Politik & Wirtschaft

Künstliche Intelligenz in der Chemie: Potenzial für Veränderung

· Lesezeit 4 Minuten.
Künstliche Intelligenz in der Chemie: Potenzial für Veränderung

Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die Industrie grundlegend zu verändern. Das betrifft auch die Chemiebranche: Manche Unternehmen haben bereits Online-Plattformen, sie handeln dort mit ihren Produkten und testen immer neue Geschäftsmodelle. Die digitale Entwicklung schreitet rasant voran – vielleicht schneller, als manchem Mitarbeiter lieb ist. Damit uns künstliche Intelligenz „schmeckt“, braucht man ethische Leitlinien. Wir haben dazu Andreas Ogrinz befragt, Geschäftsführer Bildung, Innovation, Nachhaltigkeit beim Bundesarbeitgeberverband Chemie.

Ist die Branche aufgescheucht?

KI ist gerade ein großer Hype. Wir nehmen das Thema sehr ernst, bleiben aber gelassen. Im Grunde versuchen wir, einen Wandel zu gestalten, der noch gar nicht richtig greifbar ist. Der Arbeitgeberverband ruft in Kürze die Arbeitsgruppe „KI in der Arbeitswelt“ ins Leben. Hier bringen wir Leute zusammen, die uns sagen, wie sich die digitale Transformation in der Praxis auswirkt. Was passiert in den Firmen? Lässt sich das erfassen? Was ist besonders relevant?

Wo ist KI bereits ein Thema in unseren Betrieben?

Der Spezialchemie-Hersteller Evonik hat zum Beispiel ein Pilotprojekt im belgischen Antwerpen. Dort prüft man, wie sich Lieferketten mittels digitaler Technologien und dem Einsatz von KI optimieren lassen. Oder es geht um Notfallprävention: Wie können wir Gefahren in der Produktion erkennen und schnell reagieren? Eine KI erfasst etwa ungewöhnliche Geräusche oder Bewegungsmuster – und löst Alarm aus. Das alles passiert mit möglichst wenig personenbezogenen Daten. Als Arbeitgeberverband kümmern wir uns aber eher um die Auswirkungen von KI auf die Personalarbeit.

Nutzt denn auch die Personalabteilung KI?

Ja, wir setzen bei der Personalsuche oder der Talentförderung schon auf Algorithmen. Die Personaldaten werden analysiert, um bessere Entscheidungen zu treffen. Schon heute gibt es Firmen, die Software entwickeln, um vorhandene Kompetenzen im Unternehmen grafisch abzubilden. Der Automobilzulieferer Continental etwa arbeitet im Rahmen der strategischen Personalplanung bereits mit einer Start-up-Firma zusammen. Bei der Gestaltung der Arbeitswelt kooperieren die Arbeitgeber mit der Gewerkschaft IG BCE.

Packen Sie auch Daten und Algorithmen an?

Als Sozialpartner wollen wir einerseits praktische Hilfestellungen zum richtigen Umgang mit Daten auf betrieblicher Ebene entwickeln. Und andererseits die ethische Dimension beleuchten.

 

Algorithmen haben eine Ethik?

Na klar, schließlich bilden sie eine Entscheidungsgrundlage für den Umgang von Menschen mit Menschen. Die ethischen Fragen „Was sollen wir tun?“ oder „Was sollen wir nicht tun?“ schwingen immer mit! Zum Beispiel sucht die KI Bewerber nach bestimmten Kriterien aus. Und unterstützt so die Entscheidung der Personaler. Hier lauern allerdings Gefahren wie eine Verzerrung durch die Eingabe ungeprüfter Daten. Im schlimmsten Fall kann eine Diskriminierung, die früher abgespeichert wurde, in den Algorithmus wandern. Eine weitere Gefahr ist die Entscheidungshoheit: Wie viel Kontrolle hat die KI, wie viel der Personaler? Wer entscheidet die Auswahl? Wir müssen auf eine objektive und rationale Grundlage der Algorithmen achten und sie auch Nicht-Informatikern offenlegen! Ein Kandidat möchte doch wissen, warum er aus dem Bewerbungsverfahren rausfliegt. Oder nicht im Talent-Pool weiterentwickelt wird.

Wie schafft man denn da Klarheit?

Ein Algorithmus funktioniert wie ein Kochrezept, auf dessen Grundlage man Entscheidungen trifft. Wir müssen kommunizieren, woraus das Rezept besteht. Dass zum Beispiel ein bestimmter Persönlichkeitstyp oder ein bestimmtes Kompetenzprofil von einer KI favorisiert wird. Wer um solche Entscheidungskriterien weiß, kann das Ergebnis besser akzeptieren. Wir haben Instrumente entwickelt, die Firmen bei der Digitalisierung der Arbeit auf betrieblicher Ebene hefen. Für diese „Toolbox Arbeiten 4.0“ wollen wir nun Instrumente zur KI erarbeiten.

Es geht im Kern also um den richtigen Umgang mit einer neuen Technologie …

Genau. Nur wenn wir das Problem mit der „Blackbox“ lösen, also welche Kriterien der KI zugrunde liegen, können wir mit Akzeptanz rechnen. Wir brauchen ein ethisches Grundverständnis für den Umgang mit Algorithmen, eine Algorithmen-Ethik.

Worauf kommt es jetzt an?

Wir sollten die ethischen Fragen schnell lösen und eine positive Haltung gegenüber der Technik und dem Wandel fördern. Wir müssen den Mitarbeitern erklären, wohin die Reise geht.

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