Chemie im Alltag

Recycling: Weniger Abfall, mehr Kreislauf

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Recycling: Weniger Abfall, mehr Kreislauf
Umweltfreundliche Lösungen: Recyclingverfahren helfen, wichtige Rohstoffe zu erhalten und den Ressourcenverbrauch zu senken. Foto: New Africa - stock.adobe.com

Über 400 Millionen Tonnen – so hoch war die weltweit produzierte Kunststoffmenge im Jahr 2022. Das entspricht etwa zehn Millionen voll beladenen Lkw, die aneinandergereiht mehr als viermal die Erde umrunden würden. Kunststoffprodukte haben ein Verfallsdatum, aber das muss nicht das Aus bedeuten.  Zum Glück gibt es Recyclingmaschinen, die viele Abfallarten trennen und sortieren können. Und es gibt noch mehr Lösungen aus der Chemie, die helfen. Wir.Hier. erklärt, wie Recycling funktioniert, was es bringt und welche Hürden es gibt.  

Warum recyceln?

Schutz der Umwelt: Riesige Deponien, auf denen sich Müllberge türmen, oder schwimmende Plastikinseln in den Ozeanen – diese Bilder hat man oft vor Augen, wenn man an Abfall denkt. Recycling dient in erster Linie dem Umweltschutz. Viele Abfälle brauchen Hunderte von Jahren, bis sie vollständig abgebaut sind. Und je mehr davon recycelt wird, desto weniger landet in Müllverbrennungsanlagen, wo die Abfälle zur Energiegewinnung verheizt werden, auf Deponien oder im schlimmsten Fall in der Natur. Aus Deponien können nicht nur Schadstoffe in den Boden gelangen, sondern auch klimaschädliche Gase wie Methan entweichen, das bei der Zersetzung von biologisch abbaubaren Abfällen entsteht.

Ressourcenschonung und Energieeffizienz: Hier setzt der Recyclingkreislauf an. Wiederverwendung und Recycling verlangsamen den Verbrauch natürlicher Ressourcen, verringern die Zerstörung von Landschaften und Lebensräumen und fördern die biologische Vielfalt. Zudem ist die Herstellung von Produkten aus wiederverwerteten Rohstoffen – sogenannten Rezyklaten – in der Regel wesentlich energieeffizienter. Bei der Herstellung von Glas, Papier, Kunststoffen und Metallen lassen sich durch Rezyklate bis zu 50 Prozent Energie eingesparen.

Durch den geringeren Einsatz neuer Ressourcen und die damit verbundene höhere Energieeffizienz sinken die klimaschädlichen Emissionen. Das Umweltbundesamt hat errechnet, dass die deutsche Abfallwirtschaft vor rund 25 Jahren, als das Recycling noch nicht ausgereift war, für den Ausstoß von fast 38 Millionen Tonnen klimaschädlicher Gase verantwortlich war und damit das Klima erheblich belastete. Heute ist das anders: Jährlich werden durch Recycling sogar 18 Millionen Tonnen klimaschädliche Emissionen eingespart – das entspricht dem CO₂-Ausstoß von 7,7 Millionen Autos.

Wie funktioniert Recycling?

Neben der energetischen Verwertung in Müllverbrennungsanlagen gibt es die mechanische und die chemische Verwertung. Das mechanische Recycling ist der Klassiker unter den Verfahren. Kunststoffabfälle werden in speziellen Anlagen zerkleinert, sortiert und gewaschen. Anschließend werden sie eingeschmolzen und zu neuem Kunststoffgranulat verarbeitet. In der Praxis verwendet der Mainzer Reinigungs- und Pflegemittelspezialist Werner & Mertz solche Granulate für seine Produktverpackungen.  

Die Vorteile des mechanischen Recyclings liegen auf der Hand: Es ist energieeffizienter als die Herstellung neuer Produkte und basiert auf einer bewährten Technologie. Besonders gut funktioniert es bei sortenreinen Abfällen, also bei Abfallmaterialien, die nach einzelnen Wertstoffarten getrennt gesammelt werden, wie es zum Beispiel bei PET-Flaschen der Fall ist.

