Und ja, ich bin der Meinung, wir haben in der Vergangenheit vielleicht nicht genug darauf hingewiesen, dass das alles biotechnologische Ansätze sind und was da für ein Zukunftspotenzial auch drin liegt. Es gilt natürlich auch in der Biotechnologie eine Akzeptanz in der Bevölkerung und in der Gesellschaft zu schaffen.
Tobias Göpel: Ist das dann jetzt Ihr Job als Koordinator, so ein Botschafter zu sein für Verständnis und für mehr Klappern?
Eckhard Thines: Das würde ich ganz stark hoffen und auch annehmen. Ja, ist der der Job des Landeskoordinators ist ja so ein Job, den man vergleichsweise frei interpretieren kann. Und ich meine, jetzt möchte man so einen Standort weiterentwickeln. Entwickeln würde ich nicht sagen weiterentwickeln, weil ich habe ja jetzt schon ausgeführt, dass wir ganz viele starke Player am Standort haben. Und wenn sie das tun, dann machen sie es auf verschiedenen Ebenen. Zum einen machen sie das auf der Ebene der Forschenden an Fachhochschulen, Universitäten, in außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die Forschung geht weiter. Ich habe über Anwendungsbereiche geredet. Dann redet man natürlich auch mit den Forschenden in der Industrie. Man macht Outreach. Das ist eine ganz, ganz wichtige Geschichte. Und ich glaube, dass das etwas ist, was jetzt auch an mir liegt, dass man das stärkt und weiter fördert. Dazu kommt noch, dass wir natürlich, wenn wir den Standort weiterentwickeln, auch über Marketing reden müssen. Wir müssen über eine Start-up-Kultur reden, über Transferstrategien müssen wir reden. Und das sind verschiedene Ebenen. Und diese Ebenen miteinander zu vernetzen und zu koordinieren, halte ich für sehr wichtig. Dazu kommt noch, dass wir jetzt auch hier am Standort wahnsinnig viel in Infrastruktur, Geräte und Gebäude investiert haben. Und auch da gilt es zu vernetzen und zu koordinieren. Wie passt das zusammen? Welche Bedarfe hat man? Und so weiter und so fort. Und last but not least, das ist auch eine ganz, ganz wichtige Sache für mich an der Stelle, wenn man koordiniert oder vernetzt, dann gilt es natürlich auch, dass man Vorschläge macht und Konzepte entwickelt, dass man als Fachmann einfach Bedarfe identifiziert, neue Herausforderungen identifiziert und basierend auf dieser Analyse dann Konzepte entwickelt. Es ist immer schnell gesagt, man investiert jetzt irgendwie so viel Millionen im Land und dann kann man etwas aufbauen. Ich bin da eher so ein bisschen anders gestrickt. Ich frage eigentlich immer nach Konzepten und dann fragt man nach den Ressourcen, die man braucht, um diese Konzepte zu erfüllen oder die Ziele zu erreichen. Und da sehe ich tatsächlich meine Aufgabe als Landeskoordinator. Und natürlich auch, um der Politik zu vermitteln, was es für den Forschenden oder für denjenigen, der hier als Start-up herkommt, an einem Standort bedarf und was wichtig ist, was man entwickeln muss.
Tobias Göpel: Wo kann ich mir vorstellen, sind Sie verortet? Ist das so etwas Ehrenamtliches neben einer Professur oder sind Sie Ministerialbeamter? Also, in welchem Geflecht stehen Sie dann?
Eckhard Thines: Nein, ich bin ordentlicher Professor an der Johannes Gutenberg-Universität, und ich mache das tatsächlich im Ehrenamt. Diese Koordinationsstelle ist ein Ehrenamt der Landesregierung, und ich fühle mich sehr geehrt, dass man mich damit betraut hat. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass es wirklich wichtig ist, dass das von jemandem aus der Biotechnologie administriert wird. Es braucht ein bisschen Fachkompetenz, um auch aus Sicht der Forschenden sagen zu können, hier geht die Reise hin, und hier haben wir den entsprechenden Bedarf.
Tobias Göpel: Wobei das jetzt schon nach einer Menge Aufgaben klingt und auch eher nach längeren Abenden.
Eckhard Thines: Ja, das ist so. Zusätzlich leite ich auch noch ein Forschungsinstitut und bin auch noch Dekan der Biologie. Aber wenn Sie das auf der anderen Seite sehen, ist diese Fülle an Aufgaben und Jobs, die man hat, auch eine gigantische Chance. Man kann gestalterisch auch etwas tun, und das ist an der Stelle ohne Zweifel zeitintensiv, aber auch eine tolle Herausforderung.
Tobias Göpel: Das klingt gut. Haben Sie da einen Überblick, wie viele Biotech-Unternehmen derzeit überhaupt in Rheinland-Pfalz tätig sind? Erfassen und nicht namentlich nennen, aber so eine grobe Zahl, wie viele gibt es?
Eckhard Thines: Das ist schwierig. Das ist deswegen schwierig, weil es keine klare Definition gibt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn Sie die Firma Röhm in Worms anschauen, die Absorber herstellt, mit denen man molekulare Stoffe aus dem Abwasser klären kann, würden Sie sagen, dass es Biotechnologie ist? Schon, aber das würden nicht alle sagen. Und das ist ein bisschen schwierig, da die Trennschärfe reinzukriegen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir zehn große Player in Rheinland-Pfalz haben, auf die ich wahnsinnig stolz bin, und dass wir sicherlich noch mal 20-30 Biotechnologie-Firmen in Rheinland-Pfalz haben, die mittelgroß sind. Das alles ist schon wirklich gut für ein Bundesland.
Tobias Göpel: Also, ich glaube, die meisten Menschen denken bei dem Begriff Biotechnologie an ein Unternehmen in Mainz, an den mRNA-Impfstoff. Der Geldsegen war nicht nur für Mainz selbst, sondern auch für andere Orte. In Rheinland-Pfalz Kronach ist nun vorbei, der Geldsegen auch. Was können wir von der Biotechnologie zukünftig erwarten? Gibt es noch mal einen Schub oder wird es jetzt ganz entspannt weiterplätschern und eher wissenschaftliche Erfolge geben?
