Politik & Wirtschaft

Titandioxid: Streit um Weißpigment

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Beliebtes Kinderspiel: Malkreide mit dem Weißpigment Titandioxid droht ein Verbot.
Beliebtes Kinderspiel: Malkreide mit dem Weißpigment Titandioxid droht ein Verbot.:Beliebtes Kinderspiel: Malkreide mit dem Weißpigment Titandioxid droht ein Verbot. Foto: Andy - stock.adobe.com

Werden Straßenkreide und Malkästen für Kinder bald verboten? Produkten mit dem Weißpigment Titandioxid droht das jedenfalls. Denn der wegen seiner Deck- und Leuchtkraft begehrte Weißmacher muss ab Sommer 2021 in Pulverform als „Stoff mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung beim Einatmen“ gekennzeichnet werden. Das hat kürzlich die EU-Kommission beschlossen.
Damit ist Titandioxid in der EU in Spielwaren tabu. Auch sonst greift der Beschluss stark in den Markt für das wichtigste Pigment ein. Alle Pulver und pulverförmigen Gemische müssen zukünftig ein Warnsymbol tragen, flüssige Gemische einen Warnhinweis vor Sprühanwendungen. Dagegen gibt es heftige Proteste der Industrie, von 300 Firmen und Verbänden.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit

Heimwerkerinnen beim Anstreichen: Wer auf Farbe ohne Titandioxid ausweicht, muss oft vier statt zwei Schichten auftragen. Foto: AdobeStock.
Heimwerkerinnen beim Anstreichen: Wer auf Farbe ohne Titandioxid ausweicht, muss oft vier statt zwei Schichten auftragen. Foto: AdobeStock.

Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie, äußert Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Kommissionsbeschlusses: „Angesichts der Bedeutung des Falles wird eine gerichtliche Klärung immer wahrscheinlicher.“

Es geht um 480.000 Tonnen Jahresproduktion und ein millionenfach in Druckfarben, Autolacken, Kunststoffen, Papier oder Kosmetik eingesetztes Pigment. Die Grundlage für die Einstufung liefert eine Studie aus dem Jahr 1985.

Damals mussten Labortiere zwei Jahre lang enorme Mengen Titandioxid-Staub einatmen. Ratten zeigten bei dieser hohen Belastung eine erhöhte Tumorrate, Mäuse jedoch nicht, berichtet Professor Harald Krug, emeritierter Umwelttoxikologe der Schweizer Materialforschungsanstalt Empa. „Solche Versuche sind heute wegen der enormen Belastung nicht mehr zulässig. Und sie sind auch nicht aussagekräftig“, sagt der Experte. Unter diesen Bedingungen schädige jeder Staub die Tiere. Hinzu komme: „Seitdem sind zahlreiche Studien durchgeführt worden, davon 70 zum Einatmen. Und keine zeigt einen direkten krebserzeugenden Effekt.“ Auch jahrelange Untersuchungen an 24.000 Arbeitern in 18 Titandioxidwerken belegen das.

Strengster Grenzwert hierzulande

Und doch werden die Warnhinweise wohl eingeführt. Was heißt das für Beruf und Alltag?

  • Arbeitnehmer: Nicht nur die Mitarbeiter von Titandioxidherstellern und -verarbeitern sind schon lange gut geschützt. In Deutschland gilt der strengste Staubgrenzwert für Arbeitsplätze; erlaubt sind maximal 1,25 Milligramm Staub pro Kubikmeter Luft.
  • Verbraucher: Sie sollten sich vom Warnhinweis auf Eimern oder Dosen nicht verunsichern lassen. Titandioxid ist laut Untersuchungen der Technischen Uni Dresden in Farben und Lacken fest gebunden und wird nicht in die Luft freigesetzt. Wer dennoch auf (in Zukunft wohl verstärkt angebotene) Farbe ohne den Weißmacher ausweicht, muss mit höheren Kosten rechnen. Verbandsgeschäftsführer Engelmann: „Andere Weißpigmente decken nicht so gut. Statt ein- bis zweimal muss man damit doppelt so viel streichen. Das braucht mehr Farbe und geht ins Geld.“
  • Entsorger: Sie sind am stärksten betroffen. Beispiel Bauschutt: Sämtliche pulverförmigen Abfälle wie etwa Putz oder Tapetenreste mit 1 oder mehr Prozent Titandioxid müssten künftig als Sondermüll beseitigt werden. Wäre das bei nur 5 Prozent von jährlich 55 Millionen Tonnen Schutt der Fall, „käme es zu einem Entsorgungskollaps“, warnt der Branchenverband BVSE.

Schließlich werden Hersteller in der EU mit hohen Kosten neue Rezepturen für ihre Produkte entwickeln. Ihre Konkurrenten in den USA und Asien müssten das nicht. Und hätten so einen Vorteil im Wettbewerb.

Einen Kommentar dazu von Peter Jansen, dem Präsident des Verbands der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie, finden Sie hier.

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