Politik & Wirtschaft

Tarifrunde 2024: Tarifabschluss erzielt

· Lesezeit 2 Minuten.
Zwei Chemie-Facharbeiter auf dem Außengelände einer Chemie-Anlage. Foto: industrieblick - stock.adobe.com
Mehr Geld und Planungssicherheit: Die Chemie-Tarifpartner haben nach schwierigen Verhandlungen einen Abschluss erzielt, der Beschäftigten und Unternehmen Sicherheit und Perspektiven gibt. Foto: industrieblick - stock.adobe.com

Die Gewerkschaft IGBCE und der Arbeitgeberverband BAVC haben sich auf ein zweistufiges Tarifpaket für die Beschäftigten in der Chemie- und Pharmaindustrie verständigt. Es garantiert den Unternehmen Planungssicherheit bis ins erste Quartal 2026. Die Beschäftigten erhalten 2,0 Prozent mehr Geld ab 1. September 2024 sowie weitere 4,85 Prozent ab 1. April 2025. Die Laufzeit beträgt 20 Monate.

Dabei ist die zweite Stufe der Entgelterhöhung flexibilisiert. Sie kann aus wirtschaftlichen Gründen um bis zu drei Monate verschoben werden.

Was die Stärkung der beiderseitigen Tarifbindung betrifft, so haben sich IGBCE und BAVC darauf verständigt, den sozialpartnerschaftlichen Kurs der Branche fortzusetzen und gewerkschaftliches Engagement stärker zu honorieren. Darüber hinaus wird der Bundesentgelttarifvertrag, der insbesondere die Eingruppierung der Beschäftigten regelt, schrittweise modernisiert. Die Einigung gilt für 1.700 Betriebe mit 585.000 Beschäftigten.

Eine schwierige Tarifrunde ist abgeschlossen

„Wir haben eine sehr schwierige Tarifrunde in der dritten bundesweiten Verhandlung gemeinsam abschließen können“, kommentiert BAVC-Präsidentin Katja Scharpwinkel. „Standort und Beschäftigung in Deutschland stehen vor großen strukturellen Herausforderungen, die unsere Branche meistern muss. Für diesen hart erarbeiteten Kompromiss mussten sich beide Seiten erheblich aufeinander zubewegen. Aber es wird deutlich, was wir durch eine gute Sozialpartnerschaft auch unter schwierigen Rahmenbedingungen leisten können. Es geht darum, Unternehmen und Beschäftigten Sicherheit und Perspektiven zu geben. Darauf können wir aufbauen, um die Transformation zu einer nachhaltigen Chemie-Industrie erfolgreich zu gestalten.“

Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis resümiert: „Beide Verhandlungsseiten haben sich nichts geschenkt. Aber am Ende steht ein Ergebnis, mit dem die Chemie-Sozialpartner die Talfahrt bei den Reallöhnen stoppen und die Tarifbindung stärken. Damit senden die Arbeitgeber ein klares Zeichen der Wertschätzung an diejenigen Beschäftigten, die mit ihrem gewerkschaftlichen Engagement Tarifverträge erst möglich machen.“

Arbeitgeber-Verhandlungsführer Bürk: „Tragfähiger Kompromiss“

„Dieser Tarifabschluss ist ein tragfähiger Kompromiss, der die Interessen beider Seiten berücksichtigt. In der Entgeltfrage gehen wir zweifellos an die Grenze der Belastbarkeit. Aber wir verbinden langfristige Planungssicherheit mit Flexibilität für Unternehmen in einer kritischen Lage“, fasst BAVC-Verhandlungsführer Matthias Bürk zusammen. „Besonders viel Fingerspitzengefühl haben wir bei der Frage gebraucht, wie wir die Tarifbindung auf beiden Seiten stärken. Für uns ist wichtig, dass wir das Prinzip ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘ nicht antasten und so das Risiko einer Spaltung der Belegschaften minimieren. Indem wir unsere Schlichtungsregelung unverändert fortführen und gewerkschaftliches Engagement spürbar wertschätzen, zeigen wir unmissverständlich, dass die Chemie ihrem sozialpartnerschaftlichen Kurs treu bleibt.“

Mehr Entgelt in zwei Stufen

Der Entgeltkompromiss sieht vor, dass die Entgelte in zwei Stufen steigen:

  • ab 1. September 2024 um 2,0 Prozent
  • ab 1. April 2025 um 4,85 Prozent.

Die Ausbildungsvergütungen steigen entsprechend. Die Gesamtlaufzeit beträgt 20 Monate bis Ende Februar 2026.