Eckhard Thines: Lassen Sie mich kurz auf Ihre Frage eingehen. Die moderne Technologie hat uns neue Perspektiven eröffnet. Das ist die neue therapeutische Möglichkeit, die wir vorher nicht hatten, und die wird bleiben. Das ist der erste Teil der Antwort. Aber ansonsten bin ich fest überzeugt, dass wir uns in Zukunft auch auf neue Möglichkeiten bei der Behandlung von Krankheiten, chronischen Krankheiten, von Krebs, von neurodegenerativen Krankheiten, von Diabetes freuen können. Es werden wissenschaftliche Grundlagen gelegt. Ich habe jetzt darüber gesprochen, dass wir hier eine neue therapeutische Möglichkeit haben. Ob man RNA nimmt, therapeutische Antikörper oder molekulare Wirkstoffe – die Art, also es gibt einen Anfang, eine Bandbreite an Möglichkeiten, wie wir neue therapeutische Ansätze finden können. Und da können wir noch viel von der Biotechnologie erwarten. Ich habe bisher nur über Pharma gesprochen. Biotechnologie ist ja so eine Sache. Es wird oft von roter Biotechnologie gesprochen, wo wir Biomedizin oder Pharma verstehen. Aber wir haben auch die weiße und die grüne Biotechnologie. Lassen Sie mich betonen, dass es wichtig ist, die Biotechnologie nicht so zu verstehen, dass man für jede dieser Indikationen alles neu machen muss. Biotechnologie bietet Infrastruktur, Ressourcen und Möglichkeiten, die man in den verschiedenen Bereichen gemeinschaftlich nutzen kann. Und das tun wir am Standort. Wir bauen eine Infrastruktur auf, setzen Ressourcen und Kompetenzen ein, die man nicht nur in roter oder grüner Biotechnologie, sondern auch in weißer Biotechnologie nutzen kann. Sie fragen, was können wir von der Biotechnologie noch erwarten? Ich erwarte, dass die. Die jungen Leute gehen auf die Straße wegen Klimaschutz, auch hier, wenn sie den European New Deal sehen. Und wenn sie die Herausforderung im Green Deal sehen? Ich bin fest überzeugt, dass in der weißen und grünen Biotechnologie Lösungsansätze geboten werden, die auch dazu beitragen, dass wir dem European Green Deal gerecht werden. Und das ist für mich auch etwas abseits von Pharma und roter Biotechnologie, was ein hohes Gut ist und wo ich mir viel Potenzial erwarte. Wir wollen der erste klimaneutrale Kontinent werden, und Biotechnologie wird einen Beitrag leisten. Ganz sicher.
Tobias Göpel: Jetzt haben Sie die drei Felder angesprochen. Ich weiß aus dem Pharmabereich, Forschung kostet viel Geld. Bis 2026 will die Landesregierung 800 Millionen € in den Biotechnologiestandort investieren. 800 Millionen sind einerseits viel, andererseits vor dem Hintergrund, was Forschung kostet, kann man auch sagen, es ist nett. Wofür wird das Geld verwendet?
Eckhard Thines: Das ist ein abendfüllender Vortrag. Die Zeit haben wir jetzt nicht, aber ich würde an der Stelle gerne drei große Schwerpunkte setzen. Das eine ist Gebäudeinfrastruktur. Als diese Biotechnologie-Initiative des Landes ins Leben gerufen wurde, war die erste Frage nach und nach Raum. Also, wo finden wir eigentlich Raum für Firmen, für Start-ups, für Forschungsgruppen, für Nachwuchsgruppen, die sich hier ansiedeln wollen und die hier Biotechnologie machen wollen? Hier hat die Landesregierung vehement investiert. Ich nenne jetzt nur die Universitätsmedizin als Beispiel. Also da ist sehr, sehr viel in Gebäudeinfrastruktur investiert worden und Gebäudeinfrastruktur. Es ist nun mal wichtig. Sie haben es angesprochen, Biotechnologie ist teuer. Wenn wir etwas programmieren wollen, brauchen wir ein Büro und zwei Computer. Wenn wir Biotechnologie machen wollen, brauchen wir eine Infrastruktur, die auf dem technisch cutting-edge Niveau sein muss und die auch permanent weiterentwickelt werden muss. Und da geht leider viel Geld rein. Das muss man als Invest einfach nehmen und damit aber auch Möglichkeiten schaffen, auch für Start-ups. Und da bin ich bei der Forschungsinfrastruktur als Punkt 2 Forschungsinfrastruktur. Für die gilt eigentlich genau dasselbe wie für Gebäudeinfrastruktur. Wenn wir an dieses Beispiel noch mal denken mit diesen Start-ups, kein Start-up kann sich jetzt die neueste Technologie im Bereich von, ich sage mal, hochauflösender Mikroskopie oder von Mikroskopie leisten. Was wir gemacht haben: Wir haben hier am Standort ein Mikroskopie-Center errichtet, wo sie die modernsten Mikroskope bis hin zum Nobelpreis-Mikroskop finden. Und Start-ups haben die Möglichkeit, das zu nutzen. Und das ist wichtig, dass das junge Leute, junge Menschen mit kreativen, innovativen Ideen an Standort kommen und dort alles vorfinden, sodass sie in möglichst kurzer Zeit wettbewerbsfähig werden. Das ist der Dreh- und Angelpunkt. Also, wenn wir das hinkriegen und da ist viel Geld reingeflossen, dann wird dieser Standort auch wirklich vernünftig und nachhaltig weiterentwickelt. Und das dritte sind Forschungsinitiativen. Auch da ist natürlich irgendwo muss Kreativität und müssen innovative Ideen herkommen und da muss man auch Geld in die Hand nehmen, um Forschungsinitiativen zu starten und zu lancieren. Sie wissen, wir hatten eine Studie von der Unternehmensberatung Roland Berger, um einfach auch zu schauen, ob die Maßnahmen, die wir jetzt begonnen haben, zielführend sind und den Bedarf tatsächlich adressieren. Und da wurde auch klar gesagt: Wir müssen Stärken, stärken und die stärken, also die Rote Biotechnologie, Pharma, Biotechnologie ist natürlich eine Stärke in diesem Bundesland. Und Forschungsinitiativen, die in diese Richtung gehen, wurden auch initiiert und angeschoben. So, sodass wir uns von da auch ganz viel Innovation und neues Potenzial erwarten.
Tobias Göpel: Jetzt klingt das gut für Unternehmen, für Start-ups. Infrastruktur wird aufgebaut. Aber wie profitieren die Menschen im Land konkret aus Ihrer Sicht von dieser Entwicklung, von Neuansiedlung und Förderung?
Eckhard Thines: Ja, die Menschen im Land profitieren natürlich. Das haben wir bei Biotech gesehen, dass ein hochattraktiver Markt entsteht, dass Produkte mit hoher Wertigkeit entstehen und mit einem hohen Marktpotenzial. Und dass mit diesem Markt natürlich auch ein wahnsinnig attraktiver Arbeitsmarkt nach Rheinland-Pfalz kommt. Das ist für die nächste Generation ganz entscheidend. Sie haben mich am Anfang gefragt, was meine Motivation ist, jetzt noch einen Job anzutreten. Also ich glaube, wir sind an der Universität, aber auch als Gesellschaft der nächsten Generation verpflichtet. Und diese nächste Generation kriegt hier eine echte Perspektive. Wir kriegen hier einen Arbeitsmarkt mit tollen Arbeitsplätzen für qualifizierte junge Menschen. Und ich habe schon gesagt, dass es nachhaltig die Wachstumsprognosen für diesen Arbeitsmarkt sind sehr, sehr gut. Also man geht davon aus, dass sich das vom Jahr 2020 bis zum Jahr 2030 verdoppeln wird. Und damit kommt eben diese Perspektive für die nächste Generation.
