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17 Diesel Skandal Fakten - Wir. Hier.

· Lesezeit 9 Minuten.
Wie sieht es im inneren des Tanks aus? Wir überprüfen die Diesel Skandal Fakten
Foto: AdobeStock:17 Fakten zum Diesel Skandal. Foto: nexusseven - stock.adobe.com

Seit der Aufdeckung des Abgas-Skandals im Jahr 2015 ist „Diesel“ für viele zum Unwort geworden. Fahrer von Dieselautos fühlen sich hintergangen und der Ruf der Technik hat schwer gelitten. Doch worum geht es eigentlich genau? Hier sind 17 Fakten rund um den Diesel, mit denen Sie in der hitzigen Debatte den Durchblick behalten.

 

1.    Worum geht es eigentlich noch mal genau beim „Diesel-Skandal“?

Verschiedene Autohersteller haben den gemessenen Stickoxidausstoß ihrer Autos manipuliert. Sie hatten eine Software installiert, welche die Prüfungssituation, in der die Schadstoffemissionen gemessen werden, anhand des speziellen Fahrverhaltens automatisch erkennt. Die Abgasaufbereitung arbeitet dann mit voller Leistung, so dass der Stickoxidausstoß gering ist. Im realen Verkehr dagegen ist das System teilweise abgeschaltet und die Emissionen sind wesentlich höher. Das ist für den Hersteller günstiger, denn ein System, dass nur in Einzelfällen genutzt wird und nicht im Dauereinsatz ist, hat eine längere Lebensdauer. Der Skandal wird oft mit Volkswagen in Verbindung gebracht, da bei VW die Manipulation als erstes entdeckt wurde.

 

2.    Welche Schadstoffe entstehen durchs Autofahren?

Bei der Umweltfreundlichkeit von Autos denken viele zunächst an die CO2-Emissionen. Diese sind zwar ein wichtiger Teil der Umweltbilanz von Autos, aber nicht der einzige Faktor. Neben den Treibhausgasen, die beim Fahren mit Verbrennungsmotoren wie Diesel und Benzin entstehen, erzeugen Autos auch Luftschadstoffe wie Stickoxide und Feinstaub. Dazu kommen noch die Energie, die bei der Auto- und Antriebsherstellung gebraucht wird – und häufig aus Kohlekraftwerken stammt – und die Entsorgung. Die verschiedenen Aspekte sind nur schwer gegeneinander aufzurechnen, was einen direkten Vergleich zwischen unterschiedlichen Autos schwer macht. Das Beste ist also, alle Schadstoffe gleichzeitig zu reduzieren.

 

3.    Welche Abgasnormen gibt es?

Für Pkw mit Verbrennungsmotoren gelten europaweit einheitliche Normen – die von eins aufwärts nummerierten „Euro“-Normen - für ihren Schadstoffausstoß. Seit 1992 werden sie stufenweise alle paar Jahre verschärft. Die Normen beziehen sich auf Faktoren wie CO2, Stickoxid- und Partikelemissionen. Für jeden Faktor gibt es eine Obergrenze, die in Gramm pro gefahrenem Kilometer gemessen wird. Wer diese übertrifft, erhält die entsprechende Norm nicht. Der aktuell geltende Abgasstandard ist die Euro 6d-TEMP Norm. Fahrern von Autos, die aktuelle Standards nicht erfüllen, drohen Fahrverbote in Umweltzonen, beispielsweise in Innenstädten.

Welche Grenzwerte Autos einhalten müssen, erfahren Sie hier.

 

4.    Europa geht bei der CO2-Regulierung voran

In der EU gelten die die strengsten Ziele für die CO2-Emissionen. 2015 durften die durchschnittlichen Emissionen aller PKW-Neuzulassungen nicht über 130 Gramm CO2 pro Kilometer liegen. Das entspricht etwa einem Verbrauch von 4,9 Litern Diesel oder 5,6 Litern Benzin pro hundert Kilometer. Für 2021 wird der Zielwert in der EU auf 95 Gramm CO2 pro Kilometer verschärft – umgerechnet ein Durchschnittsverbrauch von 3,6 Litern Diesel oder 4,1 Litern Benzin pro hundert Kilometer. Zum Vergleich: Für 2020 haben die USA als Zielwert 121 Gramm, China 117 Gramm und Japan 205 Gramm CO2 pro Kilometer. Die USA und Kanada möchten immerhin nachziehen – sie haben für 2025 das Ziel von 93 Gramm pro Kilometer.

