Politik & Wirtschaft

Bundeskabinett bringt erleichterte Speicherung von Kohlendioxid voran

· Lesezeit 3 Minuten.
Blick auf die Nordsee, eine Skyline mit Windrädern und einen dramatischen Wolkenhimmel bei Wilhelmshaven.
Speicherorte gesucht: Für die Lagerung von abgeschiedenem Kohlendioxid kommen in erster Linie Offshore-Optionen, etwa in der Nordsee, in Frage. Diese müssen noch erkundet werden. Foto: kama71/stock.adobe.com

Aktuelles Gesetzesvorhaben geht weiter

Das Bundeskabinett brachte heute den Entwurf von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) für ein Kohlendioxid-Speicherungsgesetz auf den Weg. Es würde erstmals auch die Nutzung von CO2-Endlagern zu industriellen Zwecken erlauben. Auch für Gaskraftwerke soll die Abscheidung und Speicherung (Carbon Dioxide Capture and Storage, CCS) von CO2 möglich sein.

Dem Entwurf zufolge sollen Errichtung und Betrieb von CO2-Speichern und Pipelines überragendes öffentliches Interesse erhalten. Diese Einstufung erleichtert Planungs- und Genehmigungsverfahren, ähnlich wie bei erneuerbaren Energien.

Die schwarz-rote Koalition bringt damit einen einen Gesetzentwurf voran, den die Ampel-Koalition nicht mehr verabschieden konnte. Der jetzige Entwurf geht aber weiter. Er sieht die Speicherung zu Forschungs- und Demonstrationszwecken und auch im kommerziellen Maßstab vor. 

So funktioniert CCS

Im Gesetzentwurf heißt es, zum Erreichen der Klimaneutralität seien Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid in tiefen geologischen Gesteinsschichten (...) unverzichtbar. Dies bezieht sich auf bestimmte Industrieprozesse, die sich kaum ohne Kohlendioxidemissionen gestalten lassen.

Bei der CCS wird CO2 direkt an Industrieanlagen abgeschieden, damit es nicht in die Atmosphäre entweichen kann. Dann gelangt es per Pipeline oder Schiff zu einer geeigneten geologischen Formation. Darin soll es dauerhaft unterirdisch verbleiben. Die Speicherung ist im Offshore-Bereich vorgesehen. Eine Speicherung an Land bleibt auf Bundesebene grundsätzlich verboten. Die Bundesländer können per Landesgesetz die CO2-Speicherung auf ihrem Gebiet aber erlauben.

VCI begrüßt den neuen Entwurf

Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), begrüßte die heutige Entscheidung: „Die Speicherung und Nutzung von CO2 ist ein zentraler Baustein für einen bezahlbaren Umbau des Industriestandorts Deutschland. Die Bundesregierung muss die deutsche Aufholjagd bei diesen Technologien schnell fortsetzen. Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz müssen in Einklang stehen. Nur so hat die Chemie- und Pharmaindustrie am Standort eine Zukunft.“

Der VCI verlangt,

  • dass das CO2-Pipeline-Netz schneller genehmigt und staatlich gefördert wird und
  • die Speichertechnologien möglichst ab Anfang der 2030er-Jahre einsetzbar sind.

Darum braucht die Chemie die Abscheidung und Nutzung von Kohlendioxid

Viele Produkte der chemisch-pharmazeutischen Industrie werden auch nach der Transformation zur Klimaneutralität Kohlenstoff als Element enthalten, argumentiert der VCI. Statt aus fossilen Quellen wie Erdöl soll dieser künftig aus Biomasse, recycelten Kunststoffabfällen sowie abgeschiedenem CO2 stammen. Indes: „Die Umstellung der fossilen Rohstoffbasis kann nur schrittweise erfolgen. Für schnellere Fortschritte bei der Emissionsreduktion und um in der Übergangsphase konkurrenzfähig bleiben zu können, benötigt die Chemie auch Zugang zu CCS“, erläuterte Große-Entrup. „Der fossile Rohstoffanteil wird dann abnehmen, wenn die Voraussetzungen für klimaneutrale Produktionsprozesse gegeben sind.“

Kritik von DIHK und vom Bundesverband Erneuerbarer Energien

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) kritisierte der Agentur Reuters zufolge vor allem die fehlende staatliche Absicherung bei der Finanzierung der CO2-Transportinfrastruktur. Die DIHK könne nicht nachvollziehen, warum der CCS-Einsatz auf Gas- und Biomassekraftwerke beschränkt sei und Kohlekraftwerke ausgenommen würden. Die geplante Länderregelung behindere den Aufbau, da sie die günstigere Speicherung an Land erschwere und eine bundesweite Planung einschränke.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) forderte hingegen eine strikte Begrenzung auf unvermeidbare Industrie-Emissionen und die Bioenergie. Die Technologie dürfe keinesfalls zu neuen fossilen Abhängigkeiten führen. Insbesondere der kostenträchtige Einsatz an Gaskraftwerken stelle keine sinnvolle Option für ein modernes Stromsystem dar. Stattdessen müssten die Investitionen in den Ausbau der Erneuerbaren Energien, Speicher und eine intelligente Infrastruktur gelenkt werden.

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Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie.

Energiewende ja, aber anders
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