Tobias Göpel: Am Ende geht es ja um Jobs in Start-ups. Innovation und Forschung bedeuten ja auch ein gewisses Niveau. Welche Qualifikationen müssten denn diese Menschen dann mitbringen? Können es nur Akademiker sein, die dann da infrage kommen, oder auch andere?
Eckhard Thines: Nein, natürlich nicht. Also auch andere. Natürlich müssen wir, wenn wir an den Arbeitsmarkt denken, auch an technisches Personal denken. Technische Assistenten, Ingenieure, Laboranten. Das müssen wir mitdenken, das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir auch über Ausbildung reden. Und wenn Sie mir dann auch noch erlauben: Wir hatten, wenn man so an der Uni sitzt und man diskutiert über neue Ausbildungsgänge und wo gibt es einen Bedarf und wo sind wir stark und wo wir? Sind wir nicht so stark? Dann schaut man ins Bundesland und wir sind der Meinung, dass wir in allem, was in die experimentelle Richtung geht, eigentlich im Bundesland sehr, sehr stark sind. Das ist eine Stärke. Also wenn Sie Mainz gucken, dass es eher molekular orientiert ist. In Kaiserslautern haben Sie sogar eine Bioverfahrenstechnik, die wir hier gar nicht haben. Das ist toll, weil es über das Land hinweg gut verteilt ist. Wir haben dann aber auch gesehen, dass alles, wo es Richtung Administration geht, wo es Richtung Regulatory Affairs gibt, wo es Richtung Patentrecht und IP geht. Dass es da durchaus noch einen Bedarf gibt und den gilt es natürlich auch zu adressieren. Also es ist nicht damit getan, dass man jetzt in Bezug auf die Laborarbeit Laboranten, technische Assistenten, Ingenieure und Akademiker für Research and Development ausbildet, sondern man braucht auch für die administrativen Aufgaben geschultes Personal. Und da sind wir auch bemüht und bestrebt, Angebote zu finden und zu definieren, die dem Arbeitsmarkt in dem Bezug dann eben gerecht werden.
Tobias Göpel: Das Land klagt ja jetzt schon über Fachkräftemangel. Wo sollen die eigentlich dann alle herkommen? Also die Unternehmen, die da sind, haben schon keine und jetzt kommen noch neue Unternehmen dazu. Was wäre so Ihr Wunsch, wo die Leute herkommen oder was bedeutet das für uns?
Eckhard Thines: Das ist auch eine Frage, die man ganz vielschichtig beantworten kann. Das fängt schon an bei der intensiven Werbung, die wir machen müssen in Schulen. Dass die jungen Leute sich für MINT-Fächer interessieren, Biotechnologie in Schulen bringen, ist nicht einfach, weil Biotechnologie eben sehr apparate- und geräteintensiv ist. Und das können sich viele Schulen nicht leisten. Da gilt es, Angebote zu entwickeln und junge Leute zu adressieren und zu interessieren. Ich meine, alles geht über Motivation. Und Sie haben gefragt, ob der Fachkräftemangel für uns irgendwie so eine Schwierigkeit darstellen würde? Das tut es ohne Zweifel. Das können wir nicht schönreden. Aber wir haben das identifiziert. Und wenn man etwas identifiziert hat, dann kann man es auch adressieren. Und das tun wir. Wir haben neue Studiengänge geschaffen, natürlich zunächst für Akademiker in Research and Development. Wir reden gerade darüber, wie wir attraktive Angebote schaffen können für die Ausbildung bzw. Laborantenausbildung. Den jungen Leuten muss man eine Perspektive zeigen. Wenn sie die nächste Generation anschauen, dann brauchen sie eine Perspektive. Und für mich kommt diese Perspektive auch aus einem Weiterbildungsangebot. Junge Leute heute wollen nicht mit 23 ausgelernt haben und dann keine weiteren Entwicklungsperspektiven haben. Die wollen sehen, dass es ein Weiterbildungsangebot gibt. Ich kann zusätzlich zu meinem Job noch über ein Fernstudium oder andere weiterführende Qualifizierungsmaßnahmen mich weiter qualifizieren und damit auch wieder Aufstiegschancen haben. Da wird die Sache attraktiv. Also wir reden, Wir reden nicht nur über universitäre Ausbildung, über Schulbildung oder über Thema Ausbildung, Laboranten, Ausbilder, sondern wir reden auch über Zertifikate und Programme, über Weiterbildungsprogramme, mit denen wir die Leute weiter und zusätzlich qualifizieren kann. So, das war der eine Punkt. Okay, der zweite Punkt, den ich auch nicht unerwähnt lassen möchte, ist Internationalisierung. Das ist für mich auch eine ganz, ganz wichtige Geschichte. Und zwar nicht nur, um junge Leute aus dem Ausland hierher zu kriegen, gute Köpfe hierher zu kriegen, was wir ohne Zweifel wollen, aber auch um unseren jungen Leuten am internationalen Markt internationale Forschung zu zeigen und sie auch dann dementsprechend zu qualifizieren. Märkte sind international, die Ausbildung sollte es auch sein und auch darüber schaffen wir wieder Interesse. Auch darüber schaffen wir wieder Bekanntheit. Und ich bin fest überzeugt, dass wir auch darüber wieder Fachkräfte zu uns motivieren können. Ich halte das für dringend notwendig. Aber Sie sehen jetzt an meiner Rede auch schon, dass die Problematik erkannt ist und dass wir auf verschiedenen Ebenen versuchen, das auch zu adressieren.
Tobias Göpel: Der Fachkräftemangel kann ja ein Stolperstein auf dem Weg zum Erfolg sein. Sehen Sie noch weitere Herausforderungen?