 

5.    Werden bald alle Diesel-Autos aus deutschen Innenstädten verbannt?

Nein. Die beiden Urteile über die Zulässigkeit von Fahrverboten des Bundesverwaltungsgerichts im Februar 2018 bedeuten nicht, dass Diesel-Autos tatsächlich nicht mehr in die Städte dürfen, sondern nur, dass Fahrverbote nach geltendem Recht und ohne eine bundesweit einheitliche Regelung möglich sind. Ob sie letztendlich auch angeordnet werden, liegt in den Händen der jeweiligen Städte und Bezirksregierungen. Die Urteile bezogen sich auf zwei konkrete Fälle in Düsseldorf und Stuttgart. Verbote könnten zum Einsatz kommen, wenn an bestimmten Orten regelmäßig Schadstoffgrenzen überschritten werden. In Hamburg sind die bundesweit ersten Diesel-Fahrverbote zur Luftreinhaltung zwar Ende Mai 2018 in Kraft getreten, jedoch haben und hätten Diesel-Fahrverbote, wie in Hamburg auch, immer einige Einschränkungen. Zum einen würden sie stufenweise eingeführt: Zunächst dürften nur alte Diesel-Fahrzeuge bis Abgasnorm Euro 4 verbannt werden, Verbote für Autos mit Euro 5 dürften frühestens ab September 2019 in Kraft treten. Außerdem soll es zahlreiche Ausnahmen geben, etwa für Handwerksbetriebe oder Taxis. Zusätzlich muss die Verhältnismäßigkeit der Fahrverbote überprüft werden.

 

6.    Der Diesel hat große Bedeutung für die deutsche Wirtschaft

2016 wurden rund 5,7 Millionen Pkw in Deutschland produziert, fast die Hälfte davon nutzt Diesel als Treibstoff. An der Herstellung von Verbrennungsmotoren und Getrieben hängen laut ifo Institut mehr als 600.000 Arbeitsplätze. Diese Mitarbeiter sind für rund 13 Prozent der Bruttowertschöpfung der deutschen Industrie verantwortlich – insgesamt ein Wert von 48 Milliarden Euro. Und auch für Deutschland als Export-Nation ist die Technik wertvoll, da drei von vier in Deutschland gebauter Pkw im Ausland verkauft werden.

 

7.    Der Dieselantrieb verschwindet nicht

Autos mit alternativen Antrieben, wie etwa Elektroautos mit Batterie oder Brennstoffzelle, werden immer wichtiger, da sie ein umwelt- und klimafreundlicheres Fahrerlebnis liefern. Doch trotz der aktuellen Debatte wird der Diesel nicht einfach so verschwinden, sondern dank technischer Verbesserungen auch die nächsten Jahrzehnte noch häufig zum Einsatz kommen. Eine Studie zur Zukunft der Mobilität von Shell prognostiziert in ihrem Szenario mit stabilen Rahmenbedingungen, dass im Jahr 2040 immer noch rund 16 Millionen Diesel-Pkw in Deutschland unterwegs sind – ein ähnliches Niveau wie heute.

 

8.    Diesel besser bei CO2, Benzin bei Stickoxiden

Diesel oder Benzin – was ist sauberer? Das ist leider nicht so einfach zu beantworten. Betrachtet man die CO2-Emissionen, haben Dieselfahrzeuge einen leichten Vorteil: Bei vergleichbaren Fahrzeugen verursachen sie bis zu 15 Prozent weniger CO2 pro Kilometer als ein Benziner. Das liegt unter anderem am höheren Wirkungsgrad und dem geringeren Verbrauch. Allerdings kommen Dieselmotoren häufig in SUVs zum Einsatz – und deren höherer Verbrauch im Vergleich zum Pkw macht den Vorteil zumindest teilweise wieder wett. Beim Stickoxid-Ausstoß hat dagegen der Benzinmotor die Nase deutlich vorne. Dieselautos verursachen nämlich rund neunmal so viel Stickoxid wie Benziner. Durch eine Abgasnachbehandlung kann dieser Ausstoß aber verringert werden. Bei beiden Aspekten schneiden übrigens Elektroautos am besten ab.

 

9.    Die Antriebsart ist bei Feinstaubverschmutzung zweitrangig

Der Diesel gilt als Feinstaubschleuder, allerdings sind Abgase gar nicht die Hauptverursacher von Feinstaub. Laut Messungen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg sind diese nur für rund 15 bis 25 Prozent des im Autoverkehr entstehenden PM10-Feinstaubs verantwortlich. Der Rest entsteht durch Abrieb der Reifen an der Straßenoberfläche, beim Bremsen oder durch das Aufwirbeln von Staub auf der Straße. Zudem reduzieren Partikelfiltersysteme den Feinstaubausstoß durch Abgase von Dieselfahrzeugen, sodass es über den gesamten Lebenszyklus betrachtet kaum Unterschiede zwischen Diesel-, Benzin- und Elektroantrieb bei der Feinstaubverschmutzung gibt.

 

10.    So funktioniert die Diesel-Abgasreinigung

Durch die Verbrennung von Diesel entstehen im Motor eine Reihe schädlicher Abgase, darunter Stickoxide und Rußpartikel. In Diesel-Autos sind deshalb verschiedene Systeme, die bei der Abgasnachbehandlung die schädlichsten Stoffe rausfiltern.

Der Oxidationskatalysator etwa spaltet Kohlenwasserstoff und Kohlenmonoxid in CO2 und Wasserdampf auf. Der Partikelfilter filtert Rußpartikel aus den Abgasen und Stickoxide werden mithilfe eines SCR-Katalysators reduziert. Dieser wandelt mit Hilfe eines Harnstoff-Wasser-Gemisches die Stickoxide in Wasser und Stickstoff um. Auch mit Abgasrückführung oder Wassereinspritzung lassen sich die Stickoxid-Emissionen reduzieren, allerdings weniger effektiv.

