Politik & Wirtschaft

Digitale Pioniere

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Die Digitalisierung ist ein Megatrend. Auch die rheinland-pfälzische Chemiebranche denkt in neuen Dimensionen, um im globalen Wettbewerb mitzuhalten. Als Prozessindustrie ist die Chemie zwar schon in hohem Maße automatisiert. Doch jetzt zeichnen sich neue Anwendungsfelder ab: Mithilfe digitalisierter Informationen lassen sich Kosten und Ressourcen sparen.


Da ist zum Beispiel die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance), bei der sich mithilfe einer App einzelne Stellventile und Durchflussmessgeräte aus der Ferne überwachen lassen. Weitere Felder sind die digitale Landwirtschaft, eine bessere Steuerung der Logistik oder die modulare Produktion.

„Vom Einkauf über Produktion bis Vertrieb“

So prüft man derzeit etwa beim Lack- und Farbenhersteller Jansen in Ahrweiler, wo der Schritt ins neue Zeitalter ansetzen soll: „Man muss immer mit der Zeit gehen“, sagt Geschäftsführer Peter Jansen. Veränderungen gehören hier zur Tradition: „Wir schauen, wo Digitalisierung vom Einkauf über die Produktion bis hin zum Vertrieb Sinn macht und wo wir davon tatsächlich profitieren können.“

Damit hat er die Nase vorn. Denn laut der jüngsten Studie der Zukunftsinitiative Rheinland-Pfalz (ZIRP) sagen zwar 92 Prozent der heimischen Unternehmer, dass die Digitalisierung „große Auswirkungen“ auf ihre Geschäftsabläufe habe. Dennoch schätzen zwei Drittel ihren eigenen Grad der Digitalisierung als nur „mittelmäßig“ ein. Mehr Mut wünscht sich da Ministerpräsidentin Malu Dreyer: „Der neuen industriellen Revolution der Digitalisierung müssen wir genauso angstfrei und selbstbewusst gegenübertreten wie den vergangenen industriellen Revolutionen“, sagt sie. „Ohne Technikfeindlichkeit, mit klugen Ideen für Qualifizierung, für die Tarif- und die Sozialpolitik und für soziale Gerechtigkeit!“

Viele Vorreiter in Rheinland-Pfalz

Einer, der die Entwicklung als Pionier vorantreibt, ist die BASF in Ludwigshafen. Gerade hat der weltgrößte Chemiekonzern seinen 1,75 Petaflops schnellen „Supercomputer“ in Betrieb genommen, der 1,75 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde schafft. Er soll helfen, den Datenschatz des Konzerns zu heben: „Wir sitzen auf einer wahren Goldmine und wissen nicht einmal, wie viel Gold drin ist“, sagt Vize-Vorstandschef Martin Brudermüller. Fest steht, dass der Megarechner etwa die Lebensdauer von Katalysatoren dreimal schneller berechnen kann. Und die Anzahl virtueller Experimente wird steigen: Nun lassen sich Tausende Versuchsreihen simulieren, durchrechnen und auswerten. In der Biotechnologie können Wissenschaftler auf der Suche nach vielversprechenden Enzymen oder geeigneten Bakterien für Produkte oder Prozesse mittels Data-Mining aus riesigen Datenbeständen Wissen schneller extrahieren. Und Landwirte nutzen zunehmend die BASF-Onlineplattform Maglis, um die Bewirtschaftung ihrer Flächen zu optimieren.

Mit Geld und strategischen Partnerschaften will auch das Spezialchemie-Unternehmen Evonik, das einen Standort in Worms hat, seine Position in der digitalen Welt weiter stärken: Bis zum Jahr 2020 sollen rund 100 Millionen Euro in die Entwicklung und Erprobung digitaler Technologien und den Kompetenzaufbau fließen. Im Fokus stehen dabei neue Geschäftsmodelle, Lösungen und Service für Kunden sowie die Qualifizierung von Mitarbeitern.

Unendlich groß ist die Welt zwischen den Nullen und Einsen, das weiß auch Harald Schaub, Chef der Chemischen Fabrik Budenheim. Er feuert besonders den Mittelstand an, diese Welt zu erobern: „Wir haben die Freiheit, unsere Unternehmen zu entwickeln und unsere Industriegesellschaft zu erneuern. Es liegt an uns!“ Dabei setzt er auf das starke Bündnis zwischen Firmen, Chemieverbänden, Betriebsräten und der Chemiegewerkschaft IG BCE.

