Politik & Wirtschaft

Was die Chemie für Nachhaltigkeit tut

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Gas- und Dampfkraftwerk der BASF: Der Chemieriese will bis 2020 je Tonne Produkt 40 Prozent weniger Klimagas ausstoßen als 2002.

Erderwärmung, Nitrat im Grundwasser, Plastikmüll in den Meeren – das bewegt viele Menschen. Und es bewegt die Chemieindustrie. 2,3 Milliarden Euro hat die Branche zuletzt bundesweit in den Umweltschutz gesteckt, 600 Millionen Euro in neue Anlagen investiert. Vielen Unternehmen – auch hier in Rheinland-Pfalz – ist nachhaltiges Wirtschaften wichtig. Sie tun etwas gegen Meeresmüll und Nitrat im Boden, nutzen Sonnenstrom oder tüfteln an nachhaltigeren Produkten.

Wie etwa Michelin. Der Reifenhersteller, der unter anderem in Bad Kreuznach (1500 Beschäftigte) und Trier (100 Mitarbeiter) produziert, hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: In 30 Jahren will er seine Pneus zu 80 Prozent aus nachhaltigen und nachwachsenden Materialien fertigen und alle Reifen aus eigener Produktion recyceln. „Heute werden weltweit 70 Prozent aller Reifen gesammelt und 50 Prozent rezykliert“, sagt Cyrille Roget von der Wissenschaftskommunikation bei Michelin. Der Konzern nutzt das schon.

Initiative kämpft gegen den Meeresmüll

Der Hersteller von Kunststoffprofilen Profine in Pirmasens (1200 Beschäftigte) setzt bereits lange Rezyklate von Altfenstern ein. Seit einem Jahr nutzt er Sonnenstrom aus eigener Anlage. Jetzt hat er sich der Unternehmensinitiative „Null Granulatverlust“ angeschlossen, um etwas gegen die Vermüllung der Meere zu tun. Ausgeklügelte Maßnahmen sollen verhindern, dass aus dem Werk Kunststoffgranulat nach draußen gelangt. „Uns liegt der Schutz der Umwelt am Herzen“, sagt Peter Mrosik, geschäftsführender Gesellschafter. „Wir wollen jetzt unsere Verarbeiter für die Initiative gewinnen.“

Das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim spart verstärkt Energie. Es betreibt Effizienzprojekte, optimiert Anlagen und Prozesse. Das neue 82 Millionen Euro teure Bürogebäude am Firmensitz Ingelheim (8300 Mitarbeiter) verbraucht dank Isolierung, Dreifachverglasung und Wärmerückgewinnung sehr wenig Energie. Clou des Baus: Auf Basis von Wetterprognosen lässt sich das Raumklima vorausschauend regulieren. Bis 2020 will Boehringer den Klimagasausstoß um 20 Prozent gegenüber 2010 senken.

Das zeigt: Wer Energie sparen will, muss an vielen Stellschrauben drehen. Beim Unternehmen Röchlinger, das in Worms (650 Beschäftigte) zum Beispiel Luftklappen für Autos herstellt, hat man deshalb alles erfasst, was im Werk Energie verbraucht. „So konnten wir ganz systematisch vorgehen“, sagt Uwe Kiefer, Beauftragter für Energiemanagement. „Wir haben auf LEDs umgestellt, wir haben Maschinen, Pumpen, Kompressoren und Kühlanlage optimiert.“ Seit 2014 sparte man insgesamt 2,4 Millionen Kilowattstunden Strom ein – so viel, wie 860 Haushalte im Jahr verbrauchen.

Gegen Nitrat im Grundwasser

Auch der Mineralwasserabfüller Rhodius in Burgbrohl (220 Mitarbeiter) setzt an vielen Stellen an: LEDs, neue Heizung, effizientere Motoren, modernere Dosenabfüllanlage. Allein dort verbraucht Rhodius jetzt 60 Prozent weniger Energie. Zudem vertreibt die Firma ihr Mineralwasser nur regional.

Für Nachhaltigkeit engagiert sich auch der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF. Seine Wissenschaftler haben zum Beispiel eine Substanz entwickelt, die beim Düngen mit Gülle das Grundwasser schützt. Sie bremst die Entstehung von Nitrat und verringert so deutlich die Menge des Schadstoffs, die im Boden versickert.

Was Werner & Mertz aus Mainz, bekannt für die Frosch-Reiniger, für Nachhaltigkeit tut, lesen Sie hier.

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Energiewende ja, aber anders
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Eine wesentliche Kenngröße sei der prognostizierte Stromverbrauch, sagte Reiche. „Die letzte Regierung hat angenommen, dass der Stromverbrauch schon 2030 auf bis zu 750 Terawattstunden steigt, bis 2035 gibt es Prognosen von 1.000 Terawattstunden.“ Das wäre eine Steigerung von fast 50 Prozent innerhalb weniger Jahre. „Seriöse Studien zweifeln, ob diese Steigerungen der Realität standhalten. Wir werden eine deutliche Zunahme der Elektrifizierung sehen, insbesondere im Bereich der Wärmepumpen, der Elektromobilität, der Digitalisierung. Ob in den von der Ampel angenommenen Größenordnungen, darf bezweifelt werden.“
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Betreiber von Anlagen erneuerbarer Energien müssten mehr Systemverantwortung übernehmen, meint Reiche. Sie sollten sich an der Finanzierung des Netzausbaus beteiligen. „Systemverantwortung heißt, dass die Kosten für den Netzausbau nicht mehr nur über die Netzbetreiber und die allgemeinen Netzentgelte von den Stromkunden zu bezahlen sind“, sagte Reiche. Die Kosten für den Netzausbau liegen bisher voll beim Netzbetreiber und werden über die Netzentgelte von den Stromkunden bezahlt.

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