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Künstliche Intelligenz in Rheinland-Pfalz

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Künstliche Intelligenz in Rheinland-Pfalz

Künstliche Intelligenz (KI) ist überall: Wir begegnen ihr in Form von Bilderkennung, Sprachsteuerung oder Social Bots. Das sind Programme, die in sozialen Netzwerken menschliche Verhaltensmuster simulieren. Dazu hat das Chemieunternehmen BASF aus Ludwigshafen übrigens ein interessantes Erklärvideo erstellt. KI wird zudem als selbstfahrendes Auto oder humanoider Roboter sichtbar. In Kaiserslautern bringen Wissenschaftler am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz die Zukunft bereits kräftig voran: Schon in Sachen Industrie 4.0 galt die Einrichtung als Treiber. Die digitale Welt erobert auch die Industrie: Geräte und Computer entwickeln eine eigene Intelligenz und werden immer mehr zu echten Mitarbeitern, Assistenten und denkenden Helfern.

Löst künstliche Intelligenz dann bald all unsere Probleme? Wohl kaum: Bevor neuronale Netze vollautomatisch diverse Fragen beantworten, gibt es viel zu tun. Man muss Rohdaten identifizieren, besorgen, digitalisieren, automatisieren, mit anderen Daten füttern und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Wir haben uns in Rheinland-Pfalz umgesehen. Welche Chancen KI für Produktion und Personalarbeit in der Chemieindustrie bieten kann, erklärt ein Experte.

KI lässt Computerprogramme denken und handeln

Wie lassen sich menschliche Wahrnehmung und menschliches Handeln in „intelligente“ Computerprogramme umsetzen? Die Frage beschäftigt die Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt und der Goethe-Universität Frankfurt am Main (Rhein-Main-Universitäten). Gleich acht Professorinnen und Professoren widmen sich diesem ungelösten Problem des sogenannten tiefen Lernens (Deep Learning), dem Motor von KI. Die Forscher wollen zum Beispiel herausfinden, wie man Ergebnisse des maschinellen Lernens besser verständlich macht oder alternativ so fokussiert, dass man sie zu menschlichem Wissen in Beziehung setzen kann.

Die Expertise der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz liegt dabei in der Analyse komplexer strukturierter Daten, wie etwa Sequenzen, Zeitreihen und Bildern, sowie der Analyse von Datenströmen.

KI in der Krebsmedizin

Dickdarmkrebs ist eine Volkskrankheit: Jährlich sterben in Deutschland über 16.000 Menschen daran. Am Institut für Pathologie der Universitätsmedizin Mainz begutachten Fachärzte täglich bis zu 1.000 Gewebeschnitte aus Darmspiegelungen unter dem Mikroskop. Für die Analyse kommen bisher überwiegend analoge Lichtmikroskope zum Einsatz. Ein Unterstützungssystem, das auf Künstlicher Intelligenz basiert, soll den Pathologen künftig helfen, Gewebeproben schneller, detaillierter und fehlerfreier zu diagnostizieren.

Das geht so: Eine Softwareplattform (CDSS) wertet die Proben per Bildanalyse aus, erkennt auffällige Bereiche und liefert eine Einschätzung über den weiteren Krankheitsverlauf. Hier kommen sogenannte tiefe neuronale Netze ins Spiel. Damit sie tumorverdächtige von gesunden Gewebearealen unterscheiden können, füttern und trainieren Forscher sie mit Millionen von Abbildungen. Das System lernt permanent dazu und optimiert die Richtigkeit seiner Vorhersage. Das Projekt ist noch jung, könnte aber das Leben der Patienten entscheidend verbessern.

KI hilft Wissenschaftlern

Wissenschaftler stehen unter hohem Druck, wirksame Medikamente gegen diverse Krankheiten zu finden. Jetzt beschleunigt die KI die Forschung und hilft dabei, schneller Lösungen für Patienten zu entwickeln. Das BioPharma-Unternehmen AbbVie in Ludwigshafen geht hier voran und nutzt „PubLab“. „Eine Art Spotify für Forscher“, sagt Lars Greiffenberg, Leiter für digitale Forschung bei AbbVie Deutschland.