 

Mehr Tarif-Geld ab September: So sieht das aus

Chemie-Tarif-Beschäftigte erhalten monatlich in Euro
Azubis im ersten Jahr* 1.094
Azubis im vierten Jahr* 1.417
Chemikant/in im ersten Berufsjahr* 3.409
Tarif-Durchschnitt (Chemie, bundesweit)** 4.720

 

*Die Angaben für Azubis sowie für Chemikantinnen und Chemikanten beziehen sich auf das Tarifgebiet Rheinland-Pfalz und gelten vom 1.9.2024-31.3.2025. Das Chemikanten-Entgelt enthält hier keine Zulagen und Einmalzahlungen, kann daher in der Praxis höher liegen. **Das monatliche Durchschnittsentgelt (bundesweit) berücksichtigt keine Zulagen oder Einmalzahlungen. Damit liegt es in vielen Fällen in der Praxis deutlich höher. (Quelle: BAVC)

Guter Start

Die Chemie-Industrie festigt mit ihren neuen Tarifgehältern ihre Position als besonders gut zahlende Branche. Zum Vergleich: Tischler-Azubis kommen nach BDA-Angaben im ersten Jahr auf 740 Euro und im ersten Berufsjahr auf 3.015 Euro pro Monat.

Entlastung für Betriebe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten

Für Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sieht der Tarifvertrag Entlastungen vor. Die zweite Stufe der Entgelterhöhung ist flexibilisiert. Sie kann aus wirtschaftlichen Gründen um bis zu drei Monate verschoben werden. Bei roten Zahlen wird die Entgelterhöhung um zwei Monate verschoben, bei einer Nettoumsatzrendite unter drei Prozent um einen Monat. Auf Basis einer Betriebsvereinbarung sind drei Monate Verschiebung möglich.

Stärkung der beiderseitigen Tarifbindung

Zur Stärkung der Tarifbindung auf beiden Seiten haben sich IGBCE und BAVC darauf verständigt, gewerkschaftliches Engagement stärker zu honorieren. Mit der unveränderten Fortschreibung der chemie-spezifischen Schlichtungsregelung setzen IGBCE und BAVC weiter auf einen sozialpartnerschaftlichen Interessenausgleich.

Im Unterschied zu anderen Branchen ist in der Chemie-Schlichtungsregelung weiterhin kein externer Schlichter vorgesehen. Ein mit Mehrheit verabschiedeter Schlichtungsspruch ist unmittelbar als Tarifvertrag verbindlich. Bis zum erfolglosen Abschluss einer Schlichtung gilt Friedenspflicht. Die Schlichtungsvereinbarung kann nicht vor Ende 2026 gekündigt werden.

Im Gegenzug erhalten aktive Mitglieder der IGBCE ab 2025 einen Zeitausgleich im Umfang von einem Arbeitstag pro Jahr für ihr gewerkschaftliches Engagement. Für 10, 25, 40 oder 50 Jahre Gewerkschaftsmitgliedschaft erhalten aktive IGBCE-Mitglieder im entsprechenden Jahr zudem einen Zeitausgleich von einem weiteren Arbeitstag. So soll dem Einsatz für Sozialpartnerschaft und Tarifbindung Rechnung getragen werden, wie er durch das gewerkschaftliche Engagement zum Ausdruck kommt.

Update für den BETV sowie Modernisierung der Tarifverträge bis 2030

Bei dem für die Eingruppierung der Beschäftigten ausschlaggebenden Bundesentgelttarifvertrag (BETV) haben sich IGBCE und BAVC auf erste Modernisierungsschritte verständigt.

  • So ist ab 1. September 2024 die Textform ausreichend statt der bisher notwendigen Schriftform. Damit können etwa Entgeltabrechnungen digital ausgegeben werden.
  • Auch wurden Berufsbezeichnungen aktualisiert und Regelungen zur Höhergruppierung angepasst.
  • Außerdem ist die Nutzung des Entgeltkorridors, mit dem die Entgelte mit Zustimmung der Tarifparteien um bis zu zehn Prozent abgesenkt werden können, künftig unbefristet möglich. Das eröffnet Unternehmen mit strukturellen Problemen mehr Planungssicherheit.
  • Zudem starten IGBCE und BAVC einen strategischen Prozess zur Modernisierung der Tarifverträge. Ziel ist es, die tarifvertraglichen Regelungen bis 2030 an die Herausforderungen der Arbeitswelt und die strukturellen Branchenveränderungen anzupassen. Die Chemie-Tarifverträge sollen einfacher werden. Dabei sollen auch die regional erarbeiteten Vorschläge zur Stärkung der beiderseitigen Tarifbindung aufgegriffen werden.

Talent-Sharing für die Chemie-Branche per Online-Plattform

IGBCE und BAVC investieren zusätzlich in die Fachkräftesicherung. Über den Unterstützungsverein der Chemischen Industrie (UCI) fördern die Chemie-Sozialpartner bundesweit die Einrichtung regionaler Fachkräfteradare. Dabei handelt es sich um eine Online-Plattform, bei der Betriebe ihre Mitarbeitenden und Ausbildungsabsolventen, die sie nicht mehr beschäftigen können, anderen Unternehmen in der Branche weiterempfehlen. So können Talente in der chemisch-pharmazeutischen Industrie gehalten und die Sozialpartnerschaft gestärkt werden.

Die Idee eines Fachkräfteradars wurde ursprünglich von HessenChemie für Ausbildungsabsolventen zusammen mit dem Anbieter stafftastic entwickelt und pilotiert, in der Folge vom Landesausschuss der ChemieArbeitgeber NRW aufgegriffen und um zusätzliche Zielgruppen erweitert.

  • Like
  • PDF

Das könnte Sie auch interessieren

Newsletter