Politik & Wirtschaft

Rohstoffmangel: „Man muss einen kühlen Kopf bewahren“

· Lesezeit 3 Minuten.
Markus Adam geht mit seinem Vater durch einen Gang in der Produktion.
Starkes Team: Markus (links) und sein Vater Thomas Adam, Führungsduo der Berger-Gruppe aus Grünstadt. Foto: Florian Lang

Probleme meistern, darin ist die Berger-Gruppe geübt: Seit 1926 produziert das Familienunternehmen in Grünstadt an der Weinstraße Farben und Lacke für die ganze Welt. Doch nun muss es der Mittelständler – wie viele andere Produzenten – gleich mit einer ganzen Reihe schwieriger Entwicklungen aufnehmen: Rekordpreise am Rohstoffmarkt, ein starker Dollar, gestörte Lieferketten, Produktionsausfälle beispielsweise bei Pigmenten und Epoxidharzen sowie mangelnde Transportkapazitäten. Wie man das schafft, erzählt Markus Adam, einer der beiden Inhaber.

Ende der Inflation nicht in Sicht

Normalerweise liefert das Unternehmen seinen Kunden maßgeschneiderte Produkte in Produktionsmengen von bis zu 15.000 Kilo. Nun aber werden die Ausgangsmaterialien immer teurer und kommen – wenn überhaupt – verspätet an: „Man muss im Team sehr gut zusammenarbeiten, sich gegenseitig unterstützen und einen kühlen Kopf bewahren“, weiß Adam. Schon die Pandemie war eine große Herausforderung, aktuell trifft die radikale Hafensperrung in Schanghai das Produzierende Gewerbe schwer. Mit dem Russland-Ukraine-Konflikt hat sich die Lage noch einmal verschärft. Adam: „Es gibt massive Störungen und Einschränkungen, zum Beispiel in der Logistik, der Rohstoffverfügbarkeit, dem Finanzverkehr, dem Güterverkehr, der Energie.“

Rezepturanpassung im Eiltempo

Insgesamt entwickeln und fertigen die 100 Mitarbeiter aus rund 800 Rohstoffen mehr als 10.000 Rezepturen für Profianwendungen, zum Beispiel für Pumpen, Rohre, Maschinen-, Geräte- oder Fahrzeugbau, Parkettböden, Fenster, Fassaden und Türen. Jede Farbrezeptur besteht aus einer Mischung von 10 bis 60 Stoffen. Erforscht man neue Rezepturen, dauert das zwei bis drei Jahre, in Ausnahmefällen auch bis zu zehn Jahre – manchmal muss man die Produkte neu zulassen. Berger führt die Anpassungen jetzt im Eiltempo durch.

„Es motiviert, wenn wir Herausforderungen gemeinsam meistern“

Ein Viertel der Belegschaft arbeitet in der Entwicklung und Qualitätssicherung: „Der hohe Anteil zeigt unseren Fokus auf Innovation, Technologie und Weiterentwicklung“, so Adam. „Unsere Technology-Center helfen uns ungemein, denn sie ermöglichen sehr schnell solide Aussagen über neue Mischungen.“ Beschleunigend wirkt auch eine flexible Teamgestaltung: Hat zum Beispiel „Entwicklerteam 1“ ein Problem und braucht helfende Hände, lässt „Team 2“ schon einmal bis auf eine Notbesetzung alles stehen und liegen und arbeitet mit. „So beschleunigen wir die Dinge punktuell nach Priorität“, lobt der Chef. Immer aber gilt: „Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen, bis wir sicher sind, dass die Qualität passt. Wir verkaufen lieber kein Produkt als ein schlechtes!“

„Es gibt keine vernünftige Alternative zum Optimismus“

Zu diesen vielen Problemen gesellt sich noch eine strenge Chemikaliengesetzgebung für Nachhaltigkeit der EU-Kommission. Adam: „Viele Mitarbeiter, die früher entwickelt haben, beschäftigen sich jetzt überwiegend mit Vorschriften im Inland, in der EU und global. Es ist eine große Belastung, die Geld kostet, die Preise antreibt und Innovationszeit nimmt.“ Reicht es ihm als Unternehmer nicht langsam? Adam lächelt und meint: „Wir sehen dies letzten Endes sportlich und pragmatisch. Es motiviert und bringt uns Freude, wenn wir all diese Herausforderungen gemeinsam meistern. Solche Krisen sind immer auch Chancen, und sie schweißen unser Team noch stärker zusammen.“ Dies unterstreicht Adam mit einem Satz des Philosophen Karl Popper: „Es gibt keine vernünftige Alternative zum Optimismus.“

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Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie.

