Der Chemiekonzern BASF setzt auf zahllose Helferchen: gentechnisch veränderte Mikroorganismen. Meist sind es Bakterien oder Pilze, die an sogenannten Bioverfahren (Fermentation, Biokatalyse) beteiligt sind. Sie ermöglichen die nachhaltige Herstellung wichtiger Inhaltsstoffe für die Ernährung von Menschen und Tieren wie Vitamine, Pflanzenschutzmittel, Aroma- und Duftstoffe oder auch Enzyme für Waschmittel und Inhaltsstoffe für Kosmetika.
Diese Bakterien und Pilze werden oft im Labor verändert: Wissenschaftler statten die Organismen mit spezifischen Genen so aus, dass sie die passenden Substanzen (Enzyme, Vitamine, Medikamente oder weitere Stoffe) produzieren. „Unsere Mikroben sind für mich wie eine kleine, perfekt organisierte Fabrik, in die man seinen Rohstoff, zum Beispiel Zucker, gibt und aus der man sein Produkt erhält“, erklärt Barbara Navé, Wissenschaftlerin bei der BASF Ludwigshafen. Ihr Kollege Professor Oskar Zelder ergänzt: „Die traditionelle Fermentation ist zum Beispiel die Herstellung von Wein und Bier oder deutschem Sauerkraut.“ Heutzutage nutze man die erweiterte Fermentation, „um Chemikalien mithilfe von Mikroorganismen herzustellen. Diese Fermentation ist der chemischen Produktion sehr ähnlich. Alles passt in Produktionsanlagen in Stahltanks“, so der Mikrobiologe, der die industrielle Biotechnologie am Standort leitet.
Enzyme im Waschmittel: sauber bei 30 Grad
Die Fermentationsprozesse funktionieren schon heute im industriellen Maßstab: „Die BASF hat mehrere Standorte mit mehreren Hunderttausend-Liter-Fermentern, in denen Produkte hergestellt werden, die wir verkaufen“, so Navé. Weiße Biotechnologie kann also erdölabhängige chemische Prozesse ersetzen, Kosten senken und die Umwelt schonen. Denn in der Regel werden dafür nachwachsende Rohstoffe wie Zucker, Stärke oder sogar industrielle Abgase statt fossiler Rohstoffe verwendet. Die Technologie ist damit ein wichtiges Instrument auf dem Weg zur klimaneutralen Chemie. Auch wirtschaftlich lohnt es sich: Über 3.000 Produkte stellt die BASF aktuell her, die zur Biotechnologie zählen oder biologisch abbaubar sind. Sie spülten 2021 mehr als 3,5 Milliarden Euro Umsatz in die Kasse bei einem Konzernumsatz von 78 Milliarden Euro – Tendenz steigend.
Nicht nur BASF, wir alle profitieren von nachhaltigen Verfahren und Produkten. So wird zum Beispiel unsere Wäsche bereits bei 30 Grad sauber: Neue Hochleistungsenzyme („Lavergy“) von BASF lösen Verschmutzungen wie Blut, Milch und Ei und verhindern das Vergrauen der Textilien bereits bei niedrigen Temperaturen.
Wie aber erkennt man die richtigen Mikroorganismen und weiß, wie man sie verändern muss? Daran arbeiten bei BASF neben Biochemikern, Ingenieuren und Chemikern auch Bioinformatiker: Sie nutzen Algorithmen, um Muster in biologischen Daten zu finden. So erfährt man, welche Experimente als Nächstes durchgeführt werden sollten: „Forschung und Entwicklung, insbesondere im Bereich der Biologie, funktionieren heute ohne Digitalisierung nicht mehr“, meint Bioinformatiker Stefan Seemayer. „Die Menge der Daten und die damit verbundenen Möglichkeiten kann der Mensch nicht mehr bewältigen.“
Spezialchemikalien aus Abgasen
Große Hoffnung setzt BASF auf neuere Verfahren mit speziell designten Bakterien. Diese nutzen kohlenstoffreiche Abgase der Industrie für ihren Stoffwechsel und verwandeln sie in Kraftstoffe und Spezialchemikalien. Daran arbeitet der Konzern zusammen mit dem US-Unternehmen Lanzatech. Das Abgas, das die gentechnisch veränderten Bakterien verputzen, kann aus Stahlwerken, Raffinerien und chemischen Anlagen stammen. Aber auch aus Haushaltsabfall, der in Gas umgewandelt wird. Es gibt bereits Produktionsanlagen von Lanzatech in China, die mit dieser Gasfermentationstechnologie Äthanol herstellen. Eine weitere Anlage soll in Kürze in Belgien in Betrieb gehen. Im nächsten Schritt will man so höhere Alkohole und weitere Zwischenprodukte herstellen. Dabei werden branchenübergreifende Projekte immer interessanter: So könnte sich die Chemieindustrie beispielsweise mit Stahlwerken oder den Abfallverwertern zusammenschließen. Je mehr alternative Rohstoffquellen dieser Art zur Verfügung stehen, desto weniger braucht man neue fossile Rohstoffe für die Chemikalienproduktion.