Die Informationsfülle ist erschlagend. Greiffenberg: „Heute kann man kaum 10 Prozent der relevanten Primärliteratur sichten, geschweige denn lesen.“ Das übernimmt jetzt die Technik: „Unsere Algorithmen, die hinter diesem System stehen, decken nahezu 100 Prozent der Literatur aus unterschiedlichsten Quellen ab.“ Sie könnten „gezielt das wertvolle Wissen extrahieren“. Dabei verbindet sich die Expertise der Forscher, welche die Regeln der Suche vorgeben, mit den Algorithmen zu einer gewissen Künstlichen Intelligenz. Die Entscheidung, was man aus den Ergebnissen macht, treffen die Wissenschaftler am Ende selbst. Greiffenberg: „Die Künstliche Intelligenz verhält sich im Grunde wie ein guter Kollege: Sie führt dem Forscher interessante Wissen-Puzzleteile zu.“

 

KI, die man essen kann

Für Sportler hat das Chemieunternehmen BASF in Ludwigshafen jetzt mithilfe von KI ein „Superfood“ entwickelt: „PeptAIde“ heißt der neue pflanzliche Inhaltsstoff für die Sporternährung. Er reguliert entzündliche Reaktionen im Körper, was für sportlich aktive Menschen ein großes Thema ist. Entzündungen zeigen sich durch Unwohlsein und können die Aktivität einschränken.

Der Körper reagiert darauf, indem er eine komplexe Kombination sogenannter Zytokine freisetzt: Diese Proteine stimulieren das Immunsystem. Die Einnahme von „PeptAIde“ soll diesen Prozess positiv beeinflussen. Für die Entwicklung des Inhaltsstoffes ermittelte man mithilfe von KI eine neue Generation von Peptiden. Das sind natürlich vorkommende kurze Ketten von Aminosäuren aus Proteinen. Diese wurden für den neuen Inhaltsstoff aus Reisprotein enzymatisch freigesetzt. Das Mittel ist vegan, hat ein „natürliches Geschmacksprofil“ und lässt sich leicht in der Sporternährung einsetzen.

KI hilft Mensch und Tier

Das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim hat 2017 mit 10 Millionen Euro das digitale Labor „BI X“ gegründet. Hier forschen 51 Mitarbeiter aus 19 Nationen an innovativen digitalen Lösungen im Gesundheitssektor für Mensch und Tier. Ihr Handwerkszeug sind dabei weder Pipette noch Mikroskop, sondern Rechner und Flachbildschirm. Denn die IT-Fachleute suchen keine neuen Wirkstoffe für Arzneien, sondern spezielle Algorithmen. Ihr Ziel: Möglichst schnell ihre Ideen auf technische Umsetzbarkeit und Nutzen prüfen und daraus ein neues Geschäftsfeld kreieren.

Aktuell entwickelt ein Team ein digitales Portal für den Austausch zwischen Haustierbesitzern und Tierärzten. In den USA klappt das bereits: Hier können Tierbesitzer virtuelle Arztbesuche per Video vereinbaren und durchführen, ohne mit Mieze und Waldi in die Praxis zu fahren. Andere Teams arbeiten an lernenden Algorithmen für die bessere Diagnose von Krankheiten – also an KI. Zum Beispiel an einer App zur digitalen Früherkennung von Alzheimer: Sie soll über die Sprache erkennen, ob ein Mensch frühe Anzeichen der Erkrankung zeigt. „Die App ist eine Dienstleistung, die es so noch nicht gibt“, sagt Michael Schmelmer, Finanzchef von Boehringer Ingelheim. „Außerdem hat so etwas noch keiner vor uns gemacht.“

KI erschafft neue Moleküle

Im Labor kreieren Chemiker neue Moleküle. Sie nutzen dafür die Retrosynthese, planen also eine Synthese, die vom Zielmolekül aus rückwärts erfolgt. Bis man Stoffe erreicht, die schon vorhanden sind. Mit diesem „Kochrezept“ lässt sich das Zielmolekül dann „vorwärts“ herstellen. „Eine Königsdisziplin“, findet Marwin Segler, ein organischer Chemiker, der KI an der Uni Münster erforscht. Bislang konnten Computer hier nicht mithalten, ohne dass Experten Zehntausende von Regeln per Hand einprogrammierten.

Doch Segler hat das geändert: Möglich machen’s tiefe neuronale Netzwerke in Verbindung mit der Monte-Carlo-Baumsuche, einer Methode zur Bewertung von Spielzügen etwa im Schach. Wie Segler erklärt, simuliert der Computer bei jedem Zug zahlreiche Varianten, wie zum Beispiel eine Partie Schach zu Ende gehen könnte. Der vielversprechendste Zug wird ausgewählt. Analog sucht der Computer nun für die chemische Synthese möglichst gute „Züge“. Er ist außerdem in der Lage, zu lernen: Dazu greift er auf die gesamte jemals veröffentlichte chemische Fachliteratur zurück, die rund zwölf Millionen chemische Reaktionswege beschreibt. Fachleute halten den computergenerierten Syntheseweg für ebenso zielführend wie die erprobten Wege. Segler hofft, dass Chemiker so im Labor die Verbindungen ressourcenschonender herstellen können, die unseren hohen Lebensstandard ermöglichen.

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