Arbeiten in der Chemie

Work-Life-Balance in der chemischen Industrie

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Cartoon: Ein Mann und eine Frau balancieren über ein Seil
Gleichgewicht: Die Balance zwischen Beruf und Freizeit zu halten ist manchmal gar nicht so einfach. Grafik: elizaliv, Jiw Ingka – stock.adobe.com

Die Einstellung zu Arbeit und Leben hat sich geändert: Viele jüngere Beschäftigte fragen sich, wie sie Kinderbetreuung und Beruf vereinbaren können. Für ältere Mitarbeitende wird die Pflege von Angehörigen neben dem Job immer wichtiger. Dem wachsenden Bedürfnis nach zeitlicher und räumlicher Flexibilität begegnen die Chemie-Unternehmen mit flexibler Arbeit, Teilzeit oder mobilem Arbeiten. Das zeigt die Studie „Mobile Arbeit – Sozialpartnerstudie 2023“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Zusammenarbeit mit der Chemie-Gewerkschaft IGBCE und dem Arbeitgeberverband BAVC. Knapp 21.000 Beschäftigte, Führungskräfte und Betriebsräte aus gut 70 Unternehmen haben an der Umfrage teilgenommen.

Mehr freie Zeit: Das „Zukunftskonto“ der Tarifsozialpartner ermöglicht mehr Urlaubstage. Grafik: Golden Sikora –stock.adobe.com
Mehr freie Zeit: Das „Zukunftskonto“ der Tarifsozialpartner ermöglicht mehr Urlaubstage. Grafik: Golden Sikora –stock.adobe.com

 

Zeitlich flexibel arbeiten

Die heimische Chemiebranche zeigt sich bei der Arbeitszeit besonders flexibel, das kommt gut an: Mehr als 94 Prozent der Beschäftigten können zumindest teilweise entscheiden, wann sie ihre Arbeit anfangen und beenden. So nutzen zum Beispiel rund 9,5 Prozent der Belegschaft von Renolit in Worms Teilzeitmodelle – auch in der Produktion. Und Rhodius in Burgbrohl schreibt selbst anspruchsvolle Positionen in Teilzeit aus. Familienunternehmen Boehringer Ingelheim bietet verschiedene Arbeitszeitmodelle abhängig zur Funktion an. Für den größten Teil der Mitarbeiter gibt es Gleitzeitmodelle „Ich schätze das Gleitzeitmodell und die Möglichkeit des mobilen Arbeitens sehr“, sagt auch Nina Schunck, Referentin in der Personalentwicklung bei Profine in Pirmasens. „So habe ich deutlich mehr Flexibilität bei privaten Terminen.“ AbbVie in Ludwigshafen betont: „Wir schaffen die idealen Rahmenbedingungen für fokussiertes und leidenschaftliches Arbeiten mit einer guten Work-Life-Balance. Wir bieten größtmögliche Flexibilität, um den Arbeitsalltag nach individuellen Bedürfnissen zu gestalten.“ Dazu gehören zum Beispiel flexible Arbeitszeitmodelle und ein New Work Modell (Life Navigation).

Mehr freie Zeit

Grundsätzlich hat in der Chemie jeder Mitarbeiter Anspruch auf 30 Tage Urlaub pro Jahr sowie Sonderurlaub für Schichtarbeiter. Die Chemie-Sozialpartner haben bereits im Tarifvertrag 2019 mit dem sogenannten „Zukunftskonto“ ein neues Instrument geschaffen: Die auf das Konto einbezahlten Gelder können – je nach Betriebsvereinbarung – als Freistellungstage genommen werden. Bei Renolit etwa können die Mitarbeitenden wählen, ob sie pro Jahr lieber vier Tage mehr Urlaub, eine bessere Altersvorsorge oder mehr Geld haben möchte. Diese Regelung steht seit 2022 auch im Tarifvertrag. „Das wird sehr gut angenommen“, sagt Dennis Balzhäuser, Betriebsrat bei Renolit. Zudem bietet das Unternehmen an, Guthaben auf einem sogenannten „Lebensarbeitszeitkonto“ für eine berufliche Auszeit zu nutzen (Sabbatical). Balzhäuser: „Mitarbeiter können Urlaubstage, Gelder oder Überstunden auf das Langzeitkonto einzahlen. Man könnte davon früher in Rente gehen – oder eben eine Auszeit nehmen.“

Hilfe bei persönlichen Problemen

Diskrete, kompetente Hilfe bei der Bewältigung persönlicher Probleme von der Sucht bis hin zu finanziellen Schwierigkeiten bieten nahezu alle Unternehmen an. So heißt es zum Beispiel bei Boehringer Ingelheim: „Für uns ist es selbstverständlich, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Familienangelegenheiten durch vielfältige Maßnahmen direkt unter die Arme zu greifen. Nicht zuletzt, weil Familienfreundlichkeit ein wesentlicher Aspekt unserer Unternehmenskultur ist.“

