Diversität wird groß geschrieben in den Betrieben. Steigt damit auch das Konfliktpotenzial?
Michael Niehaus: Dazu muss man zunächst sagen, dass Diversität eigentlich schon immer da war. Es ist völlig normal, dass in den Belegschaften unterschiedliche Menschen zusammenarbeiten. Entscheidend ist: Wie gehen Unternehmen damit um? Davon hängt es ab, ob es Reibungsverluste gibt durch Konflikte – oder ob die Vielfalt fürs Unternehmen als Vorteil genutzt werden kann.
Konflikte werden oft durch Vorurteile ausgelöst. Woher kommen sie?
Michael Niehaus: Eigentlich ist es für uns alle normal, mit Vorannahmen durch die Welt zu gehen. Wichtig ist aber, dass man diese Annahmen selbst hinterfragt und Raum dafür gibt, einen Kollegen kennenzulernen. Damit für pauschale Stereotype kein Platz ist, muss jeder einzelne sensibilisiert sein dafür, dass grundsätzlich jeder Mensch anders ist. Das kann der Arbeitgeber unterstützen. Wenn es zum Beispiel in einer Belegschaft Stereotype für ganze Gruppen gibt, wie „Die Türken“ oder „Die Deutschen“, dann sollte die direkte Führungskraft diese Denkmuster versuchen aufzubrechen.
Wo fängt Ausgrenzung an?
Michael Niehaus: Ausgrenzung fängt sehr niederschwellig an. Zum Beispiel, wenn Kollegen das Gefühl haben, nicht zu ihrer sexuellen Orientierung stehen zu können.
Wenn Ausgrenzung konkret wird – zum Beispiel durch verbale Angriffe: An wen können Mitarbeiter sich wenden?
Michael Niehaus: An die direkte Führungskraft. Eine zweite mögliche Anlaufstelle ist der Betriebsrat. Häufig gibt es auch Gleichstellungsbeauftragte, die sich um solche Probleme kümmern.
Wie können Betroffene ihre Position stärken?
Michael Niehaus: Arbeitgeber sind verpflichtet, Vorwürfen nachzugehen. Denn sie haben eine Fürsorgepflicht für ihre Beschäftigten. Allerdings ist es ist oft schwierig, Ausgrenzung nachzuprüfen. Da ist es von Vorteil, wenn Betroffene solche Vorfälle dokumentieren: Zum Beispiel, indem sie Notizen machen.
Rücksichtnahme ist wichtig. Aber wer muss eigentlich auf wen Rücksicht nehmen?
Michael Niehaus: Klar ist beispielsweise, dass man auf Kollegen mit Behinderungen und Einschränkungen Rücksicht nimmt, oder solche mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen. Das heißt aber nicht, dass andere, denen man es nicht gleich anmerkt, keiner Rücksicht bedürfen. Deshalb ist es wichtig, die verschiedenen Bedarfe im Team transparent zu machen und nachvollziehbar zu regeln. Führungskräfte müssen darauf ein Auge haben – und auch um Verständnis werben.
Über Michael Niehaus
Michael Niehaus ist seit 2005 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeitsschutz in Arbeitsmedizin (BAUA) in Dortmund. Er forscht unter anderem zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit vor dem Hintergrund des Wandels der Arbeitswelt.