Arbeiten in der Chemie

Mit Erfahrung punkten

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BASF-Forschungstechnikum, Ludwigshafen: Nicht nur hier sind Mitarbeitende mit langer Expertise gefragt. Foto: BASF SE

 

Man nennt sie „Best Ager“, „alte Hasen“, „Seniors“ oder „Babyboomer“: Gemeint sind die aktuell Beschäftigten ab einem Alter von 55 plus. Studien zeigen: Während man noch vor einigen Jahren versucht hat, diese älteren Beschäftigten mit Frührentenprogrammen und Ähnlichem aus den Unternehmen zu entlassen, holen viele Betriebe sie jetzt wieder zurück, wollen sie weiterbilden oder halten. „Dafür bieten wir gewerblichen Mitarbeitern ein Umfeld, das dies erlaubt“, sagt zum Beispiel Heike Notzon, Personalleiterin beim Reifenhersteller Michelin in Bad Kreuznach.

Ein Grund: Diese Generation ist fitter, gesünder und unternehmungslustiger denn je. Selbst bei Neueinstellungen nimmt man explizit Ältere als Zielgruppe in den Blick. Fakt ist: Die Bevölkerungsstärke der 55- bis unter 65-Jährigen hat enorm zugenommen.

Erfahrung, belastbare Netzwerke, Arbeitstugenden

Die Unternehmen haben immer mehr von ihnen in ihren Reihen, unter anderem durch den demografischen Wandel. Die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre erhöht seit 2012 die Zahl der über 65-Jährigen am Arbeitsmarkt: Einige müssen auch im Rentenalter weiterarbeiten, andere wollen es so. Weil die geburtenstarken Jahrgänge nun aber in Rente gehen, werden dem Arbeitsmarkt in Deutschland bis zum Jahr 2036 insgesamt 12,9 Millionen Menschen verloren gehen. Dies entspricht knapp 30 Prozent der Erwerbstätigen des Jahres 2021, so das Statistische Bundesamt.

Was diese Gruppe für Arbeitgeber so attraktiv macht, hat das „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung“ (KOFA) ermittelt: Ältere haben sich viel Erfahrung und Fachwissen angeeignet und verfügen häufig über belastbare Netzwerke. Aufgrund ihres Wissens gehen sie mit mehr Besonnenheit an neue Herausforderungen heran als jüngere Kolleginnen und Kollegen. Kurze Einarbeitungszeiten und klassische Arbeitstugenden sind weitere Vorteile, so die Studie. Außerdem ist die Fluktuation geringer, Karriere und Jobwechsel sind weniger verlockend.

Ältere werden deshalb von ihren Arbeitgebern immer mehr motiviert, technisch auf dem Laufenden gehalten und mit ergonomischen Arbeitsplätzen unterstützt. Bei großen Unternehmen wie BASF, Boehringer Ingelheim, AbbVie, Grace oder Röchling laufen seit Jahren entsprechende Programme.

Sogar für die Ausbildung scheint die reife Generation wieder interessant zu werden. Denn einer der besten 127 Auszubildenden der IHK Pfalz 2022 wurde bereits im Jahr 1966 geboren: „Jemanden mit diesem Geburtsjahrgang dabeizuhaben, zeigt, dass auch Menschen über 50 bei Prüfungen hervorragende Ergebnisse erreichen können“, freut sich IHK-Geschäftsführer Michael Böffel über den erfolgreichen Prüfungsteilnehmer. „Es ist nie zu spät, eine Ausbildung zu beginnen.“

Flexibel sein und das Arbeitsleben entzerren

Allerdings sehen Experten, dass sich die Arbeitswelt künftig verändern und flexibler werden wird. „Wir müssen berufliche Bildung aufsplitten, sodass man sie sich in Modulen nach und nach erarbeiten kann“, sagt die renommierte Journalistin Margaret Heckel, die sich seit vielen Jahren mit dem demografischen Wandel und seinen Folgen beschäftigt. „Die Digitalisierung wird uns da helfen“, erklärt die Expertin. „Wenn wir länger arbeiten, entzerrt sich das Arbeitsleben. Man muss nicht mit Mitte 40 alles erreicht haben. Man kann mit 55 mal drei Monate Pause machen. Dann hat man auch eine Ahnung, wie sich Ruhestand anfühlt.“

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