Energiewende ja, aber anders
Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche will den Ausbau erneuerbarer Energien und die Kosteneffizienz neu ausbalancieren. Betreiber von Ökostrom-Anlagen sollen sich Ihrer Meinung nach künftig an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligen.
Wie die Frankfurter Neue Presse meldete, möchte Reiche Ende des Sommers einen „Realitätscheck“ zur Energiewende vorlegen. „Wir brauchen zwingend mehr Steuerbarkeit, um die Volatilität der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien ausgleichen zu können“, sagte sie demnach. „Auch Speicher spielen zum Ausgleich eine Rolle. Sie sind Teil der Lösung, aber reichen allein nicht aus. Wir werden uns die Ergebnisse genau anschauen, und dann werden wir die notwendigen Schlüsse daraus ziehen.“ 
Der Ausbau der Stromnetze geschieht zu langsam
Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne) hatte mit verschiedenen Maßnahmen den Ausbau des Ökostroms vor allem aus Wind und Sonne vorangetrieben. Die erneuerbaren Energien sollen eine Schlüsselrolle spielen, damit Klimaziele erreicht werden. Der Ausbau der Stromnetze hält aber nicht Schritt. Wegen fehlender Netze müssen erneuerbare Anlagen immer wieder gedrosselt werden. Ausgleichsmaßnahmen gegen Netzengpässe kosten Geld. Um den vor allem im Norden produzierten Windstrom in den Süden zu leiten, sind zusätzliche Stromleitungen erforderlich. Ein Großteil ist aber noch nicht fertig.
Mehr Kosteneffizienz als Ziel
Mit Blick auf geplante Entlastungen der Stromkunden bei den Netzentgelten, mit denen unter anderem der Netzausbau finanziert wird, sagte die Ministerin: Momentan würden Kosten vom Stromkunden in die öffentlichen Haushalte und damit auf den Steuerzahler verschoben. „Wir lösen damit nicht das grundlegende Problem. Die Entlastungen bei der Stromsteuer, die Abschaffung der Gasspeicherumlage, die teilweise Übernahme der Netzkosten und die Übernahme der schon länger in den Haushalt verlagerten EEG-Kosten machen zusammen rund 30 Milliarden Euro aus.“ Die Energiewende müsse kosteneffizienter werden. „Und das geht auch.“
Zweifel am prognostizierten Stromverbrauch
Eine wesentliche Kenngröße sei der prognostizierte Stromverbrauch, sagte Reiche. „Die letzte Regierung hat angenommen, dass der Stromverbrauch schon 2030 auf bis zu 750 Terawattstunden steigt, bis 2035 gibt es Prognosen von 1.000 Terawattstunden.“ Das wäre eine Steigerung von fast 50 Prozent innerhalb weniger Jahre. „Seriöse Studien zweifeln, ob diese Steigerungen der Realität standhalten. Wir werden eine deutliche Zunahme der Elektrifizierung sehen, insbesondere im Bereich der Wärmepumpen, der Elektromobilität, der Digitalisierung. Ob in den von der Ampel angenommenen Größenordnungen, darf bezweifelt werden.“
Ökostrom-Betreiber sollen sich an Kosten für Netzausbau beteiligen
Betreiber von Anlagen erneuerbarer Energien müssten mehr Systemverantwortung übernehmen, meint Reiche. Sie sollten sich an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligen. „Systemverantwortung heißt, dass die Kosten für den Netzausbau nicht mehr nur über die Netzbetreiber und die allgemeinen Netzentgelte von den Stromkunden zu bezahlen sind“, sagte Reiche. Die Kosten für den Netzausbau liegen bisher voll beim Netzbetreiber und werden über die Netzentgelte von den Stromkunden bezahlt.

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