Arbeiten in der Chemie

Flexibles Arbeiten verbreitet – auch in der Produktion

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Flexibles Arbeiten verbreitet – auch in der Produktion
Von Zuhause arbeiten: Knapp 70 Prozent der Unternehmen haben bereits eine Vereinbarung zu mobilen Arbeiten geschlossen. Foto:stock.adobe.com/Girts

Flexibles Arbeiten ist fast überall in den Chemieunternehmen zumindest teilweise möglich. Das zeigen die Studienergebnisse zur Praxis des mobilen Arbeitens bei den Chemie-Arbeitgebern. Knapp 21.000 Beschäftigte, Führungskräfte und Betriebsräte aus gut 70 Unternehmen haben an der von Fraunhofer IAO durchgeführten Studie im Sommer teilgenommen. Der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und Gewerkschaft IGBCE hatten in der Tarifrunde 2022 vereinbart, auf Basis der Studienergebnisse zu prüfen, ob tarifpolitischer Handlungsbedarf zum mobilen Arbeiten besteht. Rahmenbedingungen wie etwa der Grundsatz der Freiwilligkeit, aber auch die Option, Ruhezeiten zu kürzen, wurden bereits 2019 im Tarifvertrag Moderne Arbeitswelt festgelegt.

Mobiles Arbeiten ist selbstverständlich geworden

Knapp 70 Prozent der Unternehmen hatten im Sommer 2023 bereits eine Vereinbarung zu ortsflexiblem Arbeiten geschlossen. In den übrigen Betrieben laufen Gespräche oder es besteht zumindest die Absicht, eine Regelung zu vereinbaren. Ortsflexibles Arbeiten ist heute eine Selbstverständlichkeit geworden, die betriebsindividuell und damit passgenau zwischen Unternehmen und Betriebsräten vereinbart wird. 78 Prozent der Befragten arbeiten zumindest teilweise mobil.

Flexibilisierung auch in der Produktion

 Je mehr Wissensarbeit, desto digitaler und damit mobiler ist der Job. Das bedeutet jedoch nicht, dass Produktionsbeschäftigte keine Flexibilität erleben. Denn neben der Flexibilität des Arbeitsortes ist die Lage der Arbeitszeit zentral. Mehr als 94 Prozent aller Befragten haben (zumindest teilweise) einen Entscheidungsspielraum, wann sie ihre Tätigkeit beginnen oder beenden. Das belegt, dass auch Produktionsbeschäftigte längst von Flexibilisierungen profitieren.

Ebenfalls bemerkenswert ist, dass knapp 13 Prozent der Befragten nicht mobil arbeiten, obwohl ihre Tätigkeit dies zuließe. Ein gutes Drittel dieser Beschäftigten hat sich aktiv gegen die mobile Arbeit entschieden. Sie arbeiten lieber im Betrieb. Gegenwärtig wird an 2 bis 3 Tagen/Woche mobil gearbeitet, wobei der durchschnittliche Wunsch vieler Beschäftigter eher bei 3 bis 4 Tagen/Woche liegt. Bedenklich ist, dass 18 Prozent der mobil Arbeitenden am liebsten gar nicht mehr ins Büro kommen würden und stattdessen 5 Tage/Woche mobil arbeiten wollen. Eine Einbindung in das Team und eine Bindung an das Unternehmen können so kaum erreicht werden.

Desk-Sharing vs. eigener Schreibtisch

Vor allem in großen Betrieben wurde in den letzten Jahren bereits Bürofläche reduziert. Damit einher geht die Umsetzung von Desk-Sharing-Konzepten: Derzeit teilen sich knapp ein Viertel der mobil Arbeitenden den Arbeitsplatz mit anderen, wogegen fast die Hälfte der Teilnehmenden heute noch einen persönlich zugeordneten Arbeitsplatz hat und auf diesen auch nicht verzichten möchte. Die Bedeutung des eigenen Arbeitsplatzes, aber auch Vorbehalte gegen Desk-Sharing, zeigen sich im Meinungsbild.

Desk-Sharing-Konzepte finden sich fast nur in großen Betrieben mit über 1.000 Beschäftigten, in denen bereits ein Drittel der Mitarbeitenden ihren Arbeitsplatz teilen. Bei den Betrieben unter 1.000 Beschäftigten sind es hingegen weniger als 10 Prozent.

Die Erfahrungen mit Desk-Sharing sind meist gut: Knapp drei Viertel der Beschäftigten ohne individuellen Arbeitsplatz haben positive Erfahrungen gemacht. Negativ werden fehlendes Equipment an den Arbeitsplätzen, mangelnde Sauberkeit und zeitliche Aufwände für Aufbau und Suche nach einem freien Arbeitsplatz bewertet. Dennoch bietet Desk-Sharing neben der Kostenersparnis durch einen engeren Austausch der Mitarbeitenden auch die Chance, die Produktivität zu steigern.

Was bedeutet mobiles Arbeiten für das Team?

Ob mobiles Arbeiten zur Steigerung der Produktivität führt, ist umstritten. Klar dagegen ist, dass mobiles Arbeiten als eigenverantwortlich und zeitlich flexibel bewertet wird. Mehr als die Hälfte der Befragten stellt jedoch fest, dass der soziale Austausch und die Kreativität bei der Zusammenarbeit unter ortsflexiblem Arbeiten leiden.

Auch wenn die Studie eine Momentaufnahme ist, müssen negative mittel- bis langfristige Folgen für die Bindung, aber eben auch Innovationskraft im Fokus bleiben. Auf lange Sicht ist die Gefahr einer sozialen Erosion gegeben, auch wenn derzeit nur 19 Prozent von einer Verschlechterung des Zusammenhalts im Team sprechen. Viele Teams profitieren noch von einem Sozialkapital, das sie in einer verstärkten Präsenz in der Vor-Corona-Zeit aufgebaut haben. Besonders schwierig ist es schon jetzt für Beschäftigte, die in andere Teams wechseln, oder für neu Eingestellte, aufgrund geringeren sozialen Austauschs in den Teamzusammenhalt wachsen zu können.

Ein erheblicher Teil der Beschäftigten stellt abnehmendes Engagement der Kolleginnen und Kollegen ebenso fest wie ein verringertes Interesse am sozialen Austausch untereinander. Auf den ersten Blick scheint diese Erkenntnis weniger wichtig, weil nicht direkt arbeitsbezogen. Auf den zweiten Blick allerdings sind die Risiken hochrelevant: Das soziale Miteinander ist ein wichtiger Klebstoff und Ermöglicher von Zusammenarbeit, Hilfe, Krisenresilienz und Bindung.

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass gut ein Jahr nach Corona mobiles Arbeiten in den Betrieben funktioniert und ganz überwiegend geregelt ist. Nun gilt es, den neu entstehenden Risiken für Teams und deren soziale Zusammenarbeit wirksam zu begegnen.

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