Eckhard Thines: Es gibt immer Herausforderungen. Biotechnologie ist dynamisch. Es wird eine Herausforderung sein, neue Felder zu entdecken oder zu identifizieren und sie zu adressieren. Es wird eine Herausforderung sein, zu konsolidieren und zu schauen, wie kriegt man bestehende Techniken oder bestehende Infrastruktur so in den Markt, dass damit auch für Firmen hier ein attraktives Umfeld entsteht. Es gibt die Herausforderung, dass wir zum Beispiel in wettbewerblichen Projekten am Standort für Firmen attraktiv werden. Und das rede ich nicht nur von den rheinland-pfälzischen Firmen, sondern ich rede auch von den restlichen Firmen, die wir haben bzw., die im Bereich Biotechnologie unterwegs sind. Also wenn Sie, wenn Sie an Firmen denken, die jetzt in Bioökonomie arbeiten, dann muss auch hier klar sein, dass wir ein attraktives Angebot hier in Rheinland-Pfalz haben, sowohl in Forschung als auch in Infrastruktur als auch in Flächen. Und wie kriegen wir die Leute hier her? Und das kann zum Beispiel über solche wettbewerblichen Projekte sein. Es kann über Tagungen und Meetings sein. Es gilt, Bekanntheit zu schaffen, und auch da sind wir auf einem guten Weg. Eine weitere Herausforderung. Ich habe jetzt gesagt, dass wir, dass wir stark sind, wenn Sie an die großen Player denken und auch so ein bisschen, wenn Sie an so mittelgroße Firmen denken. Ich glaube, eine Herausforderung wird sein, immer mehr Gründerkultur zu entwickeln. Das da sind wir einfach nicht dort, wo die Amerikaner sind. Und das ist etwas, was wir in Deutschland entwickeln müssen und nicht nur in Rheinland-Pfalz, Gründerkultur, Start-ups. Wie kann ich aus meiner akademischen Forschung eine Anwendung machen? Das sind so Dinge, die bei uns kulturell, historisch nicht wirklich gut gewachsen sind. Und als Mikrobiologe hat man da so einen anderen Ansatz. Ich erinnere immer an Louis Pasteur, der gesagt hat, Es gibt keine anwendungsorientierte Forschung, es gibt nur die Anwendung von Grundlagenforschung. Und ich würde mir wünschen, dass wir das wird es besser verstehen und mehr unsere Forschung dann auch in die Anwendung in Form von Start-ups und neu zu gründenden Firmen reinbringen. Das sind Herausforderungen, aber die nehmen wir an sehr gut.
Tobias Göpel: Meine letzte Frage: Wenn ich Ihnen per Fingerschnipsen einen Wunsch erfüllen könnte, welcher wäre das?
Eckhard Thines: Das ist ein Running Gag. Bei meinen Vorträgen, die ich jetzt vergleichsweise häufig halte, habe ich immer den, den englischen Wikipedia-Eintrag über das Land Rheinland-Pfalz. Wenn Sie das nämlich nachlesen, dann steht da irgendwo: Rheinland-Pfalz is known for its wine and sparkling wine. Ich würde mir wünschen, dass wir da irgendwann lesen könnten: Rheinland-Pfalz is known as a Biotechnologie, pop up etc., known for its wine and sparkle, beautiful, open-minded, tolerant World citizen und ich hätte das gerne, dass wir das auf dem Platz hinkriegen und nicht mit nem Fingerschnipp oder mein Teenager zu Hause der Wikipedia editiert. Das müssen wir schon sportlich machen und ich bin fest überzeugt, dass wir es auch hinkriegen.
Tobias Göpel: Die Biotechnologie ist in Rheinland-Pfalz im Aufwind. Lieber Thines, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Einblicke zu diesem Thema.
Eckhard Thines: Ihnen ganz herzlichen Dank!

Eine Frau arbeitet mobil von zuhause.

Mobiles Arbeiten verspricht Freiheit und Flexibilität, doch es droht die Gefahr der sozialen Erosion. Wie lässt sich verhindern, dass das Sozialgefüge im Betrieb bröckelt oder die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verwischen? Dr. Josephine Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO erklärt in der neuen Folge des Podcasts Wir. Hear., wie sich der Zusammenhalt bewahren lässt. 
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Tobias Göpel: Mobiles Arbeiten ist überaus beliebt, keine Frage. Doch es hat auch klare Nachteile. Die soziale Erosion. Und, es kann auch nicht jeder tun. Was das heißt und was Arbeitgeber und Beschäftigte dagegen tun können, hören Sie in dieser Folge. Willkommen bei Wir.Hear., dem Podcast zur Chemieindustrie im Wandel. Mobiles Arbeiten ist gekommen, um zu bleiben. Das geht aus einer Studie der Chemie Sozialpartner hervor. Und darum geht es auch heute um das mobile Arbeiten. Eine Arbeitsform, die Freiheit und Flexibilität verspricht. Da zu arbeiten, wo man auch lebt, spart Zeit und bietet Komfort. Doch es stellt uns auch auf die Probe, zum Beispiel bei der Teambildung oder der Work-Life-Balance. Durchgeführt wurde die Studie durch das Fraunhofer Institut IAO, und ich freue mich besonders auf Josefine Hofmann vom Fraunhofer Institut. Sie ist Expertin für mobiles Arbeiten. Vielen Dank für Ihre Teilnahme an diesem Podcast.
Josephine Hofmann: Sehr gern.
Tobias Göpel: Was war für Sie besonders spannend oder interessant an dieser Studie?
Josephine Hofmann: An dieser Studie war für uns zum einen interessant, dass sie durch die Sozialpartner sehr partnerschaftlich getragen und durchgeführt wurde. Es war auch methodisch interessant durch die Auswahl der Betriebe, soweit ein bisschen Sozialwissenschaft. Inhaltlich fragen Sie mich eher, ob sich die Entwicklung, die wir auch in anderen Studien sehen, erneut bestätigt hat. Nämlich, dass einerseits mobiles Arbeiten sich großer Beliebtheit, hoher Nachfrage und guter Produktivität erfreut. Auf der anderen Seite, wenn man Führungskräfte und Mitarbeitende befragt, lesen wir zunehmend und auch in dieser Studie Dinge heraus, die wir mit dem Stichwort "soziale Erosion" überschrieben haben. Damit meinen wir eine Vielzahl von Indikatoren, die das zusammenfassen, was unser tägliches Miteinander in einem Unternehmen bei einem Arbeitgeber ausmacht und uns zu einer Sozialgemeinschaft macht. Ein Unternehmen ist auch ein sozialer Ort, wo ich mich hoffentlich gebunden fühle, etc. Und da haben wir einige Anzeichen für nachlassende Hilfsbereitschaft, das Nicht-mehr-mitbekommen, wie es den Kollegen geht. Das haben wir tatsächlich auch in dieser Studie wieder herausarbeiten können. Und das sind natürlich Dinge, die man im Blick haben muss, um die langfristige Entwicklung trotzdem gut zu gestalten.
Tobias Göpel: Also die Studie kann man auf der Website vom Fraunhofer nachlesen. Deswegen will ich mit Ihnen noch gar nicht alles durchgehen, sondern nur drei Punkte. Und die soziale Erosion ist für mich in der Tat auch so ein auffälliger Punkt. Wer zu Hause arbeitet, hat weniger Kontakt zu den Kollegen. Im Zweifelsfall kommt irgendwann die Frage, die man sich selber stellt, warum der Betrieb nicht der andere ist. Die Tätigkeit ist ja die gleiche, wenn wir jetzt Buchhaltung oder Ähnliches nehmen. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht für das Team und wie sollten Führungskräfte darauf reagieren?