Mobil arbeiten

Mobiles Arbeiten ist heute fester Bestandteil der chemisch-pharmazeutischen Arbeitswelt. Rund 70 Prozent der teilnehmenden Betriebe verfügen über eine Betriebsvereinbarung mit der Möglichkeit zum ortsflexiblen Arbeiten. Weitere 24 Prozent arbeiten an einer betrieblichen Regelung.  Mobil arbeitende Beschäftigte sind an durchschnittlich zwei bis drei Tagen pro Woche im Homeoffice, so die Studie. Die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, ist durch die Pandemie stark vorangetrieben worden. „Wenn Corona überhaupt etwas Gutes gebracht hat, dann, dass wir die mobile Arbeitszeitregelung schnell abschließen konnten“, bestätigt Renolit-Betriebsrat Balzhäuser. „Wir bieten es jedem Mitarbeiter an, sofern es die Tätigkeit zulässt.“ Das Unternehmen hat bereits eine großzügige Betriebsvereinbarung getroffen, die das mobile Arbeiten künftig regelt. Auch Profine hat das mobile Arbeiten nach der Pandemie auf freiwilliger Basis rund zweimal die Woche im Angestelltenbereich aufrechterhalten.

Kinderbetreuung im Unternehmen

Rutschen, klettern, spielen: Große und kleinere Unternehmen wie das Biopharma-Unternehmen AbbVie oder LTS in Andernach betreiben mit eigenen Kindergärten eine familiengerechte Unternehmenspolitik. 
Die BASF in Ludwigshafen unterhält mit LuKids sogar die deutschlandweit größte betriebseigene Kindertagesstätte: Hier ist Platz für gut 270 Kinder im Alter von sechs Monaten bis zu drei Jahren. Integriert ist eine Kindernotfallbetreuung – sie hilft Mitarbeitern, wenn deren Kinderbetreuung kurzfristig ausfällt. Das Unternehmen unterstützt zudem rund um das Thema Schwangerschaft, Elternzeit und Wiedereinstieg. Auch die Freudenberg-Gruppe, die auch einen Standort in Kaiserslautern hat, betreibt seit 2014 eine betriebsnahe Kita. Das Konzept ist auf berufstätige Eltern zugeschnitten: Nur 15 Schließtage im Jahr und Betreuungszeiten von sieben, neun oder zehn Stunden werden hier angeboten. Andere Chemieunternehmen schließen Kooperationen mit Kindergärten der Stadt ab. Einige Firmen haben ein Eltern-Kind- Büro am Standort. Gut kommen auch Angebote zur Ferienbetreuung oder Familientage an, wie zum Beispiel bei den Gebrüdern Rhodius.
 

Unterstützung bei der Pflege

Unfall, Behinderung, Erkrankung, Alter – Pflegebedürftigkeit hat viele Facetten. Um den sich verändernden Alltag bewältigen zu können, bieten viele Betriebe wie AbbVie eine Pflegeberatung an, halten Informationsveranstaltungen ab und ermöglichen Erfahrungsaustausch. Es gibt eine bezahlte Auszeit zur Organisation von Pflege und einen Rechtsanspruch auf Pflegezeit. Renolit bietet seinen Mitarbeitern über die gesetzlichen Möglichkeiten hinaus zeitliche und finanzielle Entlastung im Pflegefall an: „Möglich macht das unser Pflegefonds“, berichtet Johanna Schlörit (30), die für den Arbeitgeberauftritt bei Renolit verantwortlich ist. Auch bei der BASF wird das sogenannte Familienpflegezeitgesetz noch durch eine betriebliche Vereinbarung verbessert: Sie ermöglicht es Mitarbeitern, den gesetzlichen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit von zwei Jahren auf bis zu sechs Jahre zu verlängern.

Unterstützung bei der Pflege: Betriebe bieten Beratung und finanzielle Hilfen an. Grafik: Aurielaki – stock.adobe.com
Unterstützung bei der Pflege: Betriebe bieten Beratung und finanzielle Hilfen an. Grafik: Aurielaki – stock.adobe.com

Besondere Leckerbissen

In manchen Unternehmen wie zum Beispiel bei Boehringer Ingelheim kann man Essen für die Familie aus dem Mitarbeiterrestaurant mitnehmen – alles ist frisch gekocht und verpackt. Für die nachhaltige Mitnahme von Speisen nutzt Boehringer das wiederverwendbare, pfandbasierte Mehrwegsystem „Vytal“. Manchmal hilft auch ein Reinigungsservice im Betrieb bei der Bewältigung privater Wäscheberge.

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