Es gibt aber auch Nachteile. Bei mehrfachem Recycling kann es zu Qualitätsverlusten kommen, was als Downcycling bezeichnet wird. Außerdem ist das Verfahren nicht für alle Materialien geeignet und funktioniert nicht gut bei Verunreinigungen oder Materialmischungen, also nicht sortenreinen Abfällen. Und wenn die Rezyklate von minderer Qualität sind, kommen sie für anspruchsvolle Anwendungen im Lebensmittel- oder Medizinbereich nicht mehr infrage.  

„Hier setzt das chemische Recycling als sinnvolle Ergänzung an“, erklärt der Verband der Chemischen Industrie in einem Positionspapier. Der Newcomer unter den Recyclingmethoden funktioniert so: Das Ausgangsmaterial wird in seine chemischen Grundbausteine zerlegt. Dies geschieht durch verschiedene Verfahren wie Pyrolyse, Vergasung oder Verölung. Aus diesen Bausteinen können dann wieder Kunststoffe in Neuware-Qualität entstehen.  

Der große Vorteil: Chemisches Recycling ermöglicht echtes „Upcycling“, bei dem alte Materialien in neuwertige Produkte verwandelt werden, und das gelingt auch bei gemischten und schmutzigen Kunststoffen. Doch auch diese Methode hat Nachteile. Der Prozess ist energieintensiver und die Technologie befindet sich noch in der Entwicklung. Dadurch entstehen höhere Kosten als beim mechanischen Recycling. Dennoch sehen viele Experten und Unternehmen im chemischen Recycling eine vielversprechende Ergänzung. So auch die BASF. Der Chemiekonzern verfolgt mit seinem Projekt „ChemCycling“ im Stammwerk Ludwigshafen das Ziel, Kunststoffabfälle zu verarbeiten, die „aus ökonomischen oder ökologischen Gründen nicht mechanisch recycelt werden“. Das Unternehmen speist aus Plastikabfällen gewonnenes Pyrolyseöl in seine Kunstoffproduktion und ersetzt damit Erdöl.  

Warum lässt sich nicht alles recyceln?

Ein großes Problem ist der Materialmix. Viele Produkte bestehen aus verschiedenen Materialien, die nur schwer zu trennen sind. Eine simple Chipstüte zum Beispiel kann aus Plastik, Aluminium und Papier in hauchdünnen Schichten bestehen – ein Albtraum fürs Recycling. Auch Verunreinigungen wie Essensreste in Verpackungen oder Etiketten auf Flaschen können den Recyclingprozess erheblich stören.  

Ein weiteres Hindernis ist der Qualitätsverlust, besonders bei Kunststoffen. Mit jedem Recyclingzyklus nimmt die Qualität ab, bis irgendwann Schluss ist. Auch die Wirtschaftlichkeit spielt eine Rolle. Recycling muss sich finanziell lohnen. Wenn die Kosten für recycelte Materialien sehr viel höher sind als für neue Rohstoffe, wird es schwierig, Abnehmer zu finden.

Was können die Verbraucher tun?

Es gibt ein paar einfache Tricks, mit denen jeder Recycling unterstützen kann. An erster Stelle steht die sorgfältige Mülltrennung. Je besser sortiert, desto einfacher das Recycling – das gilt auch für den Gelben Sack. Ein Hörtipp: Mit den „Recycling Brothers“ kann man sich die richtige Mülltrennung noch einmal (musikalisch) ins Gedächtnis rufen.  

Beim Einkaufen lohnt es sich, auf Produkte aus einem Material (Monomaterial) zu achten und mehrschichtige Kunststoffverpackungen sowie Papier-Kunststoff-Verbunde zu vermeiden. Wer recycelte Produkten kauft, fördert die Kreislaufwirtschaft.

Die Zukunft des Recyclings verspricht spannende Entwicklungen. KI-gestützte Sortiersysteme mit Robotern, die Abfälle noch genauer trennen können, sind einsatzbereit. Immer mehr Unternehmen setzen auf „Design for Recycling“, bei dem Produkte von Anfang an so gestaltet werden, dass sie leicht wiederverwertet werden können. Auch im Bereich des chemischen Recyclings arbeiten Forscher an neuen Verfahren, die effizienter und umweltfreundlicher sind. Doch unabhängig von allen Entwicklungen: Der beste Abfall ist immer noch der, der gar nicht erst entsteht. Müllvermeidung und Wiederverwendung, Reparieren statt Wegwerfen sollten daher immer an erster Stelle stehen. 

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