Josephine Hofmann: Man muss zum einen sagen, dass das nicht passieren muss. Man kann natürlich auch über Distanz gute Nähe behalten und engen Kontakt pflegen. Der Punkt ist, es findet einfach zum großen Teil nicht statt. Und was muss man tun? Man muss genau dem begegnen, an Arbeiten. Also man muss sich gut überlegen, wo und wie häufig sprechen wir uns vielleicht auch mal ohne Anlass? Wie gestalten wir vielleicht auch hybride Meeting-Formate, damit wir wirklich miteinander im Gespräch bleiben? Wie kann ich als Führungskraft dafür sorgen, dass meine Ansprechbarkeit trotz allem gleich gut bleibt? Dass ich auch wirklich weiß, die Leute können mich jederzeit zum Beispiel kontaktieren. Ich kann mich aber auch mal bei ihnen melden, auch mal ohne Grund, ohne dass sie einen Schreck kriegen, sondern einfach, um sozusagen in diesem täglichen Gespräch zu bleiben, was sonst verloren geht. Über die Distanz ist dieses Mal eben über den Schreibtisch reden, ist man eben an der Kaffeeküche sagen: "Mensch, habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Wie läuft eigentlich XY über Z?" Das sind genau die Gespräche, für die sie heutzutage keine Teams-Konferenz oder keinen Video-Call aufsetzen, sondern Tablets. Das machen sie halt nicht. Und in der Summe all dieser kleinen Gelegenheiten geht doch eine Menge an Anbindung, an vielleicht auch Austausch von Wissen, ganz sicherlich und ein Stückweit natürlich auch an zufälliger Begegnung und der Möglichkeit, gemeinsam neue Ideen zu entwickeln.
Tobias Göpel: Aus einem Mitgliedsunternehmen habe ich dann im Gespräch das Beispiel gehört, dass sie sich ganz bewusst treffen über Teams, also digital, um sich nur über Privates auszutauschen. Mal so 20 Minuten. Einerseits kann es gut sein, andererseits aber so gestellt. Ich weiß, an diesem Punkt muss ich plötzlich privat sein. Ist das denkbar? Oder hätten Sie da noch andere Ideen, wie man so etwas umsetzen könnte?
Josephine Hofmann: Sie sprechen schon wichtige Punkte an, die wir vor allem in der heißen Phase gesehen haben. Also da hat man von virtuellen Weihnachtsfeiern bis zu virtuellen Geburtstagsfeiern alles erleben dürfen, aus der Not heraus. Es ist auf jeden Fall eine gute Idee, glaube ich, für diesen privaten Austausch Zeit zu reservieren und nicht so im durchgetakteten Kalender durch den Tag zu hopsen und zu sagen, mit drei Minuten überzogen, eigentlich sind Sie schon wieder im nächsten Meeting und muss unbedingt raus, weil wir wissen, die wirklich interessanten Gespräche oft oder das Private. Das kommt so, wenn man seine Sachen zusammenpackt und zusammen sozusagen zum Aufzug läuft. Man kann, glaube ich, schon versuchen, das ein Stück weit zu institutionalisieren. Die virtuelle Kaffeeküche, da gibt es ja tausend Dinge. Ich glaube, man sollte sich von der Idee verabschieden, dass man da einmal etwas einführt und es immer funktionieren wird. Ich glaube, man muss da vor allem viel Kreativität aufbringen und auch viel ausprobieren. Und man muss es sich auch trotzdem damit abfinden, dass es bestimmten Leuten leichter fällt und andere Leute damit auch fremdeln. Also ich glaube auch die unterschiedlichen Grade in der Kommunikationsaffinität kommen natürlich noch mal etwas stärker zum Ausdruck. Aber was ich sagen will? Also dranbleiben und Kommunikation eben nicht als Zeitverschwendung betrachten, sondern als ganz wichtige Zutat für ein gutes Miteinander.
Tobias Göpel: Also dieser Gewöhnungseffekt, oder? Es ist nicht für jeden was, könnte ich mir vorstellen, dass die Jüngeren eher dazu tendieren zu sagen: "Hey, das ist okay, damit bin ich ja mehr oder weniger großgeworden," und die Älteren fremdeln eher damit. Ist das etwas, wo es passt oder nicht? Dass es gemischt.
Josephine Hofmann: Also bei diesem Thema gibt es eine Menge an Vorurteilen. Natürlich ist es so, dass Jüngere anders sozialisiert sind, vielleicht ein bisschen freier und schneller diese Vielzahl an Kanälen auch wirklich bespielen. Aber ich glaube, es ist vor allem auch eine Persönlichkeitsfrage. Ein Stück weit ist es aber auch eine Frage vom privaten Setting daheim, was ich da mache und was nicht. Wird es weniger an Altersgruppe festmachen, sondern wirklich eher an Persönlichkeitsmerkmalen, an persönlicher Lebenssituation? Und das wissen wir auch. Also ich sag jetzt mal die Mutter, die nebenher zwei Kinder betreut und einen sehr vollen Tag hat, die sitzt ganz anders auf Kohlen. Wie der Mittfünfziger, der daheim allein in seinem schönen Arbeitszimmer in Ruhe vor sich hin arbeiten kann. Was ich glaube, da ist ganz viel auch die private Lebenssituation entscheidend. Und wichtig ist auch, darüber im Gespräch zu bleiben und trotzdem immer wieder Gelegenheiten zu finden, sich zu sprechen und natürlich auch einen guten Mix aus persönlicher Begegnung und dann eben Arbeit über Distanz auch tatsächlich zu finden.
Tobias Göpel: Stichwort Teambuilding. Das ist jetzt eine Möglichkeit, das Team zusammenzubringen durch gemeinsame Aktionen. Viele Arbeitgeber befürchten, dass es wieder Zusatzkosten ergibt, weil man dann vielleicht einen Tag frei machen muss oder man am Wochenende unterwegs ist, dann etwas bezahlt, wo die Leute unterwegs sind. Kollegen machen von sich aus intrinsisch motiviert bowlen gehen oder sich mal so treffen abends zum Kochen. Können Sie dazu etwas sagen, was es da so für Tendenzen gibt, welche Bandbreite besteht und was gegebenenfalls auf Unternehmen zukommt?
