Politik & Wirtschaft

Chemie- und Pharmakonjunktur: Zeichen der Hoffnung

· Lesezeit 4 Minuten.
VCI-Präsident Markus Steilemann und VCI-Geschäftsführer Wolfgang Große-Entrup auf dem Podium während der VCI-Halbjahrespressekonferenz am 17. Juli 2025.
Echter Wille zu Veränderung: Diesen beobachtet VCI-Präsident Markus Steilemann (links) in Brüssel und Berlin. „Auch wir in der Wirtschaft müssen liefern“, meint Steilemann. (Rechts im Bild: VCI-Hautgeschäftsführer Wolfgang Große-Entrup) Foto: VCI

Produktion immer noch leicht im Minus – Trendwende frühestens für 2026 erwartet

Mit einem Produktionsminus von einem Prozent und einem Umsatzrückgang von 0,5 Prozent im ersten Halbjahr 2025 steht die Chemie- und Pharmaindustrie nur wenig schlechter da als im Vorjahr. Die „rasante Talfahrt der vergangenen Jahre“ sei gestoppt, resümiert der VCI. Die Beschäftigtenzahl erweise sich als stabil. Doch erst im kommenden Jahr rechneten die Unternehmen mit einem Aufschwung.

Allerdings unterscheiden sich die Trends in Chemie und Pharma erheblich: Die Rückgänge gehen allein auf das Konto der Chemiebranche. Die Pharmaproduktion legte um 2 Prozent zu. Ihren Umsatz konnte die Pharmabranche sogar um fünf Prozent steigern.

Die Gründe: Arzneimittel werden konjunkturunabhängig nachgefragt. Zudem hätten die von der US-Regierung angedrohten Zölle zu Vorzieh-Effekten geführt: zu hochgefahrener Produktion und mehr Exporten in die USA, ehe womöglich die Handelshürden steigen.

Zu wenige Aufträge, zu geringes Verbrauchervertrauen sind immer noch Wachstumshemmnisse

Ein großes Problem der chemisch-pharmazeutischen Industrie bleibt dem VCI zufolge der Auftragsmangel: Gut 40 Prozent der VCI-Mitgliedsunternehmen klagen laut einer aktuellen Verbandsumfrage darüber. Die Auslastung der Produktionsanlagen liegt bei 80 Prozent. Damit sind sie nicht rentabel. Dies seit bereits im dritten aufeinander folgenden Jahr der Fall.

Wie VCI-Präsident Markus Steilemann ausführte, wirken je nach Sparte verschiedene Faktoren auf die Unternehmen ein:

  • Die Grundstoffchemie leide vor allem unter hohen Rohstoff- und Energiekosten. Dies führe zu Betriebsschließungen oder Verlagerungen ins Ausland.
  • Die Hersteller von Feinchemikalien seien hingegen mit sinkender Nachfrage ihrer Abnehmerbranchen wie Auto-, Metall- und Elektroindustrie konfrontiert. 

Steilemann beobachtet eine anhaltende Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher – ausgelöst unter anderem durch internationale Konflikte. Er appellierte an die Politik, Zollstreitigkeiten zügig und pragmatisch zu lösen und stabile neue Handelspartnerschaften aufzubauen. Dies stärke unter anderem das Verbrauchervertrauen und damit die Chancen auf private Investitionen.

Bürokratie bremst alle

Als Wachstumsbremse für Unternehmen identifizierte Steilemann vor allem die Bürokratie: Laut ifo-Institut verliere die deutsche Wirtschaft jährlich 146 Milliarden Euro durch ausufernde Regelungen. 88 Prozent der VCI-Unternehmen benannten dies einer Umfrage zufolge als das größte Standortproblem in Deutschland – vor Steuern oder dem Fachkräftemangel. Steilemann wünschte sich ein Umfeld, das von „Vertrauen statt von Verdacht“ geprägt sei.

Er lobte die neue Wettbewerbspolitik in Brüssel und Berlin: „Ich spüre echten Willen zur Veränderung.“ Zwei von drei Unternehmen aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie seien bereit, wieder zu investieren, wenn sich die Standortbedingungen in Deutschland und Europa besserten. Steilemann ergänzte: „Auch wir in der Wirtschaft müssen liefern.“ Er rief dazu auf, Mut zu zeigen und zusammen an einer „kraftvollen Chemieagenda“ zu arbeiten.

Einen guten Rahmen schaffen

Um gute Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln zu schaffen, seien außer dem Bürokratieabbau noch weitere Maßnahmen erforderlich:

  • Öffentliche Ausgaben dürften den Staatshaushalt nicht überstrapazieren und junge Generationen nicht überlasten. Zukunftsinvestitionen müssten Vorrang vor Wahlgeschenken haben. Damit die Wirtschaftswende gelinge, müsse das Sondervermögen in nachhaltiges Wachstum fließen.
  • Die Energiepolitik müsse Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Bezahlbarkeit neu ausbalancieren. Dabei gehöre die Optimierung der Stromgesamtkosten in den Mittelpunkt.
  • Der Industriestrompreis, seit Jahren gefordert, müsse jetzt kommen. Das Ziel seien international wettbewerbsfähige Energiepreise. Diese seien von strategischer Bedeutung, um gegenüber Energie-Riesen wie den USA und China zu bestehen.
  • Um den internationalen Handel abzusichern, müssten sich Deutschland und Europa breiter aufstellen (Diversifizierung): Bausteine verlässlicherer Handelsbeziehungen seien beispielsweise das Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten sowie eine Grundsatzvereinbarung mit den USA. Zugleich brauche es Schutzmechanismen gegen unfairen Wettbewerb, zum Beispiel aus China.
  • Eine stärkere EU könnte wirtschaftliche Kräfte bündeln – die Schritte: eine Kapitalmarkt- und Bankenunion und einen Energie-Binnenmarkt schaffen.
  • Der Clean Industrial Deal und der Aktionsplan der EU für die chemische Industrie seien die richtigen Signale und das Ergebnis harter Verhandlungen, betonte Steilemann.

Aus VCI-Sicht hat die Regierung mit ihrem Sofortprogramm die Konjunkturhemmnisse angepackt. Im Koalitionsvertrag steht zudem das Ziel, Deutschland zum führenden Standort für Chemie, Pharma und Biotechnologie zu machen. Es sei zwar noch zu früh für spürbare Effekte der ersten Maßnahmen. Doch die begrüßenswerten Ankündigungen bildeten die Basis für Optimismus, sagte Steilemann.

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