Allerdings gibt es Stolpersteine auf dem Weg ins digitale Zeitalter. Laut ZIRP-Studie sind das: die Unsicherheit sensibler Daten sowie rechtliche Unsicherheiten bei Datenschutz und Online-Handel. Dazu kämen fehlende Fachkräfte und technische Standards, hoher Qualifizierungsbedarf und mangelnde Breitbandanschlüsse.

Auch interessant:

Wie Digitalisierung erfolgreich in die Praxis umgesetzt wird, lesen Sie in unserer Reportage.

VCI-Studie analysiert die Zukunft der Branche:

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Katherina Reiche, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie.

Energiewende ja, aber anders
Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche will den Ausbau erneuerbarer Energien und die Kosteneffizienz neu ausbalancieren. Betreiber von Ökostrom-Anlagen sollen sich Ihrer Meinung nach künftig an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligen.
Wie die Frankfurter Neue Presse meldete, möchte Reiche Ende des Sommers einen „Realitätscheck“ zur Energiewende vorlegen. „Wir brauchen zwingend mehr Steuerbarkeit, um die Volatilität der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien ausgleichen zu können“, sagte sie demnach. „Auch Speicher spielen zum Ausgleich eine Rolle. Sie sind Teil der Lösung, aber reichen allein nicht aus. Wir werden uns die Ergebnisse genau anschauen, und dann werden wir die notwendigen Schlüsse daraus ziehen.“ 
Der Ausbau der Stromnetze geschieht zu langsam
Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne) hatte mit verschiedenen Maßnahmen den Ausbau des Ökostroms vor allem aus Wind und Sonne vorangetrieben. Die erneuerbaren Energien sollen eine Schlüsselrolle spielen, damit Klimaziele erreicht werden. Der Ausbau der Stromnetze hält aber nicht Schritt. Wegen fehlender Netze müssen erneuerbare Anlagen immer wieder gedrosselt werden. Ausgleichsmaßnahmen gegen Netzengpässe kosten Geld. Um den vor allem im Norden produzierten Windstrom in den Süden zu leiten, sind zusätzliche Stromleitungen erforderlich. Ein Großteil ist aber noch nicht fertig.
Mehr Kosteneffizienz als Ziel
Mit Blick auf geplante Entlastungen der Stromkunden bei den Netzentgelten, mit denen unter anderem der Netzausbau finanziert wird, sagte die Ministerin: Momentan würden Kosten vom Stromkunden in die öffentlichen Haushalte und damit auf den Steuerzahler verschoben. „Wir lösen damit nicht das grundlegende Problem. Die Entlastungen bei der Stromsteuer, die Abschaffung der Gasspeicherumlage, die teilweise Übernahme der Netzkosten und die Übernahme der schon länger in den Haushalt verlagerten EEG-Kosten machen zusammen rund 30 Milliarden Euro aus.“ Die Energiewende müsse kosteneffizienter werden. „Und das geht auch.“
Zweifel am prognostizierten Stromverbrauch
Eine wesentliche Kenngröße sei der prognostizierte Stromverbrauch, sagte Reiche. „Die letzte Regierung hat angenommen, dass der Stromverbrauch schon 2030 auf bis zu 750 Terawattstunden steigt, bis 2035 gibt es Prognosen von 1.000 Terawattstunden.“ Das wäre eine Steigerung von fast 50 Prozent innerhalb weniger Jahre. „Seriöse Studien zweifeln, ob diese Steigerungen der Realität standhalten. Wir werden eine deutliche Zunahme der Elektrifizierung sehen, insbesondere im Bereich der Wärmepumpen, der Elektromobilität, der Digitalisierung. Ob in den von der Ampel angenommenen Größenordnungen, darf bezweifelt werden.“
Ökostrom-Betreiber sollen sich an Kosten für Netzausbau beteiligen
Betreiber von Anlagen erneuerbarer Energien müssten mehr Systemverantwortung übernehmen, meint Reiche. Sie sollten sich an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligen. „Systemverantwortung heißt, dass die Kosten für den Netzausbau nicht mehr nur über die Netzbetreiber und die allgemeinen Netzentgelte von den Stromkunden zu bezahlen sind“, sagte Reiche. Die Kosten für den Netzausbau liegen bisher voll beim Netzbetreiber und werden über die Netzentgelte von den Stromkunden bezahlt.

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