Josephine Hofmann: Ja klar, es gibt Unternehmen, die so etwas auch großzügig sponsern. Da kann es natürlich auch eine Frage des Geldes sein. Und meiner Meinung nach ist Privatsache Privatsache. Wenn Kollegen dort etwas machen, dann ist es schön. Ich finde, man kann es nicht erzwingen. Was man, glaube ich, viel eher machen sollte, auch das ist, glaube ich, Ergebnis dieser Studie, ist sicherzustellen, dass man sich genau überlegt, was machen wir und wo? Und dass man dann zum Beispiel nicht nur im Team festlegt, dass alle zweimal die Woche reinkommen. Da kann es ja sein, dass man sich trotzdem sieht, weil der eine donnerstags freitags kommt und der andere dienstags mittwochs, sondern dass man sagt, wir treffen uns auf jeden Fall alle am mittwochs, dienstags. Und dass man dann aber auch überlegt, was machen wir an dem Tag? Also dann eben nicht auf die Idee verfallen zu sagen, wir kommen am Mittwoch, aber wir verschwinden alle in unseren Büros und machen auch ein Meeting nach dem anderen mit Menschen, die woanders sitzen. Sondern genau gucken, wie wollen wir diese gemeinsame Zeit so nutzen, dass wir auch dort einen Mehrwert erleben? Und da kann man dann, da muss man nicht abends bowlen gehen. Aber natürlich kann man da zum Beispiel einen verlängerten Jour fixe machen, sich mal ausführlicher über Projekte oder über spannende Sachen erzählen und dann natürlich einpreisen, dass man sagt, wir gehen auf jeden Fall alle miteinander Mittagessen in die Kantine oder wir bestellen reihum den Pizzaservice oder wir bringen reihum Kuchen mit. Oder wir machen einmal im Monat ein gemeinsames Frühstück und jeder bringt ein paar Sätze mit und einen Kaffee. Das sind alles Dinge, die haben nicht so einen wahnsinnigen Aufwand. Ich glaube, der ist auch gut. Aber man muss sich da schon auch drum kümmern. Also zu glauben, dass es von selber kommt, weil man irgendwo ein kommunikatives Naturtalent hat, darauf würde ich mich nicht verlassen.
Tobias Göpel: Die soziale Erosion betrifft ja nicht nur die Teams an sich, die zusammenarbeiten, sondern mit Blick auf die gesamte Belegschaft. In dem Betrieb gibt es auch die Situation, dass manche Mitarbeiter keine Option für mobiles Arbeiten haben, also die klassischen Produktion. Ist das aus Ihrer Sicht akzeptiert, dass es die einen mehr können als die anderen? Oder gibt es da eher ein Gefühl der Ungerechtigkeit nach dem Motto "Ich muss in den Betrieb und die anderen können zu Hause bleiben"?
Josephine Hofmann: Das ist auf jeden Fall ein Diskussionsthema, und es ist natürlich, glaube ich, schon sehr stark nochmal aufgetreten, besonders in dieser extremen Corona-Situation, wo ja auch noch ein paar andere Sachen dran hängen. Es ging nicht nur darum, dass die einen daheimbleiben dürfen und die anderen nicht, sondern auch darum, dass die einen in Europa einsteigen müssen und sich dort vielleicht infizieren. Das Ganze war auch durch andere Nebeneffekte überformt, die man in normalen, nicht pandemischen Zeiten nicht hat. Es ist jedoch so, dass Unternehmen mit gemischten Teams zunehmend überlegen müssen, was sie den Mitarbeitern bieten können. Natürlich können wir nicht die Klimaanlage ins Wohnzimmer stellen – das wird auch bis auf Weiteres nicht machbar sein. Aber vielleicht können wir darüber nachdenken, Produktionsnahe Tätigkeiten anders zu organisieren und zumindest ein wenig Flexibilität anzubieten. Es wird derzeit viel unternommen, um alternative Arbeitszeitformen und mehr persönliche Flexibilität anzubieten. Dies ist einer der Gründe, warum die Diskussion über die Vier-Tage-Woche derzeit so viel Aufmerksamkeit erfährt. Sie wird plötzlich auch für Pflegekräfte oder Klimaingenieure attraktiv, weil sie eine andere Flexibilität verspricht. Es ist natürlich eine immanent vorhandene Tatsache, und man muss schon sagen, dass man nicht erwartet, dass sich in zwei Jahren etwas ändert, wenn man seinen Dienst antritt. Aber das entbindet den Arbeitgeber nicht von der Notwendigkeit, gut zu überlegen, was er den verschiedenen Beschäftigtengruppen spezifisch anbieten kann, um Wertschätzung und Flexibilitätspotenziale zumindest in gewissem Maße anzubieten.
Tobias Göpel: Die Vier-Tage-Woche ist ein interessantes Stichwort. Der Eindruck, den ich habe, ist, dass alle sie am liebsten haben möchten, um mehr Zeit für sich zu haben. Das ist an sich okay, aber in Kombination mit Fachkräftemangel und der Notwendigkeit, Chemieanlagen vollständig auszulasten, entsteht die Herausforderung, dass die Schichten nicht voll besetzt werden können und die Anlagen noch immer vollständig ausgelastet sind. Inwiefern ist das betriebswirtschaftlich noch vertretbar? Haben Sie Lösungsansätze oder Ideen, wie man damit umgehen kann, insbesondere im Verhältnis zum Fachkräftemangel und der Notwendigkeit, die Anlagen vollständig auszulasten?
Josephine Hofmann: Zum einen muss man sagen, es gibt wirklich wenige belastbare empirische Studien dazu; sie laufen gerade erst an. Wir müssen das begleiten und es hängt auch von Mängeln und der Möglichkeit ab, überhaupt mit Personal zu jonglieren. Trotzdem bitte ich, Planungen so zu gestalten, dass Anlagen ausgelastet werden können. Manche Leute sprechen von der Vier-Tage-Woche mit Reduktion der Arbeitsmenge bei gleichem Gehalt. Andere verstehen darunter die Verteilung der Arbeit von fünf auf vier Tage. Das ist ein großer Unterschied, der betriebswirtschaftlich relevant ist. Ein Teil der Debatte geht darum, dass dies ein ungelöster Schritt in die Zukunft ist, den wir noch nicht kennen. Es gibt Befürworter, die sagen, die Vier-Tage-Woche hat das Potenzial, Teilzeit in Vollzeit zurückzuholen, wenn die Arbeit in diesem anderen Modus erledigt werden kann. Das ist eine Idee, die Charme haben könnte, aber ob sie wirklich greift, weiß niemand. Es sind noch nicht genügend Erfahrungen damit gesammelt worden. Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass dies eine Vielzahl von anderen Dingen nach sich zieht. Wenn beispielsweise eine Mutter statt fünf Tagen vier Tage arbeitet, aber dafür länger am Tag, benötigt sie längere Betreuungszeiten im Kindergarten. Es entsteht auch Fachkräftemangel. Daher sage ich nicht, dass dies im Grunde genommen keine richtigen Überlegungen sind. Wir müssen den Mangel intelligent organisieren. Einfach reflexartig zu sagen, dass dies nicht funktioniert, ist meiner Meinung nach nicht die Lösung. Daher befürworten wir Experimente, um zu sehen, welche Effekte sie haben, und dann können wir qualifiziert weiterdiskutieren.