 

11.    Die meisten Dieselautos auf den Straßen erfüllen nicht die neuesten Schadstoffnormen

In Deutschland fuhren 2017 gut 15 Millionen Dieselautos durchs Land. Nur knapp 2,7 Millionen von ihnen erfüllten die Abgasnorm Euro 6. Die meisten – rund 5,9 Millionen – erfüllten die ältere Euro 5 Norm, 6,4 Millionen nur Euro 4 oder schlechter.

 

12.    Software-Updates senken die Stickoxid-Emissionen

Als Reaktion auf die Diesel-Manipulation wurde VW verpflichtet, die Fahrzeuge mit der manipulierten Software nachzurüsten, so dass die Abgasreinigung auch im normalen Gebrauch wie vorgeschrieben arbeitet. Außerdem haben einige Hersteller freiwillige Software-Updates angekündigt. Insgesamt sollen die Autos so rund 25 Prozent weniger Stickoxid ausstoßen. Allerdings sind viele der freiwilligen Updates noch nicht umgesetzt.

Alles über die Wirksamkeit von Software-Updates erfahren sie hier.

 

13.    Was ist die „blaue Plakette“?

In der Politik wird über die Einführung einer „blauen Plakette“ für Autos diskutiert, zusätzlich zu den bereits vorhandenen Umweltplaketten in grün, gelb und rot. Die blaue Plakette würde Autos mit besonders geringen Stickoxid-Emissionen verliehen. In Städten könnten dann blaue Umweltzonen eingerichtet werden, in denen nur Fahrzeuge mit der entsprechenden Plakette fahren dürfen. Denkbar ist auch eine Abstufung: Beispielsweise eine hellblaue Plakette für nachgerüstete Euro-5-Diesel und bereits zugelassene Autos der Euro-6-Norm sowie eine dunkelblaue Plakette für Autos mit den Euro 6d-TEMP oder Euro 6d Normen, die weniger Stickoxid ausstoßen. Dann könnten die Autos, je nach zeitlicher und örtlicher Schadstoffbelastung, entweder beide Plaketten oder nur die dunkelblaue Fahrerlaubnis in den Städten bekommen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ist allerdings gegen die Einführung einer blauen Plakette.

 

14.    Dieselverbrauch bei Lkw schrumpft

Ob Fahrzeuge durch verbesserte Technik weniger Kraftstoff verbrauchen, ist nicht immer einfach zu ermitteln: Der Verbrauch ist unter anderem abhängig von Fahrzeugtyp, Fahrstil und äußeren Umständen. Die Fachzeitschrift Lastauto Omnibus hat dennoch den Vergleich versucht. Im Test traten drei Mercedes Lkw vom Typ Actros gegeneinander an – einer aus dem Jahr 1996, einer aus 2003 und einer von heute. Die drei Modelle rollten mit jeweils 40 Tonnen Testgewicht über eine gut eineinhalb Kilometer lange Strecke. Das Ergebnis: Der moderne Actros verbrauchte 22 Prozent weniger Treibstoff als sein Vorgänger von 1996.

 

15.    Dieselneuzulassungen gehen zurück

Der Absatz von Diesel-Pkw in Deutschland befindet sich seit dem Abgasskandal und der Debatte um Fahrverbote auf Talfahrt. Im März 2018 brach die Zahl der Neuzulassungen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 25,4 Prozent ein. Insgesamt lag die Diesel-Quote damit nur noch bei 31,4 Prozent aller Neuzulassungen im deutschen Pkw-Markt. Zum Vergleich: Im März 2017 lag der Diesel-Anteil bei den Neuwagen noch bei mehr als 40 Prozent, im März 2015 noch bei fast 48 Prozent.

 

16.    Bei Lkw ist Diesel klar die Nummer eins

Über drei Millionen Lkw waren 2017 in Deutschland im Fahrzeugbestand. Mehr als 2,7 Millionen davon wurden mit Diesel betrieben – das sind über 90 Prozent. Gerade bei Lkw sind die höhere Energiedichte und der geringere Verbrauch des Dieselantriebs von Vorteil.

 

17.    Unternehmen setzen auf Dieselflotten

Fast zwei Drittel aller im Jahr 2017 neuzugelassenen Firmenautos haben Dieselmotoren. Das zeigen die Zahlen des Marktforschungsinstituts Dataforce. Damit liegt der Anteil bei Firmenwagen deutlich höher als im gesamten Markt. Doch auch hier ist der Trend rückläufig: 2015 waren noch fast drei Viertel der neuzugelassenen Firmenwagen dieselbetrieben. Aufgrund der negativen Berichterstattung sank der Anteil zunächst auf 71 Prozent in 2016 und anschließend auf 65 Prozent im Jahr 2017.

 

Weitere Fragen zur Zukunft der Dieseltechnologie hat BASF hier diskutiert.

 

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