Tobias Göpel: Okay, die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie immer irgendwo in der Mitte, weg von den Extremen. Ich komme nochmal zurück zu den Blue Collar Workers. Ich habe mal den Tipp gehört, dass man die Mitarbeiter mit Schnitzel und Pommes motivieren kann, indem die Kantine zu einem Ort der Begegnung wird. Das war aus meiner Sicht allerdings eher scherzhaft gemeint und zeugte von einer gewissen Ratlosigkeit. Welche Empfehlung hätten Sie, um die Belegschaft als soziale Gemeinschaft zu fördern?
Josephine Hofmann: Also ich sage mal, wenn Sie in unsere Kantine schauen an den Tagen, an denen es Linsen mit Spätzle oder Schnitzel mit Pommes gibt, dann schauen Sie selbst, dass mehr Leute kommen. Ich würde schon sagen, dass da etwas dran ist. Es ist natürlich differenziert und gutes Essen hat eine positive Wirkung. Die Leute sparen Zeit und Geld und werden dennoch vernünftig ernährt. Es ist auch ein Zeichen von Wertschätzung, sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer, wenn sich Mühe gegeben wird, gesundes und gutes Essen anzubieten. Natürlich muss man überlegen, ob es auch ein attraktives Ambiente gibt. Ich gehe gerne in eine Umgebung, in der der Arbeitgeber Wert darauf legt, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen, mit einer modernen Ausstattung und guten Lichtverhältnissen. Das kostet zwar Geld, aber es gibt auch Dinge, die man ohne hohe Kosten umsetzen kann, wie zum Beispiel bestimmte Veranstaltungen mit einem exklusiven Charakter, um die Präsenz zu fördern. Es gibt also eine Vielzahl von Möglichkeiten. Es ist bereits in vielen Diskussionen präsent, dass die Menschen ihre Arbeit an ihr Leben anpassen wollen und nicht umgekehrt. Dies ist durch Corona verstärkt worden, und Arbeitgeber müssen sich langfristig damit auseinandersetzen, dass Mitarbeiter abwägen, wenn der nächste Arbeitgeber nur einen Klick entfernt ist. Es gibt auch andere Tendenzen, insbesondere bei jungen Menschen, die andere Erwartungen an Arbeitgeber haben. Das ist eine Vielzahl von Faktoren, die zusammenwirken, und es ist eine große Aufgabe, der sich viele Arbeitgeber stellen müssen. Es wäre meiner Meinung nach nicht ratsam, einfach zu sagen, dass alle wieder vier Tage die Woche ins Büro kommen sollen. Das erzeugt erfahrungsgemäß den größten Widerstand, da den Menschen etwas genommen wird, ohne vernünftig zu argumentieren. Man muss gemeinsam überlegen, wie man das Miteinander gut gestaltet und attraktiv macht. Es ist nicht nur die Aufgabe des Arbeitgebers, sondern alle müssen dazu beitragen, Führungskräfte und Mitarbeiter, und in das Sozialkapital investieren. Es ist jedoch nicht einfach, den Menschen zu vermitteln, dass kurzfristige Nutzenmaximierung nicht immer die beste Lösung ist. Das ist eine Herausforderung, der wir uns auch in Zukunft stellen müssen.
Tobias Göpel: Das glaube ich auch. Die Botschaft finde ich schön, dass es nicht in der Verantwortung des Arbeitgebers liegt, alles zu tun, dass es passt, und dass jeder seinen Beitrag dazu leisten muss, damit die soziale Gemeinschaft im Betrieb erhalten bleibt. Ich würde eher weggehen vom Betrieb hin zum wirklichen Homeoffice. Stichwort Verantwortung. Diesen Blick auf die Entgrenzung, das wurde ja in der Studie ebenfalls angesprochen. Welche Risiken der Entgrenzung sehen Sie beim mobilen Arbeiten?
Josephine Hofmann: Es gibt Studien, die zeigen, dass die Burnout-Quoten generell steigen, insbesondere für Menschen in problematischen individuellen, sozialen oder familiären Situationen, auch für Alleinlebende. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich dies durch die Entgrenzung verschärft hat. Diese Entgrenzung ist wirklich etwas, was immer stärker zu sehen ist. Das ist die Kehrseite der Flexibilität. Wenn ich zum Beispiel vom Kinderspielplatz aus schnell noch etwas erledigen kann, mischen sich private und berufliche Aktivitäten stark. Dies kann als Vorteil oder Belastung betrachtet werden. Arbeitsmediziner sagen, dass Menschen Pausen brauchen, um sich zu erholen, und dies muss stark sensibilisiert werden. Es geht auch um klare Erwartungen bezüglich der Erreichbarkeit und die Frage, ob es normal ist, Kalender mit zehn Meetings am Tag zu haben. Es ist eher eine Frage der Arbeitsverdichtung und Organisation im Allgemeinen als eine Frage des Arbeitsorts. Die Effekte sind meiner Meinung nach die gleichen.
Tobias Göpel: Arbeitsverdichtung ist durchaus ein Punkt. Aber was ich auch sehr oft höre, ist zu Hause kann ich mich um das kranke Kind kümmern, nebenbei noch die Wäsche waschen, dann habe ich die Bauarbeiter im Haus. Und das kann ja auch zu einer Art Entgrenzung und zu Stresssituationen führen, weil ich dann halt – das haben Sie ja vorhin gesagt – die Telekom ebenso Spülkastenrand, dass sich hier letztendlich Privates und Berufliches so stark vermische, dass ich dann abends um 21:00 total fertig da liege und nichts mehr mache. Hätten Sie da Hinweise, wie man Berufliches und Privates besser trennen kann?
Josephine Hofmann: Klassisches Thema von Zeitmanagement. Wobei ich muss ganz ehrlich sagen, natürlich, ich gehe auch mal zwischendurch runter, wenn ich daheim arbeite, auch mal zwischendurch eine andere Wäsche ein. Aber man muss schon auch mal festhalten: Wir reden hier von bezahlter Arbeit. Man kann nicht gleichzeitig ein Kleinkind hüten und konzentriert arbeiten – das geht einfach nicht. Das kann man mal in einer Notsituation machen oder wenn das Kind 14 ist und sich selber beschäftigt. Aber wir haben hier bezahlte Beschäftigung zu tun, und es sind auch altmodische Bilder, muss ich Ihnen sagen. Wenn man früher über Telearbeit geredet hat, da habe ich immer einen Hals bekommen. Wenn die Journalisten schöne Bilder ausgesucht haben für ihren Artikel, was haben Sie da drauf gesehen? Eine hübsche junge Mutti, die vor dem PC sitzt und ein pausbäckiges Baby auf dem Schoß hat. Da habe ich immer gedacht: Nein, das ist nicht die Idee von Telearbeit. Das ist weder für den Arbeitgeber eine gute Idee, der findet das nicht toll, und das Kind übrigens auch nicht. Also Flexibilität im Sinne von schneller mal irgendwo hingehen können, Ausnahmesituationen managen und Zeiten einsparen – alles völlig in Ordnung. Aber Arbeit ist Arbeit und Freizeit ist Freizeit, und das sollte nicht komplett ineinanderfließen. Zumindestens mal ist es eine medizinische Erkenntnis, dass Menschen Pausen brauchen. Aber auch da muss man ehrlicherweise sagen: Menschen sind sehr verschieden. Und sie sehen auch, dass in unterschiedlichen Lebensphasen sehr unterschiedliche
Tobias Göpel: Ich nehme für mich mit: Arbeitgeber sind tendenziell mehr in der Verantwortung zu prüfen, ob die Häufigkeit der Meetings wirklich noch so gut ist, ob die Arbeitsverdichtung okay ist, und die Beschäftigten sind auch mehr in der Verantwortung zu schauen, ob sie Berufliches und Privates wirklich sauber trennen und sich nicht selbst überfordern, indem sie zu viel auf einmal machen möchten.
Josephine Hofmann: Man muss natürlich auch als Arbeitgeber über Erreichbarkeitsgrenzen reden. Nur weil ich jetzt ein Diensthandy habe, heißt es nicht, dass ich abends um 20:00 auf jeden Fall noch die E-Mail beantworte, nur weil die Chefin um 7:30 etwas Ungeschicktes geschrieben hat. Da gibt es auch klare Absprachen zu treffen, und ich sage jetzt mal, die erwarteten Erwartungen zu klären. Also auch das ist schon die Pflicht des Arbeitgebers. Aber auch da muss ich Ihnen sagen, das kommt halt auch irgendwie auf den Job an. Wenn ich jetzt die persönliche Referentin vom Bürgermeister bin, der gerade in der Wahlkampfphase ist, dann habe ich ganz sicher andere Arbeitszeiten als wenn ich im Einwohnermeldeamt sitze. Und ich weiß nicht, wie kann ich mit Stereotypen hier um mich werfen. Aber es kommt auch auf den Job und auf die Verantwortung und natürlich dann auch noch auf die Bezahlung an. Das muss man alles sehen, aber auch. Da muss ich wieder betonen, da gibt es keine Pflichten des Arbeitgebers. Aber es gibt auch die Pflicht, finde ich, des Arbeitnehmers in der persönlichen Lebensgestaltung dafür zu sorgen, dass das einigermaßen funktioniert. Und das ist auch ein bisschen der Beobachtung, darf ich jetzt sagen, als sehr lange im Beruf Seiende mittlerweile. Ich sehe schon so ein bisschen die Tendenz, dass es dazu kommt, dass eigentlich ganz viel dem Arbeitgeber so ein bisschen aufgebürdet wird, für was der so alles verantwortlich ist. Ich finde nicht, dass der Arbeitgeber für private Lebenssituationen primär verantwortlich ist. Auch nicht. Also es ist wichtig, und jeder will, dass seine Mitarbeiter glücklich sind. Aber das muss schon erst mal die Privatperson, finde ich, hinkriegen. Also irgendwie muss man da auch gute Grenzen setzen. Was sonst ist es? Es ist schwierig, aber ich weiß genau, so mancher, der jetzt hier zuhört. Und wird sagen: Was reden die da? Das ist natürlich. Und so weiter. Man muss, finde ich, überlegen, wer ist für was verantwortlich, in welcher Sphäre entsteht es hier? Und man muss schon arbeitende Menschen, die in der Regel erwachsen und volljährig sind, auch davon ausgehen dürfen, dass die auch eine Selbstverantwortung tragen und dass die auch gerecht werden. Das, finde ich, muss man auch als Arbeitgeber erwarten dürfen.
Tobias Göpel: Meine Abschlussfrage geht auch mehr in die Richtung lebenslanges Lernen. Welche Kompetenzen werden für mobiles Arbeiten wichtiger, und wie kann aus Ihrer Sicht eine geeignete Weiterbildung aussehen?
Josephine Hofmann: Also, wenn man generell sagt, dass in diesen idealisierten Arbeitswelten, wo viel über Distanz und mit diesen Medien gearbeitet wird, ist sicherlich ein erweitertes Maß an Medien- und Kommunikationskompetenz erforderlich. Und es ist eben nicht nur: Ich kriege Teams an, sondern ich weiß auch, dass die Moderation eines Team-Meetings einer anderen Logik und vielleicht einer anderen Dynamik gehorcht als ein normales Meeting. Also nicht nur bedienen, sondern auch wirklich damit umgehen und befriedigende soziale Situationen schaffen. Ich glaube, man muss sich schon natürlich auch überlegen, was ist mein eigenes Medienverhalten ist gerade auch für Führungskräfte zum Beispiel extrem wichtig. Noch mal das Thema Ansprechbarkeit: Wie mache ich das eigentlich selber? Oder mache ich darauf, dass alle halt immer nur zu mir kommen? Und so weiter. Medienkonsum nicht. Aktionsfähigkeit, glaube ich, ist extrem wichtig, aber eben auch die Fähigkeit, das wirklich ist. Eine ganz große, der übergeordneten Kompetenz, sich gemeinsam über die Form von Arbeits- und Kommunikationsbeziehungen Gedanken zu machen. Also dieses Thema Verantwortlichkeit und so das gemeinsame Arbeiten an der Arbeit, da eine Bereitschaft und auch mehr Zeit mitzubringen und sich darauf auch einzulassen, das ist, glaube ich, auch etwas, was wichtig ist. Das ist keine klassische Kompetenz, aber es ist etwas, was wir sehen, was in Zukunft auf jeden Fall noch erforderlich sein wird. Und natürlich Selbstmanagementkompetenzen und all das, was wir eigentlich schon angesprochen haben.
Tobias Göpel: Mobiles Arbeiten ist gekommen, um zu bleiben. Liebe Frau Hofmann, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Einblicke zu diesem Thema. Liebe Zuhörende, das war unsere Folge zum mobilen Arbeiten mit Josefine Hofmann vom Fraunhofer Institut für Arbeits, Wirtschaft und Organisation. Sie ist auch die Autorin der Studie "Mobile Arbeit der Sozialpartner". Den Link zur Studie finden Sie auch in den Shownotes zu